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Urlaub zu DDR-Zeiten: Was kosteten Reisen nach Bulgarien und Rumänien?

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Meinen Teddy und ein aufblasbares Krokodil legte ich hintereinander auf den Fußboden des Flures in der Wohnung meiner Oma und spielte Urlaub. Teddy und Krokodil waren die Waggons eines Zuges, und dieser fuhr weit weg. Ganz weit weg. Ich war damals vier, und während meine Eltern im Sommer 1977 nach Sotschi und Itkol (UdSSR) flogen, wurde ich bei einen Großeltern in Berlin-Friedrichsfelde untergebracht. Später zeigten mir meine Eltern ihr Reisetagebuch und berichteten von den spannenden Reisen nach Rumänien, Bulgarien und in die Sowjetunion. Wenn ich mal groß bin, würde ich dann mitkommen können, erklärten mir meine Eltern. Im August 1979 war es schließlich soweit. Direkt an meinem sechsten Geburtstag fuhren sie mit mir auf die tschechoslowakische Seite des Riesengebirges und bestiegen mit mir unter anderen die Schneekoppe. In den 1980ern sollten noch einige Reisen in die ČSSR und innerhalb der DDR folgen, doch Fernreisen auf den Balkan oder gar in die UdSSR blieben aus. Der Grund: Die Preise hatten stark angezogen, und meine Eltern beließen es deshalb meist mit einem Urlaub in heimischen Gefilden.

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Die in den Reisetagebüchern aufgeführten Urlaube geben Auskunft, wie teuer solch eine Tour für DDR-Bürger eigentlich war: 1975 - Slatni Pjasazi (Goldstrand / Bulgarien), 1976 - Mangalia Saturn (Rumänien),  1977 - Sotschi & Itkol (Sowjetunion), 1978 - Slatni Pjasazi (Bulgarien). Gehen wir mal alles ganz in Ruhe durch: Vom 1. Juni 1975 bis 15. Juni 1975 ging es zwei Wochen ans Schwarze Meer, von Berlin-Schönefeld gab es einen Direktflug nach Varna. Übernachtet wurde in einem Hotel der Kategorie II A und als Verpflegungsstufe wurde die I angegeben. Gebucht wurde diese Reise von meinen Eltern bei Reisebüro der Deutschen Demokratischen Republik, als Kosten wurden 979 Mark pro Person angegeben. Hinzu kamen 205 Mark Taschengeld, die offiziell in die bulgarische Landeswährung umgetauscht werden durften. Ingesamt waren demzufolge knapp 2.400 Mark für meine Eltern fällig. Eine ordentliche Summe, für die ein ganzes Jahr eisern gespart werden musste. 

Im Jahr darauf reisten meine Eltern mit Interflug nach Rumänien und wurden in Mangalia Saturn im Hotel „Atena“ (gibt es heute noch) untergebracht. Die Kosten für die zweiwöchige Reise im Juni 1976 pro Person: 1.145 Mark. Mit Inhalten war im Hotelrestaurant ein tägliches Menü. Zum Frühstück gab es mitunter Kipfel und Paprikaschoten, zu Mittag wurden Leberpastete, gefüllte Eier und saure Suppe mit weißen Bohnen serviert, zum Abendessen gab es auch schon mal Mailänder Risotto und ein gegrilltes Schweinekotelett oder ein Eskalop aus Kotelett mit „großer Gästesauce“. 

Am spannendsten war mit Sicherheit die Reise in den Kaukasus und nach Sotschi im Sommer 1977. Gezahlt werden mussten pro Person 1.170 Mark, abgeschlossen wurde der Reisevartrag im Januar 1977. Angezahlt wurden 200 Mark, der Rest war zu einem späteren Zeitpunkt fällig. Mit dem Flieger ging es zuerst nach Minsk (anderthalb Tage Aufenthalt) und dann weiter nach Mineralnyje Wody (Region Stawropol) und mit dem Bus nach Itkol und Sotschi. Mit An- und Abreise dauerte diese Reise 16 Tage - für DDR-Verhältnisse also eine ordentliche Dauer. Die Strecke von Berlin-Schönefeld nach Minsk wurde von Interflug bedient, weiter ging es dann mit einer TU 134 von Aeroflot.

Im September 1977 nachgelegt wurde mit einer Kurzreise nach Szczecin. Eine einfache Fahrt kostete damals mit der Bahn pro Person 7,40 Mark, hinzu kamen 50 Pfennige für die Sitzplatzreservierung. Ausgehändigt wurde den Reisenden Ende der 1970er ein Informationsblatt der Zollverwaltung der DDR. Zur Ausfuhr aus der Volksrepublik Polen verboten waren unter anderen folgende Gegenstände: Naturfelle, Lederbekleidungen, Schuhe aller Art, Gold und Edelsteine, Reifen und Schläuche, Kinderbekleidung, Tischdecken, Baumwollartikel, Unterwäsche (unabhängig von der Art des Materials). Kurzum: Es durfte quasi gar nichts ausgeführt werden. Mit dem D-Zug 310 fuhren meine Eltern am 6. September 1977 hoch nach Polen, und im Reisetagebuch vermerkt wurde, dass den polnischen Grenzbeamten nicht die DDR-Ausweise gefielen und diese mehrmals gedreht und ausführlich inspiziert wurden.

