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New York? Berlin? Sugar de Santos Projekt \"Anfangssätze\"

12 Mai 2011 18:13 #16414 von Marco
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Sugar de Santo - mit bürgerlichem Namen Mark Bauch - ist nun mehr bereits seit 1993 in Berlin tätig. Etliche Reisen führten ihn nach England, in die USA, nach Indien und Kuba. Weitere Projekte in Lateinamerika befinden sich derzeit in der Vorbereitungsphase. In den 90ern hatte Sugar de Santo mit dem Schreiben begonnen - während seiner Auslandsaufenthalte widmete er sich erstmalig der Lyrik und Prosa. Unzählige Werke sind seitdem entstanden. Die Erlebnisse auf seinen ersten Reisen hatte er niedergeschrieben, die Berichte flossen im Frühjahr 2003 in das Buch "13 Reise-Fragmente" ein. Inspiriert wurde de Santo anfangs vom Zen-Buddhismus, später von der kubanischen Santería und der brasilianischen Candomblé.





Die Aufenthalte in Indien, New Orleans und La Habana haben sein Leben und seine Werke geprägt. Ruach, Palast der Winde, Moira, vom Himmel hoch, Allerheiligen, Allerseelen, Yemanja - die Titel seiner Gedichte sprechen Bände. Es blieb jedoch nicht bei der Lyrik und der Prosa, seit einigen Jahren arbeitet Sugar de Santo an Collagen zu verschiedenen Themen. Gesellschaftskritik, Religion und Erotik sind die drei Eckpfeiler seiner Arbeit. Phasenweise ließ de Santo die Schreibtätigkeiten komplett ruhen und widmete sich nur noch der Arbeit mit den Collagen, die viel Zeit, Geduld und Raum erfordern. Inspiriert vom steten Fluss in Berlin nahm er jedoch wieder das Schreiben auf und arbeitet an diversen Texten. Über die Internetplattform facebook leitete er eines seiner aktuellen Projekte. Bestehend aus zahlreichen Anfangssätzen baute sich ein ganzer Text zusammen. Inspiriert von der Stadt, von den Alltagssituationen, von den Gedanken und Erinnerungen. Nachfolgend exklusiv im turus-Magazin das Werk, das über zahlreiche Tage hinweg entstanden ist.

Anfangssätze (von Sugar de Santo / Mark Bauch)

I.
Das erste was er hörte war ein heftiger Knall. Er rieb sich verschlafen die Augen, als es auf einmal ganz hell wurde.
Es erschienen aber Zungen wie aus Feuer, die sich zerteilten.
Es war früh am Morgen und noch ruhig als er das unruhig knatternde Taxi bestieg dass auf der sandig-holprigen Strasse wartete. In der Nachbarschaft krähte ein Hahn.
Er blickte auf die alte Armbanduhr seines Großvaters. Das schwarze Lederarmband, war schon brüchig, doch es hielt noch. Für eine neues,  hatte er kein Geld.
Er trug nichts weiter als braune Haut und blaue, kurze Sporthose, die seine sportlichen Oberschenkel betonte. Lässig stieg er auf das Fahrrad und fuhr los.
Dafür liebte er diese Stadt: mit all seinen Schwulen, Verrückten, Punks und Junkies, der Geruch von Döner, Red Bull, Chicha und Röstzwiebeln, all die Strandbars mit Sand unter den Füßen, Paraden, Straßenfeste – ja, einfach alles.

II.
Fast leer und verwaist lag die Straße, ja die ganze Stadt da. Die Hitze legte sich wie ein feines, dünnes Tuch über alles. Selbst die Hunde waren zu müde zum kläffen.
Mit sich selbst redend fuhr sich die Alte mit ihren blasen, knöchrigen Fingern durch ihre wenigen, dünne Haare. Jeden Tag saß sie auf der Veranda. Doch alle Tage waren gleich.
Ausdruckslos blickte er in das schwarz - dampfende Wasser, in dem sich sein Gesicht spiegelte. Viel war ihm nicht geblieben: ein Troly, seine Umhängetasche ...
Leuchtend weiß erstrahlte das angeklebte Papier auf der Hauswand. Bei näherem Betrachten konnte er die krakelige Handschrift lesen: ICH FÜTTERE KEINE TAUBEN!!! TAUBEN FÜTTERN VERBOTEN!!!
Die Kaffeetasse, die vor ihm stand, hatte einen braunen Rand – und war leer. Gedankenverloren starrte er vor sich hin. So saß er schon seit Stunden da. Um ihn herum endloses Gemurmel.
Penetrantes Husten. Immer lauter werdend. Die Frau  war um die siebzig Jahre alt. Ihre Kleidung war wahllos zusammengewürfelt.
Sie standen zu 3 vor der geschlossenen Schaufensterfront im Halbkreis und tuschelten.

