Polnisches Tagebuch: Stadtbummel in Jelenia Gora und Weihnachtsvorbereitungen

MB Updated
altDie Buspreise bleiben stabil. Eine einfache Fahrt von Cieplice ins Stadtzentrum von Jelenia Gora kostet 2,24 Zloty. Der städtische Nahverkehr funktioniert derzeit tadellos. Zum einen sind die gröbsten Schneemassen weggeschmolzen, zum anderen sind die Straßen wirklich gut geräumt. Auch die Bürgersteige sind größtenteils frei von Eis und Schnee - ganz anders als das in Berlin der Fall ist. Hier legt noch jeder Anwohner selbst Hand an und fegt und streut, was das Zeug hält. Was hier in Polen dagegen nicht üblich ist, ist der Umstand, dass Väter ihre Babys in Tragesystemen von A nach B bringen. Groß sind die Augen, als ich in den Linienbus steige und einen der wenigen freien Plätze einnehme.

altManch einer verdreht die Augen, manch einer lächelt, manch einer kann es kaum glauben. Baby im roten Thermoanzug vorn bei Herrn Papa im Tragegurt. Auch auf den Straßen wird schon mal belustigt hinterher geschaut.
Apropos Straßen. Gleich nach dem Aussteigen in der Altstadt von Jelenia Gora fällt auf, dass ein Tag vor Heiligabend keine vorweihnachtliche Hektik herrscht. Keine rennenden, hetztenden Massen mit riesigen, vollgestopften Tüten in beiden Händen. Keine gestressten last-minute-Einkäufe. Hier verläuft alles im normalen Rahmen. Der Grund: Sicher wird sich der eine oder andere auch in Polen etwas zu Weihnachten schenken, doch gibt es viele Erwachsene, die darauf komplett verzichten. Kinder bekommen etwas, Erwachsene sparen sich diesen Trubel lieber. Wichtiger ist, dass Weihnachten die komplette Familie zusammenfindet. Von Nah und Fern reisen die Verwandten an und verbringen die Festtage zusammen.

altHohen Stellenwert hat das Essen, das drei Tage lang andauert. Die Vorbereitungen in der Küche laufen bereits seit Tagen. Es wird gekocht, geschnibbelt, gebraten, gebacken. Nicht fehlen dürfen natürlich Bigos (Sauerkraut mit Fleisch), Kutia (eine Süßspeise aus Mohn, Milch, Trockenfrüchten und Getreide), ein Kartoffel-Gemüse-Salat, selbst eingelegte Heringe, in Zwiebeln eingekochte Karpfen, Fleischsuppe mit Darm, eingelegte Pilze und Gurken, Rote-Beete-Suppe mit Uszka sowie Käsekuchen und Pfefferkuchen. Heiligabend gibt es ab 16 Uhr die ersten Speisen - allerdings kein Fleisch. Dieses darf erst am 1. Weihnachtsfeiertag gegessen werden. Allerdings findet man keine Gans oder Ente auf dem Tisch, dafür gibt es selbst gemachte Fleischrollen aus Schweinenacken und Schinken.
Was getrunken wird? Mit Wasser verdünnter selbst gemachter Saft sowie schwarzer und weißer Tee. Der schwarze Tee ist genau das, was der Name besagt. Unter weißen Tee wird hier Vodka verstanden. Alkohol gibt es auch erst nach Heiligabend, dann aber richtig. Und das ab 10 Uhr. Zusammen sitzen, essen und trinken - das ist das Programm für den 25. Dezember 2010.

altEin erster Vodka-Test am Abend besagt: Der selbst gemachte Schnaps aus reinem Spiritus und Karamel ist schmackhaft, bereitet keine Kopfschmerzen und das Wichtigste: Ich bin halbwegs trinkfest. Sicher, sicher, niemand wird hier zum Saufen gezwungen, doch ein paar Gläschen gehören zum guten Ton, zumal wenn man als Deutscher zu Gast in der polnischen Familie ist. Nicht zicken - Augen zu und durch! Andere Länder, andere Sitten... Sicher wird hier Weihnachten ein wenig anders gefeiert, doch es nutzt nichts dem überaus geliebten Gänsebraten hinterher zu trauern. Fisch ist dieses Mal angesagt - und das nicht zu knapp...

altUnd noch etwas. Eine Sache ist dieses Mal anders. Kommt man als Berliner im Frühjahr oder Sommer aus der Großstadt hierher nach Cieplice, das am Randes des Riesengebirges liegt, so spürt man gleich, dass hier die Luft viel besser ist. Die Schneekoppe in Sichtweite, die frische Brise streift über das Vorland der Bergketten. Ganz anders im Winter. Man ist ein wenig geschockt. Was für ein Geruch nach Kohleheizungen. Überall qualmt es mächtig aus den Schornsteinen. Mal grau, mal rußig schwarz. In Cieplice, in der Innenstadt von Jelenia Gora - ganz egal wo. Der Geruch ist gewöhnungsbedürftig und erinnert mich an alte Zeiten in Ostberlin, als in den Siedlungen und in den Altbauvierteln noch Kohleheizungen an der Tagesordnung standen. Da hier derzeit kein Lüftchen weht, steht der Qualm über den Wohngebieten. Nach zwei, drei Tagen hat man sich jedoch wieder dran gewöhnt, und geht man in die Küche, so strömen einen ganz andere Gerüche in die Nase...

(Teil 3 des polnischen Tagebuchs folgt in Kürze: Heiligabend in Polen)

> zum ersten Teil: Die Anreise - eine Odyssee

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Polen (über 100 Bilder)

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