Im Juni 1978 ging es noch einmal nach Bulgarien, dieses Mal waren meine Eltern im Hotel „Edelweiß“ am Goldstrand untergebracht. Der Preis inklusive Flug und Vollverpflegung: 1.117 Mark pro Person. Gebucht wurde bereits im Dezember 1977, und wieder mussten 200 Mark in bar angezahlt werden. Im Wert von 100 Mark durften Geschenke mit ausgeführt werden. Notiert wurde alles fein detailliert auf einem Formular: Eine Bluse, eine Kindergeldbörse, ein Kinderabzeichen, eine Keksschale, ein Kindernicki, drei Vasen, zwei Likörservice, eine Flasche Schnaps. 

Im August 1979 war es - wie eingangs erwähnt - soweit. Ich war mit von der Partie. An meinem 6. Geburtstag wurde ich morgens in aller Herrgottsfrühe geweckt und schlaftrunken an den kleinen Geburtstagstisch geführt. Die Kerze brannte, es gab kleine Torteletts mit roten Johannisbeeren und meine Eltern erklärten mir, dass es nun in den Urlaub gehen würde. Die Überraschung war gelungen. Es ging in die Berge! Mit dem Zug ging es von Ost-Berlin aus nach Decin und von dort aus weiter mit dem Bus bis Spindleruv Mlyn (Spindlermühle). Gebucht hatte mein Vater diese Reise zuvor im April, gezahlt werden mussten 536,25 Mark für uns alle drei. Im Vergleich war dieser Urlaub sehr preiswert, da es zum einen keinen Flug gab und zum anderen die Buchung über die Fotochemischen Werke (ORWO) erfolgte. Extra dazu gezahlt werden musste die Zugfahrt mit der Deutschen Reichsbahn. Für zwei Erwachsene und ein Kind kostete die Fahrt von Berlin bis zur Grenze bei Schöna je 18,20 Mark, hinzu kam ein Streckenzuschlag von insgesamt 70 Mark - allerdings gönnten mir meine Eltern an meinem Geburtstag sogar ein Abteil in der 1. Klasse. 

Um 6:58 Uhr verließ der D75 den Ostbahnhof, um 13:05 Uhr ging es vom Busbahnhof in Decin weiter nach Liberec, Vrchlabi und Spindleruv Mlyn. Untergebracht waren wir im St. Peters Tal im „Zdar Buh“. Im inzwischen 40 Jahre alten Reisetagebuch ist zudem ein weiterer Hinweiszettel der Zollverwaltung der DDR zu finden. Dieses Mal ging es um die Einreise in die CSSR. Neben den persönlichen Gegenstände durften Geschenke im Wert von 300 Kronen (rund 100 Mark), bis zu zwei Liter Wein und ein Liter Spirituosen (ausgenommen Primasprit) sowie bis zu 250 Zigaretten eingeführt werden. Apropos trinken. Am 28. August 1979 kehrten wir im Restaurant des Interhotels Krkonose ein. Zwei Kaffee, eine Limo und drei Stück Kuchen kosteten 23,90 Kronen (zirka acht Mark).

In den kommenden Jahren unternahmen meine Eltern mit mir meist nur Inlandsreisen. Aus insgeheim erhofften Flügen auf den Balkan wurde leider nichts. So fuhren meine Eltern mit mir von 16. bis 30. August 1980 nach Blankenburg im Harz. Dort schliefen wir in einem privaten Gästezimmer in der Lindestraße. Im Voraus bezahlt wurde eine Kurtaxe in Höhe von 14 Mark, und das Zimmer war am Anreisetag um 13 Uhr frei. Vermittelt wurde das Zimmer im Januar 1980 von der Kurverwaltung der Stadt Blankenburg. Der Übernachtungspreis betrug Person 4,50 Mark, mit enthalten war ein Morgenkaffee. Eine Vollverpflegung war leider nicht möglich, doch wurde uns schriftlich mitgeteilt, dass in der Umgebung sich zahlreiche Gaststätten befanden. Was hierbei fällig wurde? Ein Beispiel: Ein Atri kostete 1,35 Mark, ein Hacki 2,45 Mark, ein Broiler 4,85 Mark und ein Kassler 4,55 Mark. Als Nachtisch gab es eine Eisroulade (1 Mark), eine Eisroulade mit Sahne (2,40 Mark) und einen Eisbecher für 2,30 Mark. Das machte summa summarum 18,90 Mark für uns alle. 

