Drei Monate nach schwerem Sturz: André Greipel wird deutscher Straßenmeister 2014

Fast exakt auf den Tag genau vor einem viertel Jahr sah es beim belgischen Frühjahrsklassiker Gent – Wevelgem nach einem abschließenden Massensprint aus, bei dem André Greipel, derzeit einer der weltbesten Sprinter, überaus gute Chancen haben würde. Allerdings lag rund acht Kilometer vor dem Ziel ein anderes Fahrrad im Weg, Greipel konnte nicht mehr ausweichen, stürzte und zog sich eine schwere Schulterverletzung zu. Während André Greipel an der Strecke von Sanitätern und Ärzten versorgt wurde und anschließend in das Krankenhaus in Leper transportiert wurde, konnte John Degenkolb das Sprintduell gegen den Vorjahressieger Peter Sagan gewinnen. Arnaud Démare hatte sich auf den letzten Metern noch dazwischen geschoben und holte Rang zwei.

Für André Greipel war erst einmal Pause angesagt. Aus weiteren geplanten Starts bei den Frühjahrsklassikern wurde nichts. Stattdessen musste die verletzte Schulter operiert werden. Wann Greipel wieder aufs Rad steigen bzw. mit voller Kraft an einem Rennen teilnehmen kann, stand Anfang April in den Sternen. Offen war zu jenem Zeitpunkt auch, ob er bei den diesjährigen Deutschen Straßenmeisterschaften, die im hessischen Baunatal ausgetragen wurden, an den Start gehen könne. Recht groß war die Überraschung, als bekannt wurde, dass André Greipel, der beim belgischen Team Lotto-Belisol unter Vertrag steht, bereits bei der Türkei-Rundfahrt (27. April bis 04. Mai) wieder auf dem Sattel sitzen würde. Vier Wochen nach dem erlittenen doppelten Bänderriss in der Schulter! Allerdings war klar, dass sich Greipel bei den Sprints noch zurückhalten würde. So waren es in diesem Jahr Mark Cavendish (vier), Rein Taaramäe, Elia Viviani (zwei) und Adam Yates, die die jeweiligen Etappen für sich entscheiden konnten. Greipel rollte auf der ersten Etappe rund um Alanya am Ende des Feldes über die Ziellinie.

Mit voller Kraft würde es jedoch bei den Deutschen Meisterschaften 2014 in Baunatal an den Start gehen – so viel war klar. Zumal er sich zuletzt in Luxemburg und auf der Ster ZLM Tour in der Niederlande in blendender Verfassung zeigte. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Marcel Sieberg ging es für André Greipel auf die 206,4 Kilometer lange Strecke (12 Runden à 17,2 Kilometer), die südlich von Baunatal und Kassel durch die reizvolle hügelige Landschaft führte. Am frühen Morgen schien es, als müssten die Fahrer bei Regen die kurvige, zum Teil recht enge Strecke absolvieren, doch am Ende hielt sich das Wetter und einem reibungslosen Rennverlauf stand nichts mehr im Wege.

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Bereits nach wenigen Kilometern hatte sich eine Sechsergruppe – bestehend aus Grischa Janorschke (Team Vorarlberg), Mario Vogt (rad-net ROSE Team), dem U23-Zeitfahrmeister Nils Politt, Arne Egner und Christian Mager (allesamt Team Stölting) sowie Philipp Zwingenberger (KED-Stevens Berlin) – vom Hauptfeld abgesetzt. Rasch wuchs der Vorsprung auf über fünf Minuten an. Immer wieder wurden die Zuschauer vom Moderator am Rundendurchlauf / Zielleinlauf gefragt, ob sie denn der Meinung wären, dass diese Truppe den Vorsprung halten könne. Die Mehrheit der Radsportfans war sich jedoch sicher: Es würde nicht allzu lange dauern, bis das Hauptfeld, in dem im vorderen Bereich stets Bewegung war, die Ausreißer einholen würde. Und richtig. Fix schmolz der Vorsprung der Sechser-Truppe. Das Hauptfeld wurde langgezogen und zerriss in der Mitte.

Noch konnten die Ausreißer das Feld ein wenig auf Abstand halten, bis in der neunten Minute Tony Martin von hinten kommend dazu stieß und vorne richtig Alarm machte. Die Spitzengruppe zerriss und einer nach dem anderen konnte das hohe Tempo nicht mehr halten. Vorne versuchten bis zur Schlussrunde nun allein Tony Martin und Grischa Janorschke das Feld auf Abstand zu halten und bis zum Ziel durchzukommen, doch jenes zeigte sich aktiv und wurde von etlichen Fahrern angetrieben. Vor allem die Teams Giant-Shimano und rad-net Rose zeichneten sich hierbei aus. Rund 15 Kilometer vor dem Ziel war die Flucht von Tony Martin beendet. Zwar versuchte Paul Voss, gefolgt von John Degenkolb und Paul Martens, fünf Kilometer vor der Ziellinie auszureißen, doch am Ende lief alles auf einen Massenspint hinaus. Hierbei konnte Marcel Sieberg seinem Teamkollegen den abschließenden Sprint gut vorbereiten. Letztendlich drückte sich André Greipel als Erster über die Ziellinie und konnte somit seinen 2013 geholten Meistertitel verteidigen. Zweiter wurde John Degenkolb, als Dritter überquerte Phil Bauhaus die Linie. Für sein Team Stölting hatte sich somit die Mühe an diesem Tag gelohnt.

Für den 19-jährigen Phil Bauhaus ist die geholte Bronze-Medaille eine große Sache. Dass mit ihm in Zukunft zu rechnen ist, hatte er bereits im vergangenen Jahr sowohl auf der Bulgarien-Rundfahrt als auch auf der Oder-Rundfahrt, wo er jeweils eine Etappe gewinnen konnte, unter Beweis gestellt. Zudem wurde er am 15. Juni dieses Jahres Zweiter bei der Deutschen Meisterschaft 1er-Straße U23 (Straßenrennen Cottbus-Görlitz-Cottbus). Beim Straßenrennen in Baunatal ergab sich am Sonntag zudem folgende Platzierung: Hinter Greipel, Degenkolb und Bauhaus kamen Alexander Krieger (Team Stutgart), Henning Bommel (rad-net ROSE Team), Sascha Weber (Veranclassic-Doltcini), Ralf Matzka (Team NetApp-Endura), Jasha Sütterlin (Movistar), Willi Willwohl (LKT-Team Brandenburg) und Rick Zabel (BMC) auf den Plätzen vier bis zehn ins Ziel.

Fotos: Arne Mill

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