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Patrick Sercu: ein Leben für den Radsport - der Sechstagekaiser stirbt mit 74 Jahren

 
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Das Mutterland des Radsports, Belgien, hat schon zahlreiche Heroen des Radsports hervorgebracht, die die Fans zu Begeisterungsstürmen hingerissen haben. Einer dieser großen Stars der internationalen Radsportszene war Patrick Sercu, der am 19. April 2019 nach langer Krankheit im Alter von 74 Jahren verstorben ist. Zwischen 1964 und 1983 hat er als Profi sowohl auf der Straße als auch auf der Bahn den belgischen Radsport mitgeprägt und dabei zahlreiche Siege davongetragen. In Belgien hatte er mit Eddy Merckx, Roger de Vlaeminck, Walter Godefroot, Herman van Springel und Rik van Looy allein national eine große Gegnerschaft, mit denen er aber auch auf der Straße gemeinsam in einigen Teams unterwegs war.

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Nach erfolgreicher Amateurlaufbahn mit dem Weltmeistertitel auf der Bahn im Sprint 1963 und dem Olympiasieg 1964 in Tokio im 1000-m-Zeitfahren löste er seine erste Profilizenz im Jahre 1964, wo er einen Vertag beim belgischen Team Solo-Superia unterschrieb und u.a. mit den beiden großen Rivalen seines Heimatlandes, Rik van Steenbergen und Rik van Looy in einem Team fuhr. Ein Jahr danach stieß auch der große Eddy Merckx zum Team, mit dem er später auf vielen Sechstagebahnen der Welt spektakuläre Siege einfuhr. Weitere Teams waren Faema, Brooklyn, Filotex und Fiat, für die Patrick Sercu im Laufe seiner Straßenkarriere zweimal die Tour de France mit dem Gewinn des grünen Trikots für den Punktbesten im Jahre 1974 und siebenmal den Giro d’Italia bestritt. Dabei gewann er 13 Etappen beim Giro und sechs Etappen bei der Tour de France und verzeichnete insgesamt 58 Siege bei Straßenrennen. Dazu zählten auch zwei Erfolge in Deutschland mit dem Gewinn einer Etappe der Deutschland Tour und dem Sieg beim Großen Preis Union Dortmund jeweils im Jahre 1979.

Patrick Sercu zählte zu den heute leider seltenen Spezies, die sowohl auf der Straße als auch auf der Bahn ihr Handwerk verstanden und in beiden Bereichen zahlreiche Erfolge erzielten. Auf der Bahn hatte sich Patrick Sercu schon bald als Sechstagefahrer einen Namen gemacht und bei 223 Starts sagenhafte 88 Siege herausgefahren, erreichte außerdem 54 zweite und 40 dritte Plätze. Mit Eddy Merckx holte er sich 1965 in Gent seinen ersten von insgesamt 15 gemeinsamen Sechstagesiegen, wobei sein letzter Sechstagesieg aus dem Jahre 1983 datiert, als in Kopenhagen der Däne Gert Frank sein Partner war. Bei nur 12 Sechstagerennen musste er vorzeitig aufgeben, darunter auch einmal in Berlin im Jahre 1973 beim Rennen in der Deutschlandhalle, als er mit dem Deutschen Albert Fritz ein Team bildete. 

Erstmals war er in Berlin 1965 mit seinem kongenialen Partner Eddy Merckx am Start und dieses Rennen war für den Unterzeichner ein Spektakel erster Güte. Beide wollten die geballte Konkurrenz der Sechstagestars wie dem Niederländer Peter Post mit seinem Schweizer Partner Fritz Pfenninger und den starken deutschen Teams Rudi Altig/Dieter Kemper sowie Wolfgang Schulze/Sigi Renz gleich in die Schranken weisen, aber sie wurden als Neulinge in diesem Metier von den etablierten Könnern in den ersten Nächten buchstäblich in den „Keller“ gefahren. Die blutjungen Belgier aber ließen nicht locker, waren sich ihrer Stärken bewusst und holten von ihren zwischenzeitlichen neun Runden Rückstand (!) eine Runde nach der anderen auf. Am Ende verpassten sie zwar das angestrebte Treppchen, aber der fünfte Platz mit nur noch vier Runden Rückstand deutete schon an, dass hier zwei außergewöhnliche Rennfahrer vor einer großen Karriere stehen würden. In den Folgejahren sollte es Patrick Sercu in Berlin von 1971 (mit Peter Post) sowie von 1975 bis 1982 mit Dietrich Thurau (insgesamt drei Siege), Eddy Merckx, Gregor Braun und dem Italiener Maurizio Bidinost noch auf sieben Siege bringen. Er war jahrelang der Boss auf den Sechstagebahnen Europas und als erfolgreichster Sechstagefahrer aller Zeiten wird ihm der daraus entstandene Titel „Sechstagekaiser“ auf ewig nicht mehr zu nehmen sein. Im heimatlichen Gent, wo wir ihn schon im letzten November krankheitsbedingt leider nicht mehr antrafen, errang er mit 11 Erfolgen seine meisten Siege.  

Als Profi war Patrick Sercu noch zweimal Weltmeister im Sprint 1967 und 1969, holte sich mehrmals den Europameistertitel im Madison, im Omnium und dazu auch noch hinter dem Derny im Jahre 1976 vor dem im Oktober letzten Jahres ebenfalls verstorbenen Dieter Kemper aus Dortmund. Der belgische Vorzeigeprofi erzielte nebenbei über 500 m und 1000 m mit fliegendem und stehendem Start zwischen 1964 und 1972 insgesamt vier Weltrekorde. Mit Patrick Sercu ist wahrlich ein ganz Großer des internationalen Radsports von uns gegangen, der seine Laufbahn auf der Bahn beendete, wo sie auch begonnen hatte. Aber auch nach seiner aktiven Laufbahn ließ ihn der Radsport nicht los und so ging seine radsportliche Karriere als Manager oder Sportlicher Leiter ungebremst weiter. So war er in Stuttgart, Rotterdam und Antwerpen Ansprechpartner für die Profis und darüber hinaus jahrelang als Sportlicher Leiter beim Bremer Sechstagerennen tätig. Auch auf anderen Pisten war Patrick Sercu ein immer gern gesehener Gast, von dessen Erfahrungsschatz so manch einer profitieren konnte. 

Wir werden Patrick Sercu vermissen und uns immer an seine hervorragenden Leistungen gern erinnern. Ich persönlich habe alle seine 19 Starts in Berlin miterlebt, wo er nicht weniger als 12 Podiumsplätze erzielte. Sein Siegeswillen, seine Schnelligkeit und Übersicht in den Rennen waren Merkmale, die ihn stets auszeichneten und von denen teilweise auch Fahrer profitierten, die mit anderen Partnern nur wenig Siegchancen gehabt hätten. Der Sechstagekaiser wird unvergessen bleiben! Rest in Peace, Patrick!

Bericht: Bernd Mülle  

Fotos: Arne Mill (frontalvision)

Mehr Bilder auch zum direkten Download gibt es für private und redaktionelle Nutzung bei unser Bildagentur frontalvision.com:
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