UCI Straßen-WM in Ponferrada: Rückblick auf die Straßenrennen

AM Updated 01 Oktober 2014
UCI Straßen-WM in Ponferrada: Rückblick auf die Straßenrennen

Mario VogtBevor wir noch einmal auf die Wettbewerbe im Straßeneinzelrennen zurück blicken, möchten wir uns zuerst ganz herzlich bei den vielen Besuchern bedanken, die über die 8 Tage der UCI Straßenradsport Weltmeisterschaft in Ponferrada auf unserem Onlinemagazin vorbei geschaut haben. Die Erfolge der Deutschen, vor allem jungen Fahrer, haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass sich ein großes Interesse an diesen Wettbewerben entwickelt hat. Die deutschen Fernsehsender sollten daher ihre Einstellung gegenüber dem Radsport gründlich überdenken. Diese junge Generation hat nun wirklich nichts mit Doping und den Fehlern zu tun, die Radprofis in der Vergangenheit begangen haben und daher ist die Begründung, weswegen gerade die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten 2007 aus dem Radsport ausgestiegen sind, hinfällig. Es wäre angebracht, die Leistung entsprechend zu würdigen und dem Auftritt dieser neuen Ära mit Achtung und Respekt zu begegnen, den sie sich bei dieser WM redlich verdient hat.

BrasilDer Freitag begann für die Juniorinnen recht früh. Warmfahren im Morgengrauen bei recht frischen Temperaturen von knapp unter 10 Grad Celsius. Immerhin verkündete die aufsteigende Morgenröte, dass das Tageswerk der jungen Protagonistinnen bei wesentlich angenehmeren Bedingungen verrichtet werden durfte, als wie beim Einzelzeitfahren. Auf der viermal zu umfahrenden 18,2 Kilometer Runde mit 306 Höhenmetern (maximal 11 prozent Steigung und einer Abfahrt mit 16 Prozent Gefälle) wurde den Fahrerinnen aber recht schnell warm. Bereits in der ersten Runde teilte sich das Feld in eine knapp 40-köpfige Spitzengruppe und einige kleine Splittergruppen dahinter, die durch einen Sturz in der ersten Abfahrt den Anschluss an die Führungsgruppe verloren. Diesem unschönen Handicap fielen auch die beiden deutschen Fahrerinnen Wiebke Rodieck und Jacqueline Dietrich zum Opfer, so dass mit Lisa Klein und Inga Rodieck nur noch zwei deutsche Fahrerinnen im verbliebenen Hauptfeld an der Spitze vertreten waren. An der Spitze des Feldes hielt sich auch Lisa Klein, zusammen mit der großen Favoritin aus Dänemark Amalie Dideriksen.

Lisa KleinLisa Klein, die sich bei der Junioren Bahn WM im südkoreanischen Gwangmyeong Mitte August einen Schlüsselbeinbruch zuzog, glänzte in diesem Jahr nicht nur mit taktischer Übersicht, sondern auch mit ihrem Leistungspotential. Platz 5 im Gesamtergebnis ist ein Resultat, dass sich durchaus sehen lassen kann, angesichts der Tatsache, dass sie den Massensprint nur unter starken Schmerzen im Sitzen durchziehen konnte. Auch der 14. Rang von WM Debütantin Inga Rodieck, ist Ausdruck einer sehr guten Nachwuchsarbeit in den Landesverbänden und Vereinen. Den Gesamtsieg holte sich, wie im vergangenen Jahr Amalie Dideriksen aus Dänemark, vor der Italienerin Sofia Bertizzolo und Agnieszka Skalniak aus Polen.

PonferradaAm Nachmittag stand das Rennen der „Heißsporne“ auf dem Programm. 10 Runden, also 182 Kilometer mit insgesamt 3060 Höhenmetern, ist in der Klasse der U23 schon eine recht anspruchsvolle Aufgabe, bei der man sich die Kräfte gut einteilen muss. Anfang 20 sind die meisten Jugendlichen jedoch in dem Alter, wo sie der Meinung sind Berge versetzen zu können. Dementsprechend war auch die Renngestaltung. Start – Zack – Bum – Peng – Erste Attacke und der Österreicher Sebastian Schönberger, der Russe Roman Kustadynchev sowie der Algerier Adil Barbari waren auf der Flucht. Barbari zeigte jedoch in den Abfahrten deutlich Nerven und hing nach zwei drei Runden zwischen Baum und Borke bevor er in der vierten Runde vom Feld geschluckt wurde.

