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Sixdays Bremen 2019: Die Halle kocht, die Rennen sind spannend, das Konzept geht auf!

 
4.9 (10)

Wenn in der Nacht von Montag zu Dienstag (!) um drei Uhr in der Halle 4 die begeisterten Gäste freundlich gebeten werden müssen, langsam zu gehen, und einfach ein Raum weiter feucht fröhlich gefeiert wird - dann weiß man, dass alles richtig gemacht wurde! Wenn vor dem letzten Abend bei den Profis noch fünf Teams um den Gesamtsieg kämpfen (derzeit liegen Simone Consonni & Tristan Marguet nach Punkten vor Iljo Keisse & Jasper de Buyst) - dann ist klar, dass das Fahrerfeld gut ausgewählt und aufgestellt wurde. Wenn am Montagvormittag beim Tag der Schulen tausende Augenpaare gebannt auf das Geschehen auf der 166,66 Meter langen Bahn sowie die Lichtershow blicken - dann ist ebenso klar, dass alles richtig gemacht wurde. Und wenn dann noch die Showeinlagen in der ÖVB-Arena passen und die Sprinter spontan mit auf die Bühne steigen und die Massen rocken - dann ist man sich endgültig sicher: Mensch ja, die Macher in Bremen haben wirklich ein Näschen, ein gutes Gespür und ein gutes Händchen! Und zudem haben sie mit Peter Rengel, Bernd Rennies und Uwe Rohde drei perfekte Botschafter!

Seit nun mehr 30 Jahren verfolge ich mit Herzblut das Fußballgeschehen und darf gewiss behaupten, dass ich weiß, wie der Hase mitunter läuft, wie Fans ticken und was hier und dort hart kritisiert werden muss. In Sachen Radsport bin ich der totale Quereinsteiger. Nun denn, klar, Ende der 1990er hing ich auch mit Freunden vor dem Fernseher, wenn Jan und Marco sich bei der Tour de France einen erbitterten Zweikampf lieferten. Das war es dann aber auch. Erst 2011/12 nahm mich Arne die ersten Male mit zu Straßenrennen. Gemeinsam fotografierten und filmten wir bei der Tour de Berlin, bei der Kids Tour, bei Rund um Buckow und beim MOL-Cup. Als ich zum ersten Mal beim Berliner Sechstagerennen dabei war, bekam ich mitunter Gänsehaut und feuchte Augen, wenn die Massen auf den Rängen vor Freude tobten, als Robert Förstemann beim Rundenrekordfahren antrat oder beim Madison ein Lokalmatador eine Runde rausfahren konnte. 

In Bremen bin ich jetzt zum vierten Mal in Folge dabei. Und was soll ich sagen? Genau solche Veranstaltungen sorgten dafür, dass bei mir der Funke übersprang. Das soll durchaus was bedeuten, betrachte ich beim Fußball von Hause jedes Element, das nach „Event“ schnuppert, überaus skeptisch. Früher hatte ich gedacht, bei den Sixdays Bremen gehe es eh nur ums Feiern und Saufen. Doch musste ich mich eines Besseren belehren lassen. Ich verliebte mich in die enge 166 Meter lange Bahn, die immer so schön brettert und vibriert, wenn die Fahrerinnen und Fahrer um die Kurven heizen. Stark fand ich ebenso, wenn Mickie Krause nachts die Massen anheizte und auf der Bahn die Fahrer eine Polonaise bildeten. Die Mischung passte - das wurde auch mir schnell klar.

