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Rückblick: Heimatkunde an der Polytechnischen Oberschule

Die Zeit wird dreißig Jahre zurückgedreht. Wir schreiben das Jahr 1980. Im Altbau der POS Helene Weigel werden die ersten Klassen unterrichtet. Klasse a, b und c mit jeweils 25 Schülern. Der Stundenplan sieht folgendes vor: Schreiben und Rechtschreibung, Mathematik, Turnen und Heimatkunde.

Im rosafarbenen Hefter befinden sich einige gemalte Bilder und erstaunlich viele Diktate und Heimatkundearbeiten - sprich Leistungskontrollen.
Die allererste Heimatkundearbeit sah wie folgt aus.
Die Frage 1 lautete: "Was gehört in die Schulmappe? Kreuze im Kreis an!"
Zur Auswahl standen die Fibel, ein Spielzeugauto, eine Federtasche, ein Ball, ein Füllfederhalter, ein Bleistift, ein Teddy, ein Lineal, Bonbons, ein Luftballon, ein Heft und ein undefinierbarer Gegenstand, der nur aus fünf parallelen Strichen bestand.
Auf jeden Fall musste dieser Gegenstand angekreuzt werden. 7 von 7 Punkten steht an der Seite rot geschrieben.
Die Frage 2 lautete: "Was gehört in den Turnbeutel?"
Wieder etwas zum Ankreuzen. Hose, Ball, ärmelloses Shirt, Turnschuhe und Springseil. Aus heutiger Sicht gehört alles in den Turnbeutel, es blieb jedoch nur bei der Kleidung und den Schuhen.
Bei der 3. Frage mussten die Farbstifte herausgeholt werden. "Zeichne die Pionierkleidung!" Blaue Hose, weißes Hemd und blaues Halstuch mussten aufgemalt werden.
Insgesamt gab es die Note 1. 12 von 12 möglichen Punkten wurden erreicht. Der Klassendurchschnitt der 1a betrug 1,5. Im Klassenspiegel wurde die Anzahl der Noten eingetragen. Es gab nur Einsen und Zweien und nur eine Drei. Jeder wusste damals in der Klasse, wer das war...

Dann folgt bereits die zweite Heimatkundearbeit.
"Welche Farben hat die Fahne unserer Republik?", "Welche Gegenstände finden wir im Abzeichen unserer Fahne?" und abschließend "Zeichne die Arbeiterfahne!"
Volle Punktzahl. Schwarz, rot, gold. Hammer, Sichel, Ährenkranz. Eine rote Flagge. In der Klasse 1a gab es nur die Note 1 und 2.
Die dritte Heimatkundearbeit war wieder weniger politisch. Es sollten die Dinge angekreuzt werden, die man für die tägliche Körperpflege braucht. Da man auch in der DDR dafür keinen Hammer, keine Tabletten und keinen Plüschteddy brauchte, war die Sache ein leichtes Spiel. Immerhin schaffte es ein Schüler, wieder aus der Reihe zu tanzen und die Note 3 zu bekommen.

Die Themen Wetter, Pflanzen und sozialistische Heimat blieben das erste Jahr Heimtkundeunterricht präsent. Als Hausaufgabe mussten Primel, Schneeglöckchen, Krokus und Forsythie gezeichnet werden. Im März 1981 mussten die Schüler zu Hause ein Wetterprotokoll führen. Die Woche vom 14. März bis zum 20. März war niederschlagsfrei. Meist war der Himmel bedeckt, nur am 16. März schien die Sonne.
Überrascht ein Punkt wirklich, dann sind es die raschen Fortschritte bei der deutschen Rechtschreibung. Verdutzt blättert man durch den Schnellhefter und liest überrascht die Diktate. Bereits nach einigen Monaten Jahr Schulunterricht gab es in der 1. Klasse erstaunlich knackige Texte zu lesen und schreiben.
Hier ein paar Kostproben:
"Jedes Jahr am 8. März feiern die Frauen den Frauentag. Den Frauen geht es jetzt besser als früher. Sie werden unterstützt. Wir wollen ihnen auch helfen."
"Am 1. März ist der Tag der NVA. Die Soldaten beschützen unsere Heimat - die DDR. Dafür danken wir ihnen."
Die Diktate waren jedoch nicht immer politisch angehaucht:
"4. April 1981. Die Vögel. Sie bauen Nester in Bäumen und Sträuchern oder in Nistkästen. Sie legen Eier und brüten Junge aus."

"Unterstreiche die Namen für Frühblüher: Krokus, Rose, Nelke, Primel, Schlüsselblume, Buschwindröschen"
Bei der Schlüsselblume würden sich noch immer glatt die Geister scheiden. Nochmals muss betont werden, dass es sich hierbei um Aufgabenstellungen aus der 1. Klasse handelt. Die Zeiten mit dem guten Notendurchschnitt waren bereits damals vorbei. Dreimal gab es eine 5, einmal eine 4, dreimal eine 3. Die Spreu trennte sich bereits nach wenigen Monaten vom Weizen.
Die nächste Leistungskontrolle hatte es auch in sich. "Kennt ihr die Berufe eurer Eltern?" Na dann mal los. "Mein Vater ist Elektromonteur. Er arbeitet in einen großen Betrieb. Alle elektrischen Anlagen repariert er. Meine Mutti ist Handelskaufmann. Sie arbeitet in einem Büro und rechnete für alle Leute den Lohn aus."
Zwei Dinge aufgefallen? Richtig, ein Fehler schlich sich ein. Es heißt natürlich "in einem großen Betrieb". Dafür gab es auch eine rote Bemerkung. Für die Note 1 reichte es trotzdem noch. Und das Wort "Mutti" war in der Tat in der DDR allgegenwärtig. "Wenn Mutti von der Arbeit kommt..."

"Buschwindröschen und Schlüsselblume sind Frühblüher, die einen Wurzelstock haben. Krokus-Knolle, Schneeglöckchen-Zwiebel, Buschwindröschen-Wurzelstock. Das sind Speicherorgane, sie haben die Nahrung."
Noch Fragen? ;-)
Damals kam der Tintenkiller einige Male zum Einsatz, heute hakt an dieser Stelle das Zehn-Finger-System beim Schreiben am Computer...
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Ährenkranz
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4.0
...wenn schon, denn schon :-)
A
Achim
Hammer,ZIRKEL,Ehrenkranz bitte
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3.0
Hammer,Zirkel,Ehrenkranz bitte. Die Sichel fand man auf de sowjetischen Flagge wieder.
B
Bibi
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5.0
G
Gast
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5.0
G
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