Kein Zehner für nen Steher: Sechstliga-Fußball muss bezahlbar sein!

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Kein Zehner für nen Steher: Sechstliga-Fußball muss bezahlbar sein!

BoykottWas haben Vereine wie der 1. FC Kaiserslautern, der FSV Frankfurt oder Energie Cottbus gemeinsam? Nicht nur, dass es Traditionsvereine sind, deren Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen der eigenen Stadt oder des eigenen Bundeslandes hinaus gehen. Nicht nur, dass sie aktuell allesamt in der oberen Tabellenhälfte der 2. Bundesliga platziert sind. Nein, auch ihre Eintrittspreise sind fair, und zwar so fair, dass das günstigste Ticket billiger ist als beim Berliner Sechsligisten BSV Hürtürkel. Die Neuköllner verlangten bei ihrem Heimspiel gegen Tennis Borussia Berlin am Mittwochabend unverschämte 10 Euro.

Was haben Vereine wie der 1. FC Kaiserslautern, der FSV Frankfurt oder Energie Cottbus gemeinsam? Nicht nur, dass es Traditionsvereine sind, deren Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen der eigenen Stadt oder des eigenen Bundeslandes hinaus gehen. Nicht nur, dass sie aktuell allesamt in der oberen Tabellenhälfte der 2. Bundesliga platziert sind. Nein, auch ihre Eintrittspreise sind fair, und zwar so fair, dass das günstigste Ticket billiger ist als beim Berliner Sechsligisten BSV Hürtürkel. Die Neuköllner verlangten bei ihrem Heimspiel gegen Tennis Borussia Berlin am Mittwochabend unverschämte 10 Euro.

Boykott10 Euro für ein Spiel der 6. Liga? Dafür muss doch bestimmt allerhand geboten werden, wird sich der neutrale Leser sicherlich denken. Ein tolles Stadion, liebevoll gestaltete Eintrittskarten, ein lesenswertes Programmheft, ein überdurchschnittliches Catering-Angebot und einen Fanshop mit reichlicher Auswahl. Doch nichts dergleichen war der Fall. Die Besucher finden einen Kunstrasen-Sportplatz ohne jeglichen Ausbau vor. Als Ticket gibt es Kino-Abrisskarten ohne Aufdruck des Vereinsnamens, ein Programmheft wird gar nicht angeboten. Selbst ein Stadionsprecher fehlte! Ein Fanshop existiert ebenfalls nicht und als Caterer versucht sich eine türkische Familie an zwei zusammengestellten Tischen. Es gibt leckeren Sucuk, aber ansonsten nur Süßigkeiten und ungekühlte Getränke. Doch warum ist der Eintrittspreis hier so unverschämt hoch? 

HürtürkelSind die Hürtürkel-Spiele etwa stets ausverkauft, so dass der Verein jeden Preis aufrufen kann, und am Ende trotzdem ein „Ausverkauft“ vermeldet? Nein, denn bei den BSV-Heimspielen verlieren sich im Durchschnitt ganze 100 Besucher. Auch ein erhöhtes Security-Aufkommen war nicht sichtbar – es wurden lediglich Ordnerwesten an augenscheinlich einander bestens bekannte Vereinsmitglieder verteilt, die zu keinem Zeitpunkt wirklich als Ordner in Aktion traten. Der offensichtliche Grund für diesen Preis war die Anhängerschaft von Tennis Borussia. 100 – 300 Borussen pilgern zu jedem Auswärtsspiel der Berlinliga. Im Durchschnitt mehr, als alle anderen Vereine dieser Spielklasse zu ihren Heimspielen begrüßen können, was also den größten Zahltag der Saison für alle gastgebenden Mannschaft bedeutet. 

Doch bei Hürtürkel hat man sich grob verrechnet. Der harte Kern, etwa die Hälfte der etwa 150 anwesenden TeBe-Fans, blieb nämlich draußen. Geht man davon aus, dass nur 50 Prozent der Fans Vollzahler und der Rest ermäßigte Zahler waren, sind dies allein Eintrittsgelder von etwa 550 Euro, die dem Gastgeber entgangen sind. Geht man darüber hinaus davon aus, dass jeder Fan in gleicher Höhe Essen und Trinken konsumiert, wird die ausgefallene Summe sogar vierstellig. Als die Hürtürkel-Verantwortlichen realisierten, dass sie sich verkalkuliert hatten, reduzierten sie den Eintrittspreis übrigens kurzerhand auf 8 Euro. Aber die TeBe-Fans blieben schon aus Prinzip draußen. Wenig später wurde jeder Zuschauer sogar für den ermäßigten Eintrittspreis von 5 Euro auf die Anlage gelassen, doch die lila-weiße Anhängerschaft supportete ihre Lieblinge weiterhin von der benachbarten Straße.