HerklotzKurz darauf nutzte Ruben Zepuntke die Chance zu einer Attacke und konnte mit vier weiteren Fahrern zum Spitzenduo aufschließen. Das Feld machte jedoch weiter Druck und so wurden die Ausreißer wieder geschluckt. In der letzten Runde setzten die Norweger, die sich das Geschehen bis dahin aus der Defensive betrachtet haben, zur rennentscheidenden Attacke an. Sven Erik Bystrom konnte im Schlussanstieg ein paar Sekunden zwischen sich und dem Verfolgerfeld legen, während seine Teamkollegen die Nachführarbeit der anderen Teams verhinderten. In der Abfahrt ließ Bystrom so „das Gas stehen“, dass er über 10 Sekunden auf die Zielgerade retten konnte, was zum Triumph des Norwegers am Ende mit 7 Sekunden Vorsprung und ausgelassenem Jubel reichte. Der Australier Ewan Caleb gewann den Sprint des Hauptfeldes und Kristoffer Skjerping komplettierte mit Rang drei den erfolgreichen Auftritt der Norweger. Bester Deutscher wurde Silvio Herklotz mit Rang 9.

siegerNach dem Auftritt der Frauen und Junioren im Einzelzeitfahren, liebäugelte man am Samstag insgeheim schon mit einer weiteren Medaille im Straßenrennen. Dass der Spruch: „Morgenstund hat Gold im Mund“ bei den Junioren direkt Anwendung finden würde, übertraf jedoch alle Erwartungen. Die Fahrer des BDR-Kaders, ließen sich in einem sehr hektischen Rennen nicht beirren und nervös machen. Sie kontrollierten das Geschehen meist von der Spitze des Feldes, überzockten nicht in den Anstiegen und machten das Rennen in den Abfahrten schnell, wodurch der Abstand zu den Ausreißern, ohne unnötig Kraft zu vergeuden, auf einen überschaubaren Abstand gehalten wurde. Hier zeigte sich die gute Ausbildung und Vereinarbeit am deutlichsten. Zwar fielen Einzelzeitfahrweltmeister Lennard Kämna und Sven Reuter dem Sturzpech zum Opfer, was in einem Rennen dieser Größenordnung, wo jeder vorn fahren will, leider passieren kann, wurde aber von den anderen vier Fahrern sehr gut kompensiert.

WM 2014Als sich in der letzten Runde noch einmal eine Gruppe davon zu schleichen drohte, war Patrick Haller hellwach und mit zur Stelle. Das Feld konnte die Lücke wieder schließen und im Schlussanstieg ordneten sich Jonas Bokeloh, Moritz Fussnegger und der Cottbuser Christian Koch vorn mit ein. Auf der Zielgeraden lässt der Sohn des Vize Weltmeisters Axel Bokeloh der Konkurrenz keine Chance und steigt auf dem Siegerpodest eine Stufe höher wie sein Vater 1982 in Leicester bei der UCI Bahnweltmeisterschaft in der Mannschaftsverfolgung. Platz 2 holt sich der Russe Alexandr Kulikovskiy und Dritter wird der Niederländer Peter Lenderink. Moritz Fussnegger wird 15., Christian Koch wird 19., Patrick Haller 47. und Sven Reutter 105.

Das Rennen der Frauen wurde eher auf eine Attacke im Schlussanstieg, man kann schon fast sagen für Vorjahressiegerin Marianne Vos gestrickt. Die ersten zwei drei Runden schien das Rennen zwar etwas verhalten, das Team aus Deutschland mit Stephanie Pohl, Romy Kasper, Corinna Lechner und Charlotte Becker kontrollierte aber de facto souverän das Geschehen an der Spitze und gewährte keiner Fahrerin einen Ausreißversuch.

