Nur 90 Minuten Zugfahrt östlich von Berlin: Geschichte hautnah erleben in Küstrin / Kostrzyn:

 
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Leichter Wind lässt die Baumwipfel leise rauschen. Abgesehen davon herrscht Stille. Absolute Stille. Bei einem polnischen Pflaumenbier sitzen wir zu zweit auf den aufgestellten Holzbänken, lassen die Blicke schweifen und sinnieren über das, was einmal war, und das, was einmal kommen mag. Die Situation erscheint ein wenig surreal. Eigentlich sitzen wir gar nicht im Freien, sondern in einem Haus. Allerdings sind von diesem Haus nur noch die Reste des Fundaments und der Grundmauern erhalten. Die Umrisse des Gebäudes sind erkennbar. Die alten Stufen aus Granit zeigen noch heute an, wo sich einmal der Haupteingang befunden haben muss. So wie bei all den anderen Häusern dieser Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg dem Boden gleichgemacht wurde. Als Besucher kann man heute die einstigen Kopfsteinpflasterstraßen entlang spazieren. Straßenschilder zeigen auf Deutsch und Polnisch die Namen an. Fast sämtliche Grundstrukturen dieser Stadt sind unschwer zu erkennen. Eingänge und Zufahrten, die ins Nichts führen. Kellerfenster, aus denen die Pflanzen rankeln. Tritt man näher und schaut hinab in die dunklen Gewölbe, riecht man die kühle, muffige Luft. In einem Keller wurden Ziegelsteine inmitten des staubigen Schutts aufgestapelt. Weiße Porzellanscherben sind erkennbar inmitten des Staubes. Eine alte verrostete Gasmaske erinnert an die bittere Zeit vor über 70 Jahren.

Mitte bis Ende März 1945 wurde die Altstadt von Küstrin bei den Kämpfen um die dortige, strategisch wichtige Festung zu rund 90 Prozent zerstört. Nach dem Krieg wurden die meisten Trümmer abgeräumt, die Altstadt wurde aufgegeben. Später in den 1950er Jahren wurde ein Stück weiter die jetzige Innenstadt von Kostrzyn nad Odrą errichtet. Von Berlin-Lichtenberg aus ist Kostrzyn nad Odrą mit der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) bequem erreichbar, die Fahrtzeit beträgt nicht einmal anderthalb Stunden. Allerdings nutzen erstaunlich wenige Deutsche diese Zugverbindung, um auf der polnischen Seite der Oder einmal einen Stadtrundgang zu machen. Zwar wird der dortige Markt, gelegen zwischen Warta und Oder, von Autofahrern noch immer gut frequentiert, doch in der eigentlichen Stadt oder geschweige bei den Ruinen der einstigen Altstadt schauen die wenigsten vorbei. Bei den meisten Tagestouristen bleibt es dann eben doch beim Tanken, beim Essen auf dem Markt, beim Einkauf von Kitsch für den Garten und billigen Klamotten. 

Polen

Schade, denn das Essen in einem der Restaurants in der Straße Kopernika mundet vorzüglich. Zwar hat die jetzige Innenstadt von Kostrzyn nicht so viel zu bieten, doch nach einem kurzen Bummel ist der Weg zur einstigen Altstadt ein Muss. In dieser hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Die Mauern der Festung wurden saniert, die Stadttore wurden nach und nach rekonstruiert. Inzwischen ist es möglich, sich einen umfassenden Eindruck verschaffen zu können, wie einst Stadt und Festung wohl ausgesehen haben mögen. Restauriert wurden auch die Kasematten der Bastion Philipp. In diesen wurde ein beachtliches Museum errichtet, das seinesgleichen sucht. Leider ist dieses noch kaum bekannt und wird demzufolge viel zu wenig frequentiert. Allein für Schulklassen - sowohl aus Polen, als auch aus Deutschland - bietet sich das „Pompeji an der Oder“ mit seiner Festung für einen Ausflug an.   

Küstrin

Wer den Ausflug zu Fuß ausdehnen möchte, kann über die Brücke nach Küstrin-Kietz wandern. Am dortigen Ufer der Oder und im Hinterland sind zahlreiche verlassene Gebäude zu finden. In einigen haben sich in den 1970er und 1980er Jahren sowjetische Soldaten mit Schriftzügen verewigt…

Impressionen:

Küstrin

Küstrin

Küstrin

Küstrin

Küstrin

Küstrin

Sowjet

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Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: Küstrin / Kostrzyn

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Des Öfteren dort gewesen! Tolle Ecke!
T
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G
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