Der Bismarck-Turm von Srokowo – Zugewachsen und vergessen

Bismarcks Rede im Reichstag vom 6. Februar 1888 jährt sich nun zum 135. Mal. Wahrscheinlich dürften nur noch Ältere, Historiker und Interessierte mit den folgenden damals geäußerten Worten etwas anfangen können: „Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt […].“ Mit einer unendlichen Begeisterung wurden dann alle möglichen Gegenstände mit diesem Zitat bedruckt.

Was für eine Geschäftsidee! Heute gar nicht mehr vorstellbar. Geht es um den direkt darauf folgenden Teilsatz, dann gerät ausgerechnet dieser oftmals in Vergessenheit. Er lautet wie folgt: „Und diese Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“ Wenn heut schon kaum jemand mehr die historische Figur der Persönlichkeit Bismarck zeichnen kann, dann ist der zweite Teil des Zitats noch weniger geläufig. Frieden ist halt schon eine ganze Weile nicht mehr in Mode. Die Brandstiftungen der Gegenwart haben ein Ausmaß angenommen, womit wahrscheinlich ein Bismarck nie gerechnet hätte.

Hier in Polen hat man logischerweise noch weniger mit Bismarck zu tun. Bismarck-Straßen gibt es natürlich nicht. Bismarck-Denkmäler wurden 1919 dem Erboden gleichgemacht und umfunktioniert. Aber! In Ustka an der Ostsee steht noch eine Villa des Reichskanzlers, der hier auch für Werbezwecke herhält. Na ja, auch der Bismarck-Hering wird hier gegessen. Nicht immer trifft man Vertreter dieses Fischs im Supermarkt an, aber unverhofft kommt oft. Oder auch nicht. Der letzte September liegt nun schon einige Tage zurück. Dann muss ich mal wieder auf die Pirsch zum Kühlregal gehen!

Dann gibt es noch Bismarck-Türme. Ganz so unbeliebt wie Fußpilz sind die wenigen Vertreter dieser Art bei den Polen nicht, aber sie liegen auch kaum höher in der Gunst. Ich sprach mal mit einem Grundstücksbesitzer, auf welchem ein solches Relikt steht. Der meinte sinngemäß zu mir, dass er damit nichts anfangen kann, aber für ein Abreißen sehe der einfach zu schön aus. Recht hat er irgendwo. Wenn ich irgendwo unterwegs bin und ein Bismarck-Turm ist in der Nähe, dann schaue ich da gerne vorbei.

Noch länger als der Verzehr des letzten Bismarck-Herings liegt die letzte Fahrt nach Masuren zurück, ins Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen. Und beeindruckenden Alleen! Damals stand ein Besuch eines Turms ganz oben auf der Liste. Unweit des Ortes Srokowo und der russischen Grenze sollte er sich in einem Hain befinden. Ortskenntnis oder die Koordinaten sind schon nötig, um den Turm zu finden. Aufgrund des Grüns in der Umgebung sieht man ihn vom nächsten Weg aus schon mal gar nicht. Ich bezweifle, dass sich daran im Winter viel ändern wird. 

Wie viele andere verborgene Sachen in Masuren, ist der Turm touristisch absolut unerschlossen, obwohl es gelegentlich Beschreibungen von ihm gibt. Der Zugang mag für Unerfahrene etwas beschwerlich erscheinen. Türme setzt man nun mal häufig auf Hügel. Nimmt man im geistigen Auge die Bäume weg, dann hat man einen ziemlich attraktiven Panoramablick über die Umgebung (u.a. Mamry-See). Militärisch gesehen ist diese Eigenschaft natürlich ein gefundenes Fressen. Die Nutzung des Teufelsbergs (oder auch Fürstenauer Berg) als Festung oder Stellung zieht sich somit nahezu durch die gesamte Geschichte. 

Er hat schon viel erlebt! Leider. Im Original sah das Bauwerk (12 m hoch, im September 1902 eröffnet) mit seinen Zinnen und der Plattform wie eine kleine Burg aus. Wie eine kleine Romantik-Ruine. Unweit des Bismarck-Turms von Srokowo gibt es noch ein weiteres Denkmal zu bestaunen, das noch weniger gut erhalten ist. Arg geschunden kann man mit Müh noch erkennen, dass der Gedenkstein der 37. Infantriedivision gewidmet wurde, die am 8. September 1914 die Russen von diesem Berg und aus der Stadt Drengfurth vertrieben hat.

Aber nicht allen Bismark-Türmen geht es so schlecht. Manchenorts hat man die Funktion dieser als touristische Attraktion und Aussichtspunkt schon begriffen. Die Liste ist nicht so lang, einfach mal durchgehen! Wer suchet, der findet.

Foto: Michael