Zweimal Gold in Doha durch Tony Martin und Marco Mathis

BM Updated 14 Oktober 2016
Zweimal Gold in Doha durch Tony Martin und Marco Mathis

Eine Straßenweltmeisterschaft im fernen Katar bei unvorstellbaren Hitzegraden ist schon eine echte Herausforderung für alle Aktiven nach einer sehr langen und strapaziösen Saison. So fanden die insgesamt zwei Mannschafts- und fünf Einzelzeitfahrprüfungen zwar auf gut ausgebauter, flacher Strecke statt, aber bei diesem Klima waren die Anforderungen für alle schier unmenschlich. Hinzu kam ein Zuschauerzuspruch, der bei allen Zeitfahrwettbewerben nahezu bei null lag und somit den Athleten ein einsames Dasein in der Wüstengegend bescherte.

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Es zeigte sich schon vor den Straßenrennen sehr deutlich, dass die vorher kritisierte Vergabe der Weltmeisterschaften nach Katar nicht das Gelbe vom Ei sein kann. Aber im Zuge der Globalisierung hat in den letzten Jahren der Nahe Osten auch im  Radsport mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, so dass erstmals nun in dieser Region die Weltmeisterschaften stattfinden. Dabei bleibt uns noch die Hoffnung, dass zu den Straßenwettbewerben zumindest ein größerer Publikumszuspruch vorhanden ist, um spannende Rennen zu erleben. Man darf an Belgien, die Niederlande, Frankreich oder Italien gar nicht denken, wo der Radsport einen ganz anderen, nicht vergleichbaren Stellenwert hat!

Tony

Die Zeitfahrwettbewerbe begannen am Sonntag mit den Frauen und Männern, die im Teamzeitfahren ihre WM-Titelträger ermittelten. Nach vier Titeln in Folge fand das mit den drei deutschen Fahrerinnen Lisa Brennauer, Mieke Kröger und Trixi Worrack besetzte Team Canyon SRAM (vormals Velocio SRAM bzw. Specialized Lululemon) in dem niederländischen Team Boels-Dolmans seinen Bezwinger, das in der Besetzung Chantal Blaak, Karol-Ann Canuel, Elizabeth Deignan (ehemals Armitstead), Christine Majerus, Evelyn Stevens und Eleonora van Dijk mit einem Vorsprung von 48 Sekunden ins Ziel kam. Der dritte Platz ging an das schweizerische Team Cervelo Bigla, in dem mit Lisa Klein und Stephanie Pohl zwei weitere deutsche Fahrerinnen eine Medaille holen konnten. Insgesamt fünf Medaillen für deutsche Athletinnen in diesem Wettbewerb sorgten auch ohne WM-Titel für einen ausgezeichneten Einstand, der im Männerwettbewerb noch getoppt werden sollte.

Das belgische Team Etixx-Quick Step mit Marcel Kittel und Tony Martin, unterstützt von Bob Jungels, Yves Lampaert, Niki Terpstra und Julien Vermote, zeigte sich seinen stärksten Widersachern von BMC Racing und Orica-BikeExchange überlegen und holte sich mit 11 bzw. 37 Sekunden Vorsprung den WM-Titel. Dabei überzeugten ein starker Marcel Kittel, der von seinen früheren Zeitfahrqualitäten nichts eingebüßt hat, und ein Tony Martin, der offensichtlich zum richtigen Zeitpunkt wieder zu alter Form aufläuft. Das ließ für das Einzelzeitfahren einiges erwarten, zumal der Kurs dem dreimaligen Weltmeister entgegenkommen sollte.

Zunächst waren aber die Juniorinnen und die Männer der Klasse U 23 am Start, wo der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) einmal mehr in die Medaillenränge fahren konnte. Drei Starter stellte der BDR mit dem Berliner Maximilian Schachmann, im Vorjahr Gewinner der Silbermedaille im Einzelzeitfahren bei der Weltmeisterschaft in Richmond, mit dem dort Drittplatzierten Lennard Kämna und mit Marco Mathis, der den dritten Startplatz nur deshalb einnehmen konnte, da Lennard Kämna als amtierender Europameister im Einzelzeitfahren direkt qualifiziert war. Der 22-jährige Marco Mathis, in diesem Jahr dreifacher Deutscher Meister in der Einer- und Mannschaftsverfolgung auf der Bahn sowie im Mannschafts-zeitfahren auf der Straße, hat in 2016 einen ganz großen Sprung nach vorn gemacht und dieses in Doha nochmals eindrucksvoll unterstrichen. Mit einer nahezu sensationellen Leistung als Zweiter (!) von 73 Startern legte er eine Zeit vor, die von keinem der nachfolgenden Fahrer erreicht wurde. Mit einem Stundenmittel von 50,799 km/h und einer Fahrzeit von 34:08,09 Minuten für die 28,9 km war er am Ende Weltmeister vor Maximilian Schachmann, der 18 Sekunden Rückstand hatte und wie im Vorjahr Vizeweltmeister wurde. Hinter dem starken Australier Miles Scotson (37 Sekunden zurück) vervollständigte Lennard Kämna mit 42 Sekunden Rückstand als Vierter das herausragende Ergebnis der deutschen Zeitfahrer. Bemerkenswert war vor allem, dass Marco Mathis bei allen Zwischenzeiten in Führung lag, während Maximilian Schachmann als Zwölfter nach 7,4 km sich über Platz fünf nach 13,7 km bis auf Platz zwei am Ende steigerte.  