Einen Schnitt gab es in diesem Jahr. Mickie Krause trat nicht mehr bei den diesjährigen Sixdays auf. Stattdessen wurde „Ever’so“ gebucht. Ob das genügen würde? Immerhin hatte Mickie Krause die Latte recht hoch gelegt. Aber wie eingangs erwähnt: Die Veranstalter hatten ein goldenes Händchen. Am ersten Abend hatte Howard Carpendale seinen Auftritt beim Startschuss und auf der Bühne. Das hatte gepasst. Solch eine Größe muss man erst einmal holen können. Und was die Jungs und Mädels von „Ever’so“ betrifft, darf ebenso behauptet werden: Die Auftritte (am Samstagabend gab es gleich drei an der Zahl) bereiteten Freude und nach kurzer Eingewöhnung kam ich richtig auf den Geschmack. Die Sprinter sahen das ebenso und tanzten am Samstagabend am Rande fleißig mit. Wenig später taten sie dies mit auf der Bühne. Perfektioniert wurde das Ganze am gestrigen Abend. Zum letzten Drittel der Showeinlage erfolgte ein legendärer Bühnenauftritt der Sprinter, bei dem Tanz- und Gesangqualitäten unter Beweis gestellt wurden.

Schade, dass Robert Förstemann nicht mehr dabei sein konnte. Am Samstagabend war er kurz vor dem besagten Auftritt von „Ever’so“ beim Rundenrekordfahren schwer gestürzt. Nachdem er richtig Tempo aufgenommen hatte, gab es in der Kurve einen Defekt am Vorderrad und er krachte voll auf die Bahn und blieb anschließend regungslos liegen. Mit einem Mal wurde es mucksmäuschenstill in der ÖVB-Arena. Zuschauer, Betreuer, Veranstalter, die anderen Fahrer - allesamt waren geschockt. Umso erleichterter waren alle, als klar wurde, dass er ansprechbar war und es nicht zum Schlimmsten kam. Schlüsselbein und Rippe sowie Abschürfungen im Gesicht sind arg genug, doch dürfte klar sein, dass ein Sturz bei 70 Sachen, wenn - wie auf einem Standbild eines Videos zu sehen - der Reifen platzt und sich komplett löst, weitaus verheerender ausgehen kann. 

Für Gesprächsstoff sorgte ein Anruf von Robert Förstemann an den sportlichen Leiter Erik Weißpfennig, der noch am gleichen Abend erfolgte. Er hatte sich dafür entschuldigt, die tolle Stimmung in der Halle versaut zu haben. Und dabei sei doch gewiss eine tolle Rundenzeit möglich gewesen. Verrückt! Für einen neuen Bahnrekord hatte er bereits bei den diesjährigen Sixdays gesorgt. 2014 hatte Jeffrey Hoogland die Runde in 8,812 Sekunden zurückgelegt. Robert Förstemann ließ es mit 8,695 Sekunden in diesem Jahr so richtig krachen.

Kommen wir jedoch zurück zur Gesamtveranstaltung. Wer könnte ehrlicher sein als Kinder und Jugendliche? Lädt man zahlreiche Schulklassen zu einer Veranstaltung ein, wird man sehr schnell sehen, ob sich gelangweilt oder Begeisterung gezeigt wird. Allzu häufig ist zu hören, dass die heutige Generation zu träge und zu schwer für etwas zu begeistern sei. Immer nur sei das Smartphone vor den Augen, so die Kritik. Und ja, am Montagvormittag waren in der Tat hunderte Handys mit dabei, doch wurden diese kaum zum Rumfummeln genutzt. Stattdessen wurden mit offenen Mündern Videos und Fotos von der beeindruckenden Lichtershow und den Fahrern angefertigt. Dieses Mal waren der Innenraum (die Schüler durften es sich wieder im VIP-Bereich gemütlich machen) und die Ränge richtig gut gefüllt. Die Schulen der Region nahmen das Angebot der Sixdays Bremen noch besser an als in den Jahren zuvor.

