Seit der Erstausgabe 1896 musste man in Deutschland warten bis es nach Josef Fischer wieder einem Deutschen gelingt, das Monument der Klassiker zu gewinnen. Im vergangenen Jahr gab es einen kurzen Moment, in dem John Degenkolb wehmütig herüber sah, als der Niederländer Niki Terpstra den Pflasterstein überreicht bekam. Verdammt nah war er dran, doch ein Augenblick der Unaufmerksamkeit, als er Terpstra allein davon ziehen ließ, verwehrte ihm den ersehnten Sieg.
La Reine des Classiques Paris - Roubaix: Degenkolb mit historischem Sieg
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder mal einen, der genau das gleiche durchmachen musste, 1932 Herbert Sieronski Platz 3, 1967 Rudi Altig Platz 3, 1980 Dietrich Thurau Platz 3, 1982 Gregor Braun Platz 3, 1992 gelang zum ersten mal mit Olaf Ludwig ein 2. Platz und im darauffolgenden Jahr Rang 3, 2000 wurde Erik Zabel Dritter, 2002 belegte Steffen Wesemann Platz 2 und auch John Degenkolb war 2014 als Zweiter dem begehrten Pflasterstein sehr nahe gekommen und durfte ihn doch nicht selbst in den Händen halten.
Als in diesem Jahr Greg van Avermaet vom BMC Racing Team und Yves Lampert vom Team Etixx – Quick Step auf den letzten 12 Kilometern davon zogen, war dem gebürtigen Geraer vom Team Giant Alpecin klar, dass er reagieren muss und setzte allein den beiden Belgiern nach.
Kurz darauf schloss auch der Tscheche Zdenek Stybar zu den drei Ausreißern auf und es sah ganz nach dem typischen Katz und Maus Spiel der belgischen Formation Etixx - Quick Step aus. Doch beiden Fahrern fehlte die Kraft für eine weitere Attacke und so schlossen auch der Niederländer Lars Boom vom Team Astana, der Schweizer Martin Elminger vom IAM Cycling Team und der Belgier Jens Keukeleire vom Team ORICA GreenEdge die Lücke zu den vier Ausreißern.
Als das Septett über die Allée Charles Crupelandt, benannt nach dem einzigen aus Roubaix stammenden Sieger in das Vélodrome André Pétrieux einbog, konnte man es eigentlich schon erahnen. Unter dem tosenden Beifall der Massen setzte Degenkolb eingangs der letzten Kurve aus der Dritten Position zum Sprint an und sicherte sich den wohlverdienten Sieg. 119 Jahre nach dem Sieg von Josef Fischer durfte nun endlich wieder ein deutscher Fahrer auch stellvertretend für sein gesamtes Team, welches in diesem Jahr mit einer deutschen Lizenz startet, bei der 113. Austragung des Monuments der Klassiker den begehrten Pflasterstein in die Höhe strecken.
Es war eigentlich, nicht nur um des Sieges von John Degenkolb willen, ein perfekter Tag aus deutscher Sicht. Mit dem Thüringer Ralf Matzka vom Team Bora Argon 18 war bereits zu Rennbeginn ein junger deutscher Fahrer in der Fluchtgruppe vertreten, die sich lange vor dem Feld behaupten konnte. Im Finale konnte der Bayer Andreas Schillinger als 16. mit 31 Sekunden Rückstand auf den Sieger das gute Gesamtergebnis des neugegründeten deutschen Zweitdivisionärs abrunden welches sich als bestes Pro Kontinental Team verkaufte.
Im Vorfeld zog jedoch ein ganz anderer die Aufmerksamkeit auf sich. Bradley Wiggins hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, mit Paris - Roubaix seine Karriere als Straßenradsportler in der Pro Tour Liga zu beenden und sich anschließend nur noch dem Bahnradsport zu widmen, um bei den Olympischen Spielen 2016 in der 4000 m Mannschaftsverfolgung zu starten. Natürlich sollte dies nach dem Willen Wiggins mit einem Sieg geschehen. Allein die Schlagzeilen der letzten Wochen zogen zig Tausende britische Fans an die insgesamt 52,6 Kilometer langen, in 27 Sektoren aufgeteilten Kopfsteinpflaster-Passagen um den Ritter der Queen noch einmal in Aktion zu sehen.
In der Tat arbeitete sein Team und auch das des Vorjahressiegers Niki Terpstra überaus hart an dem Unternehmen, dem britischen Ausnahmeathleten zum Sieg zu verhelfen. Doch zu spät ergriff der Kapitän des Teams SKY selbst die Initiative und so war es am Ende mit Rang 18 ein recht leiser Abgang bei dem wohl härtesten Rennen der Welt und der erste britische Paris Roubaix Sieger lässt weiter auf sich warten.
Fotos: Arne Mill