FrauenAb da dezimierte sich das 131 Fahrerinnen starke Feld deutlich, nicht zuletzt durch die Tempoverschärfungen und Attacken von Trixi Worrack. Im finalen Anstieg gelang es der Niederländerin Marianne Vos tatsächlich mit der Britin Elizabeth Armitstead und der Italienerin Elisa Longo Borghini der Attacke der Schwedin Emma Johansson zu folgen und das Rennen schien entschieden. Hier kam Claudia Lichtenberg ins Spiel und setzte alles daran, die Weltmeisterin im Einzelzeitfahren Lisa Brennauer, an die vier Ausreißerinnen zurück zu führen was ihr auch tatsächlich gelang. Brennauer bedankte sich mit einem unglaublichen Sprint für die geleistete Vorarbeit ihrer Teamkolleginnen der ihr noch Rang 2 auf der Ziellinie und die Silbermedaille bescherte. Ein Erfolg der dem gesamten Damenteam zuzuschreiben ist. Den Sieg holte die Französin Pauline Ferrand Prevot und die sichtlich enttäuschte Schwedin Emma Johansson wurde zum wiederholten Male Dritte. Was ein Sieg für „La Grande Nation“ wert ist, bewiesen die Damen eindrucksvoll bei der Siegerehrung, wo sie mit wehender Trikolore inbrünstig die Marseillaise mitschmetterten und ihre Siegerin auf Händen trugen.

KwiatkowskiWährend sich das Wetter am Freitag und Samstag wesentlich freundlicher zeigte, mussten die Männer mehr als dreiviertel ihres sechseinhalb stündigen Rennens im Dauerregen absolvieren. Trotzdem erreichte knapp die Hälfte aller Fahrer das Ziel nach 254,8 Kilometern. Das Rennen wurde in der ersten Hälfte von einer vierköpfigen Ausreißergruppe bestimmt, die aus dem Ukrainer Oleksandr Polivoda, dem Kroaten Matija Kvasina, dem Litauer Zydrunas Savickas und dem Kolumbianer Carlos Julian Quintero bestand. Das Quartett erarbeitete sich bis zur fünften Runde einen Vorsprung von 15:30 Minuten, dann begann das polnische Nationalteam den Vorsprung kontinuierlich zu verringern. 60 Kilometer vor dem Ziel versuchte Tony Martin die Konkurrenz mit einer Attacke zu testen, aus der sich eine 20-köpfige Gruppe bildete, in der auch der gebürtige Berliner Simon Geschke vertreten war. Kurz darauf lief das Feld wieder zusammen und es bildete sich eine neue Spitzengruppe mit dem Dänen Michael Valgren, dem Franzosen Cyril Gautier und dem Italiener Alessandro de Marchi, der sich in der drittletzten Runde auch der Weißrusse Vasil Kiryienka anschließen konnte.

WM 2014Eingangs der Schlussrunde betrug ihr Vorsprung eine halbe Minute und schmolz im vorletzten Anstieg auf 16 Sekunden. In der Senke zum letzten Anstieg attackierte der Pole Michal Kwiatkowski mit dem Schwung aus der Abfahrt und konnte zum Führungsquartett aufschließen. Kurz bevor das Feld die Ausreißer ebenfalls einfangen konnte, nutzte der 24-jährige Omega Pharma Quick Step - Teamkollege von Tony Martin die Chance und setzte zum zweiten alles entscheidenden Antritt an. Alejandro Valverde, Matti Breschel, Greg van Avermaet, Philippe Gilbert, Simon Gerrans und Tony Gallopin zögerten zu lange, bis sie dem Polen folgten. Der hatte sich im Schlussanstieg den nötigen Vorsprung herausgearbeitet, um die hervorragende Vorarbeit seines Teams zu beenden und als erster Pole den WM Titel im Straßenrennen zu holen. Simon Gerrans erkämpfte sich im Sprint Silber und Valverde, wie im vergangenen Jahr Bronze. John Degenkolb, der im Vorfeld noch mit den Sturzfolgen der Vuelta zu kämpfen hatte und dessen Start bis zum Schluss ungewiss war, wurde Neunter.

Auch wenn das deutsche Männer Elite Team seit Rudi Altigs Erfolg 1966 auf dem Nürburgring weiter auf einen WM Titel im Straßeneinzelrennen warten muss, war die deutsche Mannschaft mit fünf Medaillen und drei Titeln bei der WM 2014 im spanischen Ponferrada das erfolgreichste Team.

Fotos: Arne Mill

> zu den turus-Fotostrecken: UCI Straßen-WM 2014 in Ponferrada

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • UCI-Rennen

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