Das Konzept funktioniert. Und wieder zeigte sich: Es hilft kein Meckern mit dem Nachwuchs. Stattdessen müssen Angebote gemacht werden! Das wurde bereits am Samstag beim Kidsday deutlich. Lasst sie machen, zeigt ihnen etwas, weckt die Neugier - und schon sind Kinder und Jugendliche voll dabei. „Geht´s Euch gut?“, fragte der Hallensprecher zu Beginn des Tags der Schulen. Ein lautes freudiges Kreischen war die Antwort. Nach der Lichtshow erfolgte der Startschuss zum Rennen der U23. „Es ist mir zu leise in der Halle!“, rief der Sprecher. Kein Problem! Es wurde richtig laut. Es war herzerwärmend zu sehen, wie begeistert manch ein Mädchen und Junge das Fahrerfeld anfeuerte. Als später die Sprinter an der Reihe waren, wurde der Höhepunkt erreicht. Erstaunte Blicke gab es auch, als das Derny-Rennen anstand. Dass beim abschließenden 50-Runden-Fahren der U23 ein wenig die Spannung nachließ, liegt auf der Hand und dürfte nicht weiter schlimm gewesen sein.

Auf dem Programm standen ebenso drei Talkrunden. Frage und Antwort standen Cédric Makiadi (Ex-Spieler des SV Werder Bremen und aktueller U17-Trainer), Christian Grasmann (aktuell bei den Sixdays mit auf der Bahn) sowie Fabian Bleck und Keith Benson (Basketball-Spieler bei den Eisbären Bremerhaven). Nun denn, bei den Talkrunden (Hauptthema war die Ernährung) gibt es noch Luft nach oben. Umso erfreulicher war zu sehen, dass das sportliche Geschehen ungemein gut angenommen wurde. Etliche Fahrer wurden mit Fragen gelöchert, beim Ausgeben von Autogrammkarten bildete sich eine riesige Traube um die beiden Eisbären-Spieler. Ebenso gut angenommen wurden die vom SV Werder Bremen ausgelegten Tütchen mit getrockneten Apfelscheiben. „Moin Kids.“

Gut gefallen hätte den Schulklassen gewiss auch das abschließende Madison der Frauen, das am Tag zuvor ausgetragen wurde. Die Fahrerinnen mussten auf der engen Bahn an ihre Grenzen gehen. Bei der Ablöse in der Kurve kamen die irischen Fahrerinnen Ellen McDermott und Alice Sharpe zu Fall, für sie war das Rennen leider beendet. Nicht ohne waren auch die Überholmanöver der vorn fahrenden Teams. Immer wieder musste sich mit vollem Tempo an zwei Teams vorbei manövriert werden, am Ende hatten diese satte 17 Runden Rückstand. Recht eng ging es vorn zu. Das Madison für sich entscheiden konnten Lisa Klein & Lisa Brennauer vor Kirsten Wild & Amber van der Hulst und Lin Teutenberg & Franziska Brausse. „Ich kann nicht mehr! Es war so fu**ing hart gewesen!“, erklärte Lisa Klein unmittelbar nach dem Rennen einem Betreuer. Umso feucht fröhlicher wurde der eingefahrene Sieg mit zwei Flaschen Sekt auf dem Podest gefeiert. 

Die Entscheidung bei der U23 gab es am gestrigen Abend. Auf dem Treppchen ganz oben standen Elias Richter und Max Gehrmann. Rang zwei holten Filippo Ferronato und Matteo Donegá, auf den dritten Platz fuhren Anders Fynbo und Martin Mollerup. Am heutigen letzten Abend darf man sich noch auf die Finals beim Sprint und beim Derny sowie auf die letzten beiden alles entscheidenden Jagden freuen.

Bereits vor dem heutigen letzten Abend darf gesagt werden: Bremen hat die Latte dieses Mal sehr hoch gelegt. Nun liegt es an den Berlin Six Day zu zeigen, dass auch im Velodrom so wie früher der Funke mit voller Kraft überspringen kann. Wir sind gespannt!

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com), Marco Bertram

zum turus-Facebook-Video vom Auftritt der Sprinter auf der Bühne 

zur turus-Fotostrecke: Bremen Sixdays 2019

frontalvision: Bilder der Bremen Sixdays 2019 zum herunterladen

Mehr Bilder auch zum direkten Download gibt es für private und redaktionelle Nutzung bei unser Bildagentur frontalvision.com:
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