Rückblick 28. März 1993: HSV putzte Bayern München, Hertha überraschte in Düsseldorf

MB Updated

VolksparkstadionWährend vor exakt 20 Jahren am 28. März 1993 der frisch gebackene italienische Fußballstar Francesco Totti im zarten Alter von 16 Jahren im Trikot der Roma sein Debüt in der Serie A gab, schossen rund 1.100 Kilometer weiter nördlich die Bundesligaspieler Thomas von Heesen, Jan Furtok und Armin Eck die HSV-Fans im Hamburger Volksparkstadion ins Glück. Ein sattes 3:1 gegen den Tabellenführer FC Bayern München! Jorginhos Anschlusstreffer in der 86. Minute war nur noch reine Makulatur. Ein Großteil der 60.500 war völlig aus dem Häuschen. Ebenso erfreut: Der Verfolger SV Werder Bremen, der am Ende der Saison an den Bayern vorbeiziehen und Deutscher Meister werden konnte!

Der HSV war indes als graue Maus im Mittelfeld zu finden. Umso mehr war der etwas überraschende Sieg gegen die Bayern ein Lichtblick im eher trüben hanseatischen Fußballalltag. Vom Papier her hätte mit dem damaligen Kader generell definitiv mehr herausspringen müssen. Richard Golz im Kasten, zudem klangvolle Namen wie Markus Babbel, Frank Rohde, Thomas von Heesen, Yordan Letchkov, Jan Furtok und Karsten „Air“ Bäron in der Startelf. Die Mannschaft, trainiert von Benno Möhlmann, war jedoch launisch und wechselte stetig das Leistungsniveau. Hübsch liest sich auch die Mannshaftsaufstellung des FC Bayern. In Hamburg schickte Erich Ribbeck – ja genau der Ribbeck, welcher später mit der deutschen „Bratwurst-Nationalmannschaft“ zweifelhaften Ruhm erlangt hatte – unter anderen Raimond Aumann, Oliver Kreuzer, Jorginho, Christian Ziege, Olaf Thon, Lothar Matthäus und Bruno Labbadia ins Gefecht. 

Schalke 04Klar doch, der Meistertitel war fest gebucht. Allerdings stellte der FC Schalke 04 am letzten Spieltag den Bayern ein hübsches Beinchen. Ingo Anderbrügge und Aleksandr Borodyuk (zwei Treffer) trafen ins bajuwarische Herz, am Ende kam Bayern nicht über ein 3:3 hinaus. Otto Rehhagels Mannen von der Weser wussten diese Steilvorlage zu nutzen und gewannen klar und deutlich mit 3:0 beim VfB Stuttgart. Bernd Hobsch (zwei Treffer) und Thomas Wolter machen das Ding klar. Grün-weiße Freude im Neckarstadion. Mitten drin auch Uli Borowka, der später einen alkoholgetränkten Absturz erleben musste und nun sein neues Buch „Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“ vorstellte.

Dynamo DresdenZurück zum 23. Spieltag der Saison 1992/93. Neben des 3:1-Sieges des Hamburger SV gab es noch einen weiteren Überraschungssieg, mit dem in der Form niemand im Vorfeld rechnen konnte. Schwarz-Gelb gegen Schwarz-Gelb. Sachsen gegen Westfalen. Genauer gesagt: Dynamo Dresden (damals mit dem Zusatz „FC“ und grüner Farbe im Emblem) empfing im Rudolf-Harbig-Stadion die hochkarätig gespickte Mannschaft von Borussia Dortmund. Schößler, Maucksch, Rath, Kmetsch & Co. gegen Reuter, Sammer, Zorc, Poschner, Povlsen, Chapuisat & Co. Nachdem Schiedsrichter Manfred Amerell um 15:30 Uhr angepfiffen hatte, kam Dynamo mächtig in Fahrt. Bereits in der sechsten Spielminute lochte Uwe Jähnig zum 1:0 ein. Nachdem Alexander Zickler in der zweiten Halbzeit mit zwei Toren nachlegen konnte, kannte der Jubel auf den von den „Giraffen“ eingerahmten Rängen keine Grenzen mehr. Dresden legte einen weiteren Grundstein für den angestrebten Klassenerhalt, der am Ende der Saison auch denkbar knapp in trockene Tücher gebracht werden konnte.

MüngersdorfEinen sogenannten „Vier-Punkte-Sieg“ (damals gab es noch die 2-Punkte-Regel) durfte im Müngersdorfer Stadion gefeiert werden. Der Tabellensechszehnte 1. FC Köln empfing den Tabellenfünfzehnten SG Wattenscheid 09. Immerhin 33.000 Zuschauer verfolgten in der Kölner Betonschüssel das Abstiegsduell, der Großteil von ihnen musste bis ganz zum Schluss hoffen, beten und bangen. Erst in der 77. Minute konnte Uwe Fuchs den erlösenden Treffer zum 1:0 erzielen. Als Wattenscheid noch einmal alles nach vorne warf und zudem aufgrund der Roten Karte von Günter Hermann dezimiert spielen musste, machten die Geißböcke Dank eines weiteren Treffers von Uwe Fuchs und Ralf Sturm in der 88. und 90. Minute alles klar. Neben Wattenscheid gab es in jener Saison drei weitere Bundesligavereine, die mittlerweile in den Niederungen des deutschen Fußballs versunken sind. Mit dabei waren damals der 1. FC Saarbrücken und der Karslruher SC, beide inzwischen in der 3. Liga, sowie der FC Bayer 05 Uerdingen, der in der Gegenwart als KFC Uerdingen in der Oberliga anzutreffen ist. Apropos: Sowohl in Wattenscheid (Oberliga Westfalen) als auch in Krefeld-Uerdingen (Oberliga Niederrhein) geht die Tendenz ganz klar nach oben.

