Ich bin auch der einzige, der sich nicht an den Rhythmus an Bord hält. Um etwa sechs Uhr, wenn die Sonne aufgeht, herrscht reges Treiben. Es gibt Kaffee. Danach wird der Schlaf aus den Augen geputzt, gewaschen, geduscht, Zähne geputzt um dann wieder in die Hängematte zu liegen. Erst ein paar Stunden später kommt wieder Unruhe auf, die Passagiere machen sich bereit, um für das Mittagessen anzustehen. Dann geht es wieder in die Hängematte bis zum Abendessen. Früh gehen sie schlafen um für den Kaffee wieder wach zu sein. Ich hingegen schlafe tüchtig aus – es ist erstaunlich bequem in der Hängematte, aber eine Decke sollte man dabei haben. Es kann in der Nacht ziemlich kühl werden. Am Tag hingegen ist es sehr heiss. Regen und Wolken sind da herzlich willkommen. Nach dem Mittagessen gehe ich jeweils in die Bar hoch. Auf meinem Schiff hat es viele Feuerwehrleute, welche in Manaus eine Prüfung ablegen müssen. Die einen lernen, die anderen saufen, andere spielen Domino. Es sind aber furchtbar nette Leute, die mich herzlich willkommen heissen. Auch sonst verbringe ich den Tag meistens an einem schattigen Plätzchen ausserhalb der Hängematte und schaue auf den Fluss, registriere die Landschaft und hoffe auf Tiere. Den kühlen Abend verbringe ich immer in der Bar oben an Deck und geniesse die Nacht. Allzu viele tun das nicht und die Bar schliesst relativ früh. Dann spannen die freundlichen Damen der Bar ihre Hängematte auf und hauen sich neben der Bar aufs Ohr.

Die Polizei von Tabatinga bequemte sich erst etwa gegen 15 Uhr zum Schiff und ohne Zustimmung der Polizei darf das Schiff nicht ablegen. Zwei geschlagene Stunden untersuchen sie jeden Winkel des Schiffes, denn hier am Amazonas befindet sich offenbar eine Hauptroute für Drogentransport und das mögen die Polizisten gar nicht. Als sie dann das Schiff gegen 17 Uhr verlassen, geht es los!

Der Amazonas, der hier noch Rio Solimoes heisst, ist hier bei tiefem Wasserstand noch ganz überschaubar und hat vielleicht die Breite der Donau bei Wien. Das Wasser muss dieses Jahr sehr tief sein, es war ein unüblich heisses Jahr. Benjamin Constant, nach Plan der nächste Halt, kann nicht angefahren werden, es hat zuwenig Wasser. So fahren wir Richtung Sao Paulo de Olivenca. Manuel und ich haben auch schon unseren Lieblingspassagier gefunden. Wir nennen ihn El gran Capitan, weil er immer mit einer Uniform umherläuft. Er dürfte gute 80 Jahre alt sein und schläft in einer der wenigen Kabinen, die es auf dem Mitteldeck gibt. Wir vermuten, dass er früher selbst den Amazonas befahren hat. Ein Seebär in Rente. Im Zweistundentakt macht er seine Kontrollgänge, inspiziert die Matten, den Motor, alle Decks und findet immer etwas zum Nörgeln. Störend sind seine nächtlichen Rundgänge. Denn mitten in der Nacht schaltet er für ein paar Minuten die grellen Lampen ein um das Deck zu inspizieren. Die Birne brennt mir dabei genau ins Auge.

Am nächsten Morgen nähern wir uns San Antonio de Ica. Als ich mir den Schlaf aus den Augen reibe, stelle ich überrascht fest, dass mittlerweile zahlreiche Frauen einen Liebhaber gefunden haben, sogar das bildhübsche, vielleicht 15-Jährige Teenie hat einen massiv älteren Freund. Wie sind in Brasilien. Auch Manuel hatte Erfolg. Dann, als das Schiff anlegt, sehe ich rund 10 Delphine, auch rote, welche sich in der Bucht vergnügen. Ich bin aber offenbar der einzige, der darob fast platzt vor Freude. Meine Mitreisenden haben anderes vor, denn hier am Hafen kann man spottbillig riesige Wassermelonen kaufen. Auch scheinen für die hier lebenden Menschen die Schiffe eine Art Entertainment darzustellen. Sie kommen an Bord drehen eine Runde, treffen vielleicht einen Verwandten, flirten und dann gehen sie wieder an Land. Daher bleibe ich mal nahe bei meinem Gepäck. Denn nicht alle hier haben redliche Absichten, wie mir versichert wird. Doch nun werde ich geärgert. Ich habe mich wieder in die Hängematte gelegt und beginne zu lesen, als ein Polizist mich sehr herrisch heisst aufzustehen. Zielstrebig hat er sich meine Hängematte ausgesucht und nun durchsucht er mich und ich darf wieder mein ganzes Gepäck auspacken.