Red Star Paris vs Vannes OC: Dauersupport und Baguette – wahrer Fußball à la France

MD Updated

Freitagabend im Pariser Vorort Saint-Ouen. Der größte Flohmarkt der Metropolregion schließt gerade seine Pforten, als sich einige Wenige auf den Weg ins Stade Bauer machen, dem Austragungsort der Heimspiele des Pariser Fußballklubs Red Star FC 93. Gegner des Neuntplatzierten der National (entspricht der dritten Liga) am heutigen Abend: der OC Vannes aus der Bretagne (Platz 7). Während die Brasserien rund um das Stadion gut gefüllt sind, ergibt sich fünfzehn Minuten vor Spielanpfiff auf den Rängen ein trauriges Bild. Handgezählte 29 Zuschauer haben auf den kalten Betonstufen Platz genommen.

Freitagabend im Pariser Vorort Saint-Ouen. Der größte Flohmarkt der Metropolregion schließt gerade seine Pforten, als sich einige Wenige auf den Weg ins Stade Bauer machen, dem Austragungsort der Heimspiele des Pariser Fußballklubs Red Star FC 93. Gegner des Neuntplatzierten der National (entspricht der dritten Liga) am heutigen Abend: der OC Vannes aus der Bretagne (Platz 7). Während die Brasserien rund um das Stadion gut gefüllt sind, ergibt sich fünfzehn Minuten vor Spielanpfiff auf den Rängen ein trauriges Bild. Handgezählte 29 Zuschauer haben auf den kalten Betonstufen Platz genommen.

Der Grund ist schnell ausgemacht: Alkoholverbot in französischen Fußballstadien. Plötzlich, kurz vor dem Einlaufen der Mannschaften, strömen die grün/weiß-gekleideten Red-Star-Anhänger unter „Étoile-Rouge“-Rufen (zu deutsch: Roter Stern) in den Block, hängen ihre Fahnen auf und stimmen erste Schlachtgesänge an.

Der Klub, der von Fußball-Weltmeisterschafts-Begründer Jules Rimet gegründet wurde und seine größten Erfolge in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts feierte (4 Pokaltitel), spielt seit nunmehr 37 Jahren nicht mehr erstklassig, verfügt aber über eine verhältnismäßig gut organisierte Fanszene. Der Zuschauerschnitt liegt bei etwa 1000, zu Auswärtsspielen begleiten regelmäßig um die 80 Ultras ihr Team.

Das bis zu 10.000 Zuschauer fassende weite Rund, das diesen Namen im Ligaalltag kaum verdient, da das Spielgeschehen nur von der Haupttribüne aus verfolgt werden darf, versprüht einen rauen Charme. Der Mix aus Beton und Blech geht eine herrliche Symbiose mit dem Pastis- und Haschgeruch auf der Fantribüne ein. Kratzende Bässe aus den Lautsprechern und eine selbst für Muttersprachler schwer verständliche Stadionsprecherstimme geben ihr Übriges. Eine nahezu unwiderstehliche Atmosphäre!

Entsprechend enthusiastisch feierte das Stade Bauer die Anfangsminuten des Spiels, wenngleich sich die Stimmung nicht aufs Spiel übertragen lassen wollte.

Von Beginn an boten die beiden Kontrahenten den Zuschauern im Stadion nur wenige Höhepunkte an. Nach zehn Zeigerumdrehungen waren es die Gäste, die nach einer Freistoßflanke erstmals gefährlich vor das gegnerische Tor kamen; im Getümmel konnten die Hausherren jedoch zur Ecke klären. Die Auftaktphase gehörte klar dem azurblau gekleideten Team aus Vannes, das es aber verpasste zwingend zu werden. Gefahr entstand, wenn überhaupt, nur nach Standartsituationen. Red Star dagegen fand nicht in die Zweikämpfe und bekam so keinen Zugriff auf den Gegner. Folgerichtig wurde der Pariser Keeper Bouet in Minute 21 nach einem Fernschuss erstmals zur Parade gezwungen.