III.
Im Tageslicht Times-Square leuchtende Werbetafeln. Verehrungswürdige Glaubensreliquientt: „Bleibe bei deinen Überzeugungen“.
Burkaschwarze Schellentänzer und Freudengaukler. Traurig staarte er vor sich hin. Dann plötzlich schreckte er auf, suchte etwas in seiner Tasche ... sein Handy. Enttäuscht blickte er auf das Telefon.
Am Horizont leuchtete  eine blaue Lichterkette die hektisch sekündlich aufblinkte. Seit Tagen hatte es unaufhörlich geschneit. Nur langsam quällte sich die Bahn durch die Schneemassen.
Der Bärtige nippte, hin und wieder, an seiner Whisky–Cola – Flasche und pöbelte mehr oder weniger verständliche Worte vor sich hin.
Unruhig wanderten die Perlen seiner kleinen Gebetskette hin und her. Sein Kopf wanderte währenddessen nach rechts und links. Neugierig blickte er um sich herum.
Nervös wippte er leicht mit seinem linken Bein, während er leise und eindringlich in sein weißes Smartphone sprach.
Tauwetter.
Dicke graue Wolken hingen über der Stadt. Hektisch versuchten Menschen sich Bahnen wie Ameisen auf Wegen zu gestalten.
Irgendwo.
Als er sich gesetzt hatte, klappte er sofort sein Silber leuchtendes Laptop auf und begann hektisch zu tippen. Sie blickte gelangweilt und verzweifelt, zu ihm. Legte dann ihren Kopf auf seine Schulter und schaute einfach ins Leere.

IV.
Wie jeden Abend legte er seine Kleidungsstücke für den nächsten Tag feinsäuberlich zu recht: Oberhemd, Krawatte, Manschettenknöpfe und seine schwarze Büffelledermappe. Das Licht ging immer zur selben Zeit aus und er stand jeden Morgen zur gleichen Zeit auf. Pünktlich verließ er jeden Morgen seine Wohnung.
Das erste, was er jeden Morgen tat, war in den Himmel zu schauen. Das Zwielicht das er heute sah, tat in den Augen weh. Schemenhaft sah er einen Schwarm schwarzer Vögel.
Zur selben Zeit am selben Ort mit der immer gleichen Kleidung. Schwarzer, viel zu großer Hut, aus dem ein weißes bärtiges Gesicht nachdenklich blickte, Seitenlocken, schlabbrige schwarze Jacke.
Unruhig lief er in der Wohnung hin und her. Es schien als würde die Zeit nicht vergehen. Er trank seinen Milchkaffee im Stehen, schlang einen Toast herunter und merkte, dass bei jedem unbeantworteten Anruf sich seine Innereien zusammenkrampften.

> zur facebook-Seite von "Collagen Kunst Berlin"

> zur Webseite www.collagen-berlin.de

Video: Entstehungsgeschichte einer Collage:

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12 Mai 2011 18:13 #16415 von Rolf
Hey Sugar, hübsch gemacht und ein gelungenes Video zum Anschauen. Was will frau / man mehr? LG Rolf

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13 Mai 2011 09:15 #16418 von Catty
**** tolle Untermalung mit den Bildern. und ja, die collagen sind auch sehenswert ***
gruß von Catty

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13 Mai 2011 14:31 #16421 von Klaus
"Dann plötzlich schreckte er auf, suchte etwas in seiner Tasche ... sein Handy. Enttäuscht blickte er auf das Telefon."
DAS GEHT MIR STÄNDIG SO...

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13 Mai 2011 17:58 #16426 von nora_83
dickes bussi von mir!

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