turus | Interview: Kubanischer Alltag in Havanna

RS Updated 06 Januar 2014
turus | Interview: Kubanischer Alltag in Havanna

KubaMark Bauch – Autor und Künstler aus Berlin – beschäftigt sich seit Jahren mit der kubanischen Santería und dem brasilianischen Candomblé.
Im Frühjahr 2009 war er vor Ort in der kubanischen Hauptstadt Havanna, um dort gemeinsam mit Kubanern zu wohnen und den Alltag kennenzulernen. Das turus | Magazin führte in Berlin ein Interview mit Mark Bauch.

turus: Mark, wo genau und wie lange warst du auf Kuba?
Mark B.: Es waren etwas mehr als zwei Wochen. Die meiste Zeit verbrachte ich in La Habana, ein paar Tage aber auch außerhalb der Stadt in einem pueblo.

turus: In welchem Stadtteil genau?
Mark B.: Der barrio, in dem wir gewohnt haben, lag südlich von der Altstadt. Ungefähr eine halbe Stunde mit dem Auto. Eine dreiviertel Stunde mit dem Bus. Es müsste der Stadtteil Miraflores gewesen sein. Es ist schwierig, sich dort in den barrios zu orientieren. Es gibt keine Schilder, die Straßen sind durchnummeriert. Glücklicherweise war ich mit Einheimischen unterwegs ...

La Habanaturus: Wie war dein allererster Eindruck bei der Ankunft in Havanna?
Mark B.: Da waren die Exilkubaner im Flugzeug. Kurz vor der Landung haben sie gelacht und geklatscht. Man spürte die Freude, in wenigen Augenblicken wieder auf kubanischem Boden zu sein.

turus: Und nach der Landung?
Mark B.: Es wirkte alles so unwirklich. Was am Anfang hängen blieb, war der karge rötliche Boden. Und die Palmen. Auf der Taxifahrt bemerkte ich gleich diesen Spiritusgeruch. Sie tanken ja dort nicht nur Benzin, sondern auch ein Alkoholgemisch.

turus: Gab es bei der Einreise Komplikationen?
Mark B.: Nein, gar keine. Alles verlief völlig reibungslos. In den Barrios fielen mir gleich die verfallenen Gebäude auf. Und die wartenden Leute. Überall warteten Menschengruppen auf etwas. Auf den Bus, bei dem man nie weiß, ob und wann er kommt. Auf ein Taxi. Und und und.


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turus: In was für einer Unterkunft hast du gewohnt?
Mark B.: Es war ein Haus einer Kubanerin. Es hatte 2 Stockwerke und war aufgeteilt. Ein Teil für sie, der andere Teil wurde vermietet. Für 20 kubanische Pesos pro Person.

turus: 20 kubanische Pesos? Nicht CUC sondern wirklich kubanische Pesos? Das ist nicht viel!

Mark B.: Richtig! Das war nicht viel. Die Unterkunft war wirklich preiswert! Wir hatten in dem Haus zu fünft gewohnt. Unten war ein großer Gemeinschaftsraum mit einer Bank, einem Regal und einem Kühlschrank. Oben befanden sich die Schlafräume.

turus: Man hört viel von Mangelwirtschaft. Was fehlte deiner Meinung nach am meisten?
Mark B.: Es fehlt teilweise am nötigsten! Klopapier zum Beispiel. Es gibt echt kein Klopapier. Ich hatte ja vorgesorgt und so einige Dinge mitgebracht. Probleme gibt es auch mit dem Wasser. Häufig wird das Leitungswasser abgestellt. Der Strom auch. In den Abendstunden fällt häufig der Strom aus.

turus: Wie sah ein übliches Essen aus?
Mark B.: Also wer auf Kuba nicht viel Geld, der isst Tag ein Tag aus immer das Gleiche: Reis mit Bohnen. Dazu das Weißmehlfladenbrot, das es auf Lebensmittelkarte gibt. Und auch sonst ist alles sehr spartanisch in den Wohnungen. Ecken sind verschimmelt, Farbe blättert, die Gerätschaften stammen teilweise aus den 60er Jahren. Wer im Ausland keine Freunde oder Verwandte hat, ist echt arm dran. Ohne Freunde und Verwandte im Exil ist es wirklich schwer, über die Runden zu kommen!

turus: Du sagtest, du warst auch auf dem Land unterwegs?
Mark B.: Ja, wir besuchten mit dem Auto ein Pueblo außerhalb von La Habana. Der Name war Camilo Ciensuega. Oder so ähnlich. In dem Dorf wohnten paar hundert Bauern. Alles war von Landwirtschaft geprägt. Die Häuser waren schlichte Holzhütten mit Lehmboden. Aber überall gab es einen Kühlschrank. Sehr skuril. Denn meist war der Kühlschrank so ziemlich leer...

turus: Konntest du dich eigentlich völlig frei bewegen oder hattest du das Gefühl, beobachtet zu werden?
Mark B.: Völlig frei! Auf dem Land und auch in dem Barrio in La Habana. Polizei hat man sehr reichlich in der Altstadt gesehen, dort wo die Touristen unterwegs sind. Ansonsten habe ich kaum Polizei gesehen. Bei uns im Stadtteil eigentlich gar keine.

turus: Spielte Neid eine Rolle?
Mark B.: Wie meinst du das?

turus: Neid dir gegenüber. Immerhin bist du in den Augen vieler Kubaner ein reicher Europäer.
Mark B.: Neid, nein keinen Neid. Oder kaum. Aber klar, viele fragten mich, ob sie eine Kleinigkeit haben können. Es fehlt einfach an allem! Man spürt, die Kubaner möchten eine Öffnung des Landes. Sie möchten frei reisen, ihr Geld verdienen. Ähnlich wie damals in der DDR. Und eines muss man aber sagen: Die DDR war ein Luxusland im Vergleich zu Kuba.

turus: Sprechen Kubaner über Politik?

Mark B.: Nein, so gut wie gar nicht. Zum einen haben viele immer noch Angst, etwas falsches zu sagen. Zum anderen sind die meisten echt mit den Problemen des Alltags voll ausgelastet!

turus: Fiel irgendwann mal das Wort „Fidel Castro“ auf deiner Reise?
Mark B.: Nein, überhaupt nicht. Castro ist nicht mehr präsent. Oder kaum noch. Es ist nicht so, dass die Leute ständig am Radio hängen, um eine neue Verlautbarung Castros zu lauschen.

turus: Würdest du noch einmal nach Kuba reisen?
Mark B.: Ja, doch ganz bestimmt. Mich haben vor Ort auch einige Sachen sehr genervt, doch insgesamt war es ein toller Aufenthalt!

turus: Dein Fazit?
Mark B.: Erst hier in Berlin bemerkte ich, dass mich Kuba wirklich nachhaltig beeindruckt hat!

(Das Interview führte Marco Bertram, der 2006 selber auf Cuba vor Ort war und eine Dokumentation angefertigt hat.)

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