Im Zug durch Georgien
Wir sind wieder unterwegs Richtung Tbilisi. Diesmal sitzen wir in einem etwas älteren Zug, der ziemlich lang ist. Der Wagen wurde von innen renoviert. Er ist bequem, sauber. Ein Restaurant gibt es leider nicht, Kaffee oder Tee erhält man von einem Bediensteten. Die Polizei fährt ebenfalls mit. Der Zug verlässt die üppige Vegetation der Schwarzmeerküste und steigt langsam hoch Richtung Tbilisi und je näher wir uns Tbilisi nähern, desto atemberaubender wird die Landschaft. Die Berge werden höher, auf ihren Kuppen sind Kirchen oder alte Festungen auszumachen. Ein Fluss wird mehrfach überquert. Die Gebäude – Bahnhöfe, Perrons, Industrieanlagen - entlang der Bahnstrecke hingegen sind total verwahrlost und verlottert.

Azerbaidschan-TV

Am Morgen zappe ich etwas durch die Fernsehkanäle in unserem Hotelzimmer und bleibe bei Azerbaidschan-TV hängen, der gerade die News auf Englisch über den Äther schickt. Ich fühle mich ins tiefste Turkmenistan oder Nordkorea versetzt. Einige Beiträge fanden wir hitverdächtig, aber der rund 20minütige Beitrag über Aserbaidschans First Lady übertraf sie alle. Nun wissen wir, dass wir sie alle lieben, die ganze Welt. Und ihre Kinder! Die Töchter studieren in Paris und der Sohn besitzt einen „spezial intellect“! Ihre Stiftung ist aber der Weltsegen! Denn nur dank ihrer Stiftung konnte der UN-Menschenrechtsrat etabliert werden. Sie leistet Entwicklungshilfe von den Niederlanden bis Indien …

Im Kaukasus – Kazbegi

Es ist nicht einfach, sich auf dem Didube Busbahnhof in Tbilisi zurechtzufinden. Mit der wunderbaren Metro sind wir hier angekommen und stehen nun etwas hilflos da. Mittlerweile können wir schon einige Wörter auf Georgisch und das bringt es voll. Selbst die am grimmigsten aussehende Georgierin kann dann in unerwartet heiteres Lachen ausbrechen. So fragen wir uns nun durch, wo denn hier Fahrzeuge nach Kazbegi aufbrechen und landen bei einem Taxifahrer, der uns hinbringen will und uns anbietet, an zahlreichen Stellen anzuhalten, damit wir ein paar Fotos schiessen können. Wir sagen zu und es wird die beste Entscheidung unserer Reise.

Unser erster Stop ist in Ananauri, einer wunderschönen alten Festung an einem malerischen See gelegen. Dann, auf dem Weg Richtung Passhöhe nehmen wir noch zwei Tramperinnen mit, eine Lettin und eine Polin. Wir halten noch an diversen Orten um die wunderbare Landschaft bestaunen zu können, bevor wir die Passhöhe auf rund 2300 Metern ü. M. erreichen. Die Strasse windet sich nun wieder bis auf 1800 Metern ü. M. hinunter und wird immer schlechter, kaum zu glauben, dass dies die wichtigste Strasse nach Russland sein soll. Als wir dann im Bergdorf ankommen, lädt uns der Taxifahrer im Nunu Guesthouse ab, wo uns Nunu und ihre englischsprechende Tochter, zweifellos die Dorfschönheit, bereits erwarten. Wir bleiben denn auch gleichmal hier.

Zu viert machen wir uns auf dem Weg zu einer Kirche, welche hoch über Kazbegi ragt. Der Mount Kazbeg, der mit seinen rund 5000 Metern heraussticht, ist hinter Wolken verborgen. Als wir oben bei der Kirche ankommen, werden wir noch Zeuge eines Gottesdienstes. Der Mount Kazbeg befreite sich kurz darauf noch von seinem Wolkenleid. Majestätisch ragt er nun weit über alle anderen Berge hinaus. Ein wahrhaft imponierender Anblick – selbst für einen Schweizer. Wir kaufen georgischen Wein – das junge Mädchen im Kiosk spricht deutsch – Brot und Käse um gemeinsam den Abend zu verbringen. Der Wein schmeckt süss, ich find ihn nichtmal so schlecht, muss hier aber hinzufügen, dass ich sehr selten Wein trinke. Unsere weiblichen Begleiterinnen sind weniger begeistert. Sie schwärmen vom „homemade wine“. Keine Ahnung, wo man den bekommt.
 