Im Jahr darauf ging es ein paar Tage nach Warnemünde und drei Tage nach Prag. Für die dreitägige Tour waren insgesamt 354 Mark fällig, zuzüglich wurden 180 Mark Taschengeld genehmigt. Übernachtet wurde im Hotel Velodrom in Praha 10, die Anreise erfolgte am 4. August 1981. Damals gab es in der zweiten Nacht ein irres Gewitter, bei dem der Starkregen nur so gegen die modernen Rauchglasfenster pladderte. Der Vollständigkeit halber: Eine einfache Bahnfahrkarte von Berlin Stadtbahn bis Prag kostete im Sommer 1981 exakt 27,60 Mark.

Nicht nach Blankenburg, sondern nach Bad Blankenburg ging es im Sommer 1982. Per Post wurde am 14. Januar 1982 eine Anzahlung von 30 Mark getätigt. Das Privatzimmer befand sich in der Königseer Straße, als Kurtaxe waren für die zwei Wochen 17 Mark zu zahlen. Die Gesamtrechnung für das Dreibettzimmer liegt leider nicht mehr vor, dafür wurden aber die Eintrittskarten für die Marienglashöhle eingeklebt. Der Eintritt lag bei 1,25 Mark, ermäßigt 65 Pfennige.

Ebenfalls im Reisebuch ist eine Bestätigung aus dem Jahr 1983 zu finden: „Lieber Kollege Bertram, Gewerkschaftsgruppe TAE. Sie erhielten am 30.11.83 die Reise nach Wustrow in der Zeit vom 23.7. bis 5.8.1984 zugesprochen.“ Mit dem Skoda ging es schließlich hoch zum Objekt „Fischland“ des FDGB-Feriendienstes. 

Die Preise für die Übernachtungen liegen vom Sommerurlaub 1985 vor. Gebucht werden sollte zuerst ein Dreibettzimmer in der Schulstraße in Tabarz, doch da im August alles ausgebucht war, wurde es für den Juli ein Zweibettzimmer mit Aufbettung im Wohnzimmer. Die gesamte Wohneinheit kostete pro Nacht 15 Mark und wurde am 24.02.1985 verbindlich reserviert. In der Bestätigung hieß es damals: „Das Frühstück können Sie sich selbst herrichten, da im Zimmer die Voraussetzungen dafür geboten sind. … Ihre Wohnung befindet sich in einem Bungalowähnlichen Gebäude, wo Sie sich sicherlich sehr wohlfühlen werden. Bringen Sie nur schönes Urlauberwetter mit, dann wird alles recht gut werden.“

Nach Mölschow auf Usedom ging es im Juli 1986. Übernachtet wurde auf einem Bauernhof mit Enten und Schweinen in der Dorfstraße. Darauf hingewiesen wurde, dass für An- und Abfahrt mit der Deutschen Reichsbahn 33 1/3 Ermäßigung beim Kauf Ferien-Fahrkarte eingeräumt werden würde. Meine Eltern zogen jedoch wieder die Fahrt im eigenen PKW vor. Die Übernachtungskosten waren wahrlich günstig, für uns drei mussten nur 130 Mark gezahlt werden.  Für eine Reise nach Bulgarien hätten meine Eltern locker das 20-fache hinlegen müssen. Und auch die Kurtaxe war beim Rat der Gemeinde Mölschow recht billig. 7,80 Mark wurden auf der Quittung notiert. 

Nachdem mein kleiner Bruder geboren wurde, ging es im Sommer 1987 nur zu Verwandten aufs Wochenendgrundstück am Wandlitzsee. Im Jahr darauf folgte ein Urlaub auf dem Wassergrundstück bei Freunden in Prieros. Die letzte zu DDR-Zeiten gebuchte Reise fand im Sommer 1989 statt. Ziel der Reise war Breege, wo ich bereits drei Jahre zuvor im ORWO-Betriebsferienlager war. Die Unterkunft kostete für zwei Erwachsene und zwei Kinder 195 Mark. Überschattet wurde der damalige Urlaub von einer Marienkäferplage, von der sogar die Zeitungen berichteten. So verließen zum Beispiel in Nienhagen die Badegäste den Ostseestrand, weil sich die Tiere zu Hunderttausenden rund um die Sonnenbadenden niedergelassen hatten. 

Eine Überraschung hatten meine Eltern allerdings noch für mich parat. Anlässlich meiner Konfirmation spendierten sie uns im Juni 1989 eine viertägige Städtereise nach Prag. Gebucht wurde diese Tour beim Reisebüro Čedok am Strausberger Platz, in Prag untergebracht wurden Stadtteil Praha 6. Die vier Tage kosteten inklusive Taschengeld mal eben 966 Mark. Die Anreise erfolgte individuell. Weshalb das so irre teuer war? Keine Ahnung! Aber wie hieß es so schön? Wenn schon, denn schon! Hin ging es mit der Deutschen Reichsbahn, zurück durfte ich das erste Mal in meinem Leben in ein Flugzeug - und zwar in ein Propellerflugzeug! Es war das einzige Mal, dass ich vor dem Fall des Eisernen Vorhangs geflogen bin - somit war diese Reise wahrlich unbezahlbar! 

Fotos: Marco Bertram, frontalvision.com

 

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Was für Preisunterschiede. Das hätte ich SO nicht gedacht.
U
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