 Marco Mathis

Auch die Juniorin Franziska Brauße ließ als Sechste über 13,7 km aufhorchen, wo sie nur 34 Sekunden gegenüber der neuen Weltmeisterin Karlijn Swinkels aus den Niederlanden verlor. Der 16. Platz von Christa Riffel mit einem Rückstand von 1:02 Minuten war unter den 40 Starterinnen ebenfalls aller Ehren wert. 

Nicht ganz so gut lief es für den BDR am darauffolgenden Tag bei den Junioren, als der Sieg über 28,9 km an den starken US-Amerikaner Brandon McNulty ging, der mit 34:42,29 Minuten ein für diese Altersklasse sensationelles Stundenmittel von 49,964 km/h realisierte und den Dänen Mikkel Bjerg sowie Ian Garrison aus den USA auf die weiteren Podiumsplätze verwies. Da blieb für den besten deutschen Starter, Bastian Flicke vom PSV Forst, nur Platz 25 übrig, während Richard Banusch vom RSC Cottbus auf Platz 31 unter 83 Platzierten landete. 

Die deutschen Frauen schlugen sich zwar gut, aber die Medaillenränge im Rennen über ebenfalls 28,9 km waren für sie nicht in Reichweite. Den Titel holte sich die bereits 41-jährige Amber Neben aus den USA, die die Niederländerin Eleonora van Dijk um sechs und die Australierin Katrin Garfoot um acht Sekunden knapp distanzierte. Hinter der Russin Olga Zabelinskaya und der Niederländerin Annemiek van Vleuten wurden Lisa Brennauer mit 57 Sekunden Rückstand und Trixi Worrack, die 1:11 Minuten verlor, Sechste bzw. Siebente und erreichten damit ein mehr als achtbares Ergebnis. Nach der ersten Zwischenzeit nach 7,4 km lag Trixi Worrack überraschend noch auf Platz zwei, während Lisa Brennauer dort auf Platz 8 lag. 

Brennauer

Der Höhepunkt aus deutscher Sicht folgte am Schlusstag der Zeitfahrwettbewerbe, als die Männer 40 km zurückzulegen hatten und 66 Fahrer an den Start gingen. Für den guten Zeitfahrer Jasha Sütterlin war das Rennen bei großer Hitze offensichtlich zu schwer und er landete am Ende mit 3:26 Minuten Rückstand nur auf Platz 33. Ganz anders dagegen zeigte sich Tony Martin wieder einmal von seiner besten Seite, auf die Minute topfit und von Beginn an in Führung liegend, fuhr er wie ein Uhrwerk die Strecke entlang. Mit seinem vierten Titelgewinn nach 2011, 2012 und 2013 ließ er auch dem starken Weltmeister des Vorjahres Vasil Kiryienka aus Weißrussland letztlich keine Chance, nachdem dieser bei der ersten Zwischenzeit nach 13,6 km nur zwei Sekunden zurücklag. Am Ende waren es immerhin 45 Sekunden Vorsprung für Tony Martin auf den Weißrussen, der den Spanier Jonathan Castroviejo, der 1:10 Minuten verlor, auf den Bronzeplatz verwies. Bemerkenswert war hier die Leistung des Iren Ryan Mullen, der lange Zeit in Führung lag und schließlich einen hervorragenden fünften Platz hinter dem Polen Maciej Bodnar belegte. Dagegen blieben für Favoriten wie Rohan Dennis aus Australien und Tom Dumoulin aus den Niederlanden nur die Plätze 6 und 11 übrig. 

Tony Martin

Mit diesem großartigen Erfolg hat Tony Martin nun mit dem Schweizer Fabian Cancellara gleichgezogen, der in seiner jetzt beendeten Laufbahn ebenfalls viermal Zeitfahrweltmeister wurde. Beeindruckend war der Erfolg des Deutschen allemal, der jetzt insgesamt sieben WM-Medaillen in seiner Spezialdisziplin errungen hat und seinen Kritikern Lügen strafte. Mit der bisherigen Medaillenausbeute kann der BDR mehr als zufrieden sein, wobei der WM-Titel beim Straßenrennen der Männer am kommenden Sonntag das sogenannte i-Tüpfelchen wäre. Für Andre Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb werden die Trauben aber hoch hängen, zumal sie in diesem Jahr nur mit sechs statt neun Fahrern an den Start gehen können. 

Text: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill

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  • Tony Martin
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