In dieser Nacht ist es auf rund 1800 Metern ü. M. nicht nur saukalt, mir geht es richtig dreckig. Heftige Bauchschmerzen verhindern den Schlaf. Offenbar stöhne ich vor Schmerzen, denn nun findet auch mein Mitreisender keinen Schlaf mehr. Erst gegen morgen bessert sich mein Zustand langsam. Und beim Frühstück – Eier, Käse, Tomaten, Joghurt, Küchlein, Brot, Tee und etwas gemüsiges, das wir nicht identifizieren können, aber ordentlich schmeckt - können wir uns noch ein Bild über die nette georgische Familie von Nunu machen. Sie ist ganz klar die Chefin hier. Es fällt schwer ihr Alter abzuschätzen. Mit Sicherheit ist sie einiges jünger als sie aussieht. Sie hat mindestens drei ausgesprochen hübsche Töchter, die ich zwischen 15 und 19 Jahre schätzen würde. Sie alle haben die blauen Augen ihrer Mutter geerbt. Die Frauen entfernen sich, so wie wir das sehen, nie allzu weit vom Haus weg, so dass sie jederzeit die Befehle von Nunu hören können. Die älteste Tochter ist die Dolmetscherin und scheint immer präsent sein zu müssen - falls Nunu mit uns reden will. Dazu gibt es noch einen rund vierjährigen Sohn von Nunu, vielleicht auch ihr Enkel. Dieser Sohn ist auch ganz klar der grosse Schatz. Er darf nichts selbständig machen, meistens zerrt sie ihn hinter sich her. Ihr Ehemann sitzt meistens auf der Veranda und macht Kreuzworträtsel. Das Haus ist ziemlich gross und wirkt im Vergleich zum Dorf wohlhabend. Ich weiss aber nicht, wie viele Zimmer an Fremde vermietet werden. Das alte wackelige Klohäuschen hinter dem Haus ist ausser Betrieb, denn neben der Veranda gibt es nun ein modernes Badezimmer mit Warmwasserboiler der eigentlich auch funktionieren sollte. Warmwasser kriegten wir trotzdem nie hin. Dazu besitzt die Familie einen Stall und mindestens zwei Kühe, einen Garten, in dem wir aber nichts Brauchbares wachsen sehen und einen Rasen für die Kühe. Es fällt uns schwer sich vorzustellen, was die Menschen hier im Winter machen. Das Dorf wirkt schon im Sommer eher etwas trostlos auf uns. Westeuropäer sehen wir keine, dafür viele osteuropäische Touristen und zwei Israelis. Sie fallen uns auf, weil wir sie an einem Marktstand hart feilschen sehen, so wie ich es nur von Israelis kenne.

Nicht allzu oft fahren Minibusse Richtung Tbilisi. Unser Fahrer verspricht uns auch zwei Plätze im Bus, der in einer Stunde abfährt. Die beiden mutigen Frauen, welche uns begleiten, fahren per Anhalter nach Tbilisi, nachdem sie heute noch einen Wandertag eingelegt hatten. Ihre Abenteuerlust, ihren Mut und ihre schier unerschöpfbar wirkende Energie beeindrucken uns tief. Um 13.30 Uhr soll der Bus abfahren, um 13.10 Uhr verlassen wir ein Cafe um festzustellen, dass der Bus schon ziemlich voll ist. Nicht alle können mitfahren, denn der Fahrer hat einfach allen einen Platz im Bus versprochen, aber so viele Plätze hat er nun halt nicht. Fahren tun wir auch nicht um 13.30 Uhr, denn die alte Frau, welche das Geld für die Fahrt eintreibt, hat festgestellt, dass zwei nicht bezahlt haben, weiss aber nicht welche und wir wissen nicht, was sie sagt, dafür aber, dass wir noch nicht bezahlt haben. Sie schaut aber nie zu uns und kommt auch nicht in unsere Nähe. Irgendwann halten wir ihr das Geld hin und ein Mann hinter uns scheint uns zu tadeln, während die alte, sympathische Frau neben uns in fröhliches, heiteres Lachen ausbricht und in die Hände klatscht. Wegen uns gab es also eine 20-minütige Verspätung.