Polnisches Tagebuch: Wie feiert man in Polen Weihnachten?

MB Updated
alt27. Dezember, das Weihnachtsfest liegt nun zurück. Groß waren meine Befürchtungen, sich den Magen zu verstimmen oder einen heftigen Kater zu bekommen. Beides trat glücklicherweise nicht ein. Zwar gab es von allem reichlich, doch man stand nicht unter Zwang, endlos hinein zu schaufeln und zu kippen. Für mich war es das erste Weihnachten in Polen, privat beim anderen Teil der Familie. Das Fazit mal vorausgeschickt: Es war etwas anders als gedacht, sicher war man am dritten Tag ein wenig ermattet, und den überaus geliebten Gänsebraten hatte ich doch nicht sooo sehr vermisst wie vermutet.

Bereits Tage vor dem Fest wurde gekocht, gebacken, gebraten, zugeschnitten und eingelegt. Mit großem Enthusiasmus beteiligten sich sämtliche Familienmitglieder bei den Küchenarbeiten, auch jene, die sonst in Sachen Küche eher muffelig eingestellt sind. Einen Tag vor Heiligabend wurden von Tante und Onkel mit Auto noch weiterer Nachschub angeliefert. Weihnachten - das ist in Polen absolute Familienangelegenheit. Zusammen mit Ostern haben diese Festtage immensen Stellenwert, was das Stelldichein der möglichst gesamten Familie betrifft. Tausende Polen reisen aus dem Ausland an, aus Nah und Fern wird sich auf dem Weg gemacht, um im familiären Kreis beisammen zu sein.

altWie wird denn nun aber Heiligabend gefeiert? Nachdem alles vorbereitet war, kehrte gegen 16 Uhr Ruhe. Voller Ungeduld wartete man auf Onkel und Tante. Es war angerichtet. Ein kleiner Weihnachtsbaum leuchtete bunt in sämtlichen Farben auf dem Fernseher, auf dem Bildschirm lief ein polnischer Märchenfilm.
Wichtig, ganz wichtig ist der Einstieg in die Festtage. Nachdem alle zusammengefunden haben, werden Oblaten ausgeteilt, die man mit sämtlichen anderen Personen im Raum teilt. Angefangen wird beim ältesten Familienmitglied. In unserem Fall durfte die Prabacia (Urgroßmutter) als erste die Oblaten teilen. Man umarmt sich und gibt sich die besten Glückwünsche für das kommende Jahr mit auf den Weg. Eine wirklich schöne Zeremonie, die auch ein paar Minuten in Anspruch nimmt und deshalb voll ausgekostet werden  kann.

altNach dem Teilen der Oblaten geht es ran an den üppig gedeckten Tisch. Fleisch und Alkohol sind am Heiligabend absolutes Tabu. Begonnen wird häufig mit einer Rote-Beete-Suppe mit Uszka, es folgen eingelegter Karpfen, Heringröllchen sowie reichlich Backwerk. Fleisch, Schinken und die bei Polen beliebte Flazki (Darmsuppe) gibt es erst am ersten Weihnachtsfeiertag. Generell gilt: Es wurde vor dem Fest bereits so viel vorbereitet, dass alle Speisen für die kommenden Tage reichen und nur noch warm gemacht müssen.
Und die Geschenke? Fehlanzeige. Meist bekommen in Polen nur die Kinder etwas geschenkt. Erwachsene schenken sich in der Regel untereinander nichts. Das ist wirklich praktisch und erspart einem vor Weihnachten eine Menge Stress. Sicher werden sich Pärchen untereinander auch zu Weihnachten etwas schenken, doch traditionell bleibt in den Familienrunden die Geschenkeflut aus.
Vermisst? Etwas Wehmut? Nein, keinesfalls. Zumal der Kleinste Runde dadurch allein im Mittelpunkt stand und mit liebevoll ausgesuchten Geschenken bedacht wurde.

altAm Heiligen Abend gegen Mitternacht geht es in die Kirche, die wirklich rappelvoll ist. Rund anderthalb Stunden dauert die Messe, es können vielerorts auch mal locker zwei Stunden werden. Stimmungsvoll ja, man darf nur keine Platzangst haben. Die Leute stehen bis draußen. Das Praktische: Über Lautsprecher wird der Gottesdienst häufig nach draußen übertragen.
Nichts neues passiert am 1. Weihnachtsfeiertag. Man sitzt zusammen, isst gemeinsam, trinkt Likör oder selbst gmachten Vodka, schaut Fernsehen und unterhält sich. Ganz klar, spricht man nicht fließend Polnisch - wie in meinem Falle - so kann die Angelegenheit etwas ermüdend werden. Mir nahm das niemand krumm, dass ich zwischendurch das Bübchen schnappte und eine Runde durch die verschneite Landschaft drehte. Stille, Ruhe, Einsamkeit - der Blick auf der Bergkette des Riesengebirges. Zeit um in sich zu gehen. Am gestrigen Tage wurde es richtig frostig und die Luft klarte auf. Das erste Mal war nun wieder die Schneekoppe zu sehen. Am 2. Festtag passierte in unserem Fall nicht mehr allzu viel. In kleinerer Runde saßen wir zusammen und ließen Weihnachten 2010 ausklingen.

> Teil des polnischen Tagebuchs: Die Anreise - eine Odyssee

> Teil 2 des polnischen Tagebuchs: Weihnachtsvorbereitungen

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Polen (über 100 Bilder)

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