Es dauerte eine Zeitlang, ehe Red Star sich vor heimischer Kulisse freischwimmen konnte. Ein erster Annäherungsversuch gelang dem einzigen Stürmer der Heimmannschaft, Cédric Sabin, dessen Fallrückzieher das Tor jedoch weit verfehlte (27.). Weil kurz vor der Pause Vannes-Torhüter Bedenik einen weiteren Versuch von Sabin mit dem Fuß abwehren konnte, obwohl er schon auf den Weg in die andere Ecke war (43.), blieb es schlussendlich beim 0:0-Pausenstand.

Während das Spiel vor sich hin plätscherte, überraschte der Heimblock mit pausenlosem Support und einem, gemessen an den bescheidenen Verhältnissen, großem Repertoire an Gesängen. Hin und wieder versuchte sich ein nicht mehr ganz nüchterner Mitsechziger als Einheizer, meist kam die Initialzündung jedoch aus der Mitte der etwa 40 bis 50 Ultras. Optisch bot der Block nicht viel; immerhin schmückten aber fünf Zaunfahnen den Block.
Genauso schnell wie der Fanbereich sich vor dem Spiel füllte, leerte er sich nach dem Pausenpfiff. Statt Stadionwurst oder Steak lechzten die Zuschauer nun nach Fritten und – wie sollte es anders sein – Baguette. Das alkoholfreie Bier fand dagegen wenig Anklang.

Bewaffnet mit allerlei Essutensilien ging es zurück in den Block. Dementsprechend mau fiel der Support in den Anfangsminuten des zweiten Durchgangs aus. Schade, dass sich das sofort auf das Spiel auswirkte, denn Halbzeit zwei gab noch weniger her als die ersten 45 Spielminuten. Die Begegnung spielte sich bis auf seltene Ausnahmen zwischen den Strafräumen ab. Da beide Teams außerdem mit zunehmender Spieldauer immer mehr Nickeligkeiten austauschten, war an so etwas wie Spielfluss nicht zu denken. Keine nennenswerten Spielzüge, keine Tormöglichkeiten; keines der Teams fand ein Mittel die gegnerische Abwehr zu überwinden. Nur Taktikfüchse kamen auf ihre Kosten. Spötter mögen sagen: Französischer Vereinsfußball wie man ihn kennt.

Nachdem um die 50. Spielminute herum alle Baguettes verzehrt waren, setzte der bunt gemischte Fanblock seinen Dauergesang fort. Neben den üblichen Schlachtrufen wie „Allez Red Star Olé“ feierte man dabei auch das eigene Stadion: „Il n'y a pas que Bauer“ (Es gibt nichts außer das Bauer) schallte es aus den Kehlen der offiziell 1092 Zuschauer. Zwischenzeitlich stimmten die Red-Star-Supporter sogar in ein Geburtstagsständchen für einen der Ihren ein – bezeichnend für das, was sich auf dem Grün abspielte.

Am Ende stand ein tor- wie trostloses Remis, das für die extrem auswärtsschwache Heimmannschaft (zuletzt 0:5 in Boulogne und 1:3 im Coupe de France gegen den Viertligisten Fleury-Mérogis) eigentlich zu wenig ist. Dass man im Stade Bauer dennoch mit dem Punkt zufrieden war, ist auf zahlreiche Ausfälle zurückzuführen, die das Team am heutigen Spieltag zu beklagen hatte. Nach dem Spiel wurde deshalb fleißig mit der Mannschaft abgeklatscht und Mut gemacht. Den kann das Team von Trainer Vincent Doukantie und seinem bundesligaerfahrenen Assistenten Steve Marlet durchaus gebrauchen. Schließlich geht es nächsten Sonnabend zum FC Metz, dem ehemaligen UEFA-Cup-Teilnehmer, der derzeit auf Platz 2 der dritten französischen Liga rangiert.

Im Anschluss an das Spiel verschwanden die Red-Star-Anhänger und die fünf Gästefans schnell Richtung Kneipe oder Metro. Wer mag es ihnen verübeln? Das schwache Spiel, die trockene Kehle und die kalten Temperaturen luden nicht unbedingt dazu ein, im Stadion zu verharren.  Zum nächsten Heimspiel empfängt der Red Star FC in vierzehn Tagen mit der US Luzenac einen Gegner aus dem unteren Tabellendrittel. Anders als gegen Vannes zählt dann nur der Sieg, um nicht den Anschluss an die Spitzengruppe zu verlieren oder gar in die Abstiegszone der äußerst ausgeglichenen Klasse zu geraten.

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