GastDurch den Zaun hatte man eine hervorragende Sicht aufs Spielfeld, sogar Transparente konnte man hier aufhängen, und der Stimmung tat es keinen Abbruch. Im Vergleich zu ihren Freunden, die gezahlt hatten, verfügten die Fans draußen sogar über gekühltes Bier. Es kam aus den anliegenden Spätshops und war weitaus günstiger als das auf dem Sportplatz ausgeschenkte warme Pils. Verkauft wurde es übrigens untereinander mit einem kleinen Aufpreis, der zu 100 Prozent an Tennis Borussia geht, ebenso wie unter den „Ausgesperrten“ freiwillig erfolgte Eintrittszahlungen.

Um Zweiflern vorweg zu kommen: Der Autor dieses Artikels hat persönlich keinerlei Probleme mit dem BSV Hürtürkel. Ich habe die Neuköllner in meinem Leben heuer erst das zweite Mal spielen sehen und keinerlei sonstige Berührungspunkte mit dem Verein, egal ob positiv oder negativ. Ich erkenne den sportlichen Werdegang der Mannschaft neidlos an. Allerdings ist dieser Eintrittspreis der Höhepunkt der Entwicklung, den die TeBe-Fans in den letzten zwei Berlinliga-Jahren mitmachen mussten. Auch Vereine wie der Berliner SC oder die Reinickendorfer Füchse taten sich mit 8 Euro schon unschön hervor, aber einen Zehner aufzurufen, traute sich noch niemand. Und um auch diesen Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen – mit 7 Euro hat Tennis Borussia selbst einen der höchsten Eintrittspreise der Berlinliga. Geboten werden dafür allerdings 2.000 überdachte Sitzplätze, eine elektronische Anzeigetafel, mehrere Imbissverkaufsstände, ein Fanshop mit einem sehr großen Sortiment und nicht zuletzt sehr hübsch gestaltete Tickets und ein 12 bis 16-seitiges, komplett farbiges Stadionprogramm.

TebeZu guter Letzt sollen noch einige Worte über den sportlichen Teil des Abends verloren werden: Gegen eine desolate Hintermannschaft der Veilchen hatte es Hürtürkel sehr leicht, Tore zu schießen. Das Endergebnis von 4:1 stand bereits zur Pause fest. Optisch waren beide Mannschaften vor dem Seitenwechsel durchaus gleichwertig, TeBe zeigte insgesamt sogar die etwas bessere Spielanlage. Das 1:0 durch Sentürk (19.) konnte Hendschke nur zwei Minuten später ausgleichen. Zwischen der 33. und 41. Minute gab es dann drei haarsträubende Fehler der TeBe-Defensive, der gegnerische Spieler wurde jeweils beinahe zielgerichtet genau bedient, und die Hürtürkel-Kicker nutzten ihre Chancen allesamt souverän. Nach dem Seitenwechsel verflachte die Partie. Der Sieg der insgesamt kompakteren, schnelleren und vor allem konzentrierteren Heimelf geriet zu keiner Zeit mehr in Gefahr und war am Ende verdient.

Mit dem vollen Erfolg übernahm Hürtürkel wieder die Tabellenführung in der Berlinliga. Der Aufsteiger kann somit weiterhin vom Durchmarsch in die Oberliga träumen. Tennis Borussia dagegen ist durch die zweite Niederlage in Folge auf Platz 11 zurückgefallen und endgültig im Niemandsland der Tabelle angekommen. In den nächsten vier Spielen hat TeBe dreimal Heimrecht, zudem steht das Auswärtsspiel beim Abstiegskandidaten TSV Rudow auf dem Plan. Apropos: turus.net wird in regelmäßigen Abständen weiter über den lila-weißen Traditionsverein vom Eichkamp berichten. Und dabei auch die Eintrittspreise der Gegner genau im Auge behalten.

Text: Jörg Pochert

Fotos: Jörg Pochert (3) / ZeroUltras (2)

> zur turus-Fotostrecke: Tennis Borussia Berlin

> zur turus-Fotostrecke: Berlin-Liga

 

 

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