Hertha BSCEin echtes Mammutprogramm hatten in der Spielzeit 1992/93 die Mannschaften der 2. Bundesliga zu absolvieren. Nach der Zusammenlegung der Gruppen Nord und Süd spielten sage und schreibe 24 Teams die Auf- und Absteiger aus. Neben dem damaligen Zweitliga-Dinosaurier SC Fortuna Köln waren Vereine wie VfB Oldenburg, FC Remscheid, SV Meppen, FC 08 Homburg, Waldhof Mannheim und VfB Leipzig anzutreffen. Mit von der Partie, und das war bekanntlich Anfang der 90er stinknormaler Alltag, war zudem Hertha BSC. Allerdings schnupperten die Berliner ein wenig an den Aufstiegsrängen. Am 20. März 1993 überraschte die Alte Dame vor 10.500 Zuschauern im maroden Olympiastadion gegen den Mitkonkurrenten FC Hansa Rostock. Daniel Scheinhardt, Sven Demandt, Theo Gries und Mike Lünsmann (zwei Treffer) sorgten dafür, dass am Ende vorn die 5 stand. Timo Langes Treffer in der 18. Minute war für die Gäste an jenem Nachmittag zu wenig. 

Hertha BSCAufbruchsstimmung bei Hertha BSC, das zu jener Zeit Muff und Lethargie ausstrahlte?! Auf nach Düsseldorf! Dieses Spiel war ein Muss, zumal ich damals gleich um die Ecke gewohnt hatte. Als geborener Berliner wollte ich der Hertha einfach mal die Daumen drücken und schauen, wer sich so alles im Gästeblock tummelt. Meine Erwartungen waren groß, umso größer die Enttäuschung beim Betreten des Düsseldorfer Rheinstadions. Mehr oder weniger nur ein paar Allesfahrer und Gestrandete waren im Hertha-Block anzutreffen. Kutten, Biergeruch und einzelne Fans, die einfach gegen die Wellenbrecher pinkelten. 90er-Jahre-Fußball in Perfektion. Zum Lieben und zum Erbrechen. Fortuna Düsseldorf war Ende März 1993 am Tabellenende zu finden. Kein Wunder also, dass gerade einmal 4.200 Unentwegte den Weg in den trostlosen 70er-Jahre-Bau gefunden hatten. Es wäre allzu typisch gewesen, hätte Hertha das Spiel in Düsseldorf verkackt. Tat sie aber nicht, Lünsmann und Gries waren wie bereits beim Duell gegen Rostock recht gut in Form und brachten die Berliner mit 2:0 in Front. Als Mario Basler – ja, hier verliest sich niemand! – mit seinem Treffer in der 73. Minute zum 3:0 alles klarmachen konnte, kannte die Freude im lauschigen, betonierten, pissnassen away-Winkel keine Grenzen mehr. Bernd Winters Tor zum 1:3 kam in der 74. Minute definitiv zu spät. Da half auch das wütende Fuchteln von Fortuna-Coach Aleksandar Ristic herzlich wenig.

Plache StadionFür den Aufstieg hatte es am Ende für Hertha BSC dennoch nicht gereicht. Rang fünf war nach dem 46. Spieltag der Stand der Dinge. Aufgestiegen sind stattdessen der SC Freiburg, der MSV Duisburg und der VfB Leipzig. Apropos Leipzig: Hier kann der Bogen abschließend zur Gegenwart gespannt werden. Der 1. FC Lokomotive Leipzig, der im Dezember 2003 nach der Insolvenz des VfB Leipzig von den Fans neugegründet wurde und dem von der Kreisliga ein famoser Vormarsch bis in die Regionalliga Nordost geglückt war, steht nun wieder vor dem Aus. Eine finanzielle Lücke könnte dem Leipziger Traditionsverein wieder einmal das Genick brechen.

RomaUnd der eingangs erwähnte Francesco Totti? 16 plus 20 sind 36. Immer noch ein zartes Alter, um munter für die Roma im italienischen Oberhaus zu kicken. Und das nicht als lahmender Fußballopa, sondern als feste Stammkraft. 11 Treffer in 26 Saisonspielen, Grund genug, auch in den kommenden Jahren weiter für die Römer das Beste zu geben. Apropos, damals am 28. März 1993 kam Totti in der 88. Minute für Ruggiero Rizzitelli im Stadion Mario Rigamonti von Brescia Calcio auf den Platz. Der AS Rom konnte das Spiel mit 2:0 gewinnen. Zuletzt kam Totti am 17. März 2013 gegen den FC Parma zum Einsatz. Vor 38.000 Zuschauern machte er in der 70. Minute das 2:0 klar und durfte sich von der Kurve ausgiebig feiern lassen...

Fotos: Archivfotos von turus.net

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