Referendum gegen Zuwanderer: Kommentar aus Sicht eines Schweizers

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Referendum gegen Zuwanderer: Kommentar aus Sicht eines Schweizers

schweizEine kritische Auseinandersetzung des Ja des Schweizer Referendums gegen Zuwanderer – aus der Sicht unseres Schweizer Autors Kalleman: Eine Mehrheit in der Schweiz hat sich gegen die unkontrollierte Zuwanderung ausgesprochen – ein Resultat, das logisch erscheint. Denn aus Sicht vieler Schweizer handelt es sich bei der Personenfreizügigkeit um eine weitere Fehlkonstruktion, die die EU nicht korrigieren will. Um rund 15 Prozent hat die Bevölkerung in den letzten 10 Jahren zugenommen und für die nächsten 15 Jahre rechnet die Politik mit bis zu zwei Millionen Zuwanderern.  Das große Problem dabei: Die Politik überlässt die Zuwanderung und deren Folgen dem „freien Markt“. Die Prognosen für den Bevölkerungswachstum in der Schweiz lagen Mitte der 90er Jahre weitaus niedriger, die Zahl der Zuwanderer stieg weitaus höher, als damals vermutet.

Mag man in Deutschland das Abstimmungsergebnis als rassistisch oder ausländerfeindlich wahrnehmen. Dies ist aber eine deutsche Sichtweise, die möglicherweise aufgrund der historischen Belastung in Deutschland eine besonders hohe Sensibilität besitzt. Ich will damit gar nicht sagen, dass die Schweiz frei von Ausländerfeindlichkeit ist, nur hat das Abstimmungsergebnis nicht viel damit zu tun. Und Deutsche, die in die Schweiz einwandern und sich aufführen, als ob die Schweiz ein weiteres deutsches Bundesland sei, müssen sich nicht wundern, wenn die Schweizer sie nicht mögen. Die Schweizer ticken nun mal anders und um akzeptiert zu werden, braucht es diese Erkenntnis und eine gehörige Portion Feingefühl.

ZürichDass die Initiative, die die Zuwanderung wieder vom Staat kontrollieren lässt, angenommen wurde, hat schlicht und einfach mit Existenzängsten zu tun. Immer mehr Schweizer fühlen sich verdrängt und sind in großer Sorge, sich die Schweiz nicht mehr leisten zu können. Denn die Zuwanderung brachte der ohnehin bereits teuren Schweiz eine Kostenexplosion, die immer mehr Schweizer in finanzielle Nöte bringt. Selbst die europafreundliche Avenir Suisse, ein Think Thank der Banken, prophezeit vier von fünf Schweizern den Abstieg aus der Mittelklasse in die Armut.

Die Schweiz ist mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Mehr Menschen brauchen mehr Platz, Grünflächen verschwinden mit rasender Geschwindigkeit, Züge und Straßen sind voll, die Mieten explodieren, Steuern müssen erhöht werden, denn in der reichen Schweiz bringt die Zuwanderung die Gemeinden an ihre Grenzen, Gesundheitskosten steigen, der ÖV wird immer teurer und es ist schwierig geworden, gute Jobs zu bekommen. Mit der Zuwanderung boomt die Wirtschaft, die Lebensqualität der Schweizer hat sich aber massiv verschlechtert.

BüroalltagDie Personenfreizügigkeit, heiliges Dogma der EU, bedeutet, dass die Wirtschaft die Zuwanderung steuert. Ganz nach dem Motto: Gewinne privat, Kosten dem Staat. Denn was ist das Ziel der Unternehmen? Sie wollen möglichst billig produzieren, also wenig Steuern bezahlen und vor allem tiefe Lohnkosten. Es liegt auf der Hand, dass mit der Personenfreizügigkeit sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern und ein gnadenloser Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze entsteht. Nur um einige Probleme zu nennen: Über 50-Jährige sind nun zu teuer und werden durch junge Europäer ersetzt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist höher als in Deutschland und beträgt rund 10 Prozent. Ohne Berufserfahrung haben sie auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen. Gewisse Branchen, vor allem Zukunftsbranchen, bilden gar keinen Nachwuchs mehr aus, sie können ja auf den europäischen Arbeitspool zurückgreifen.

Ein Beispiel: Auf unserer Suche nach einer neuen Sekretärin haben sich über 300 Bewerber gemeldet, es gab immer freie Lehrerstellen, heute muss man sich gegen hundert Bewerber durchsetzen. Manch Schweizer muss verbittert feststellen, dass ein Europäer ihn bei einer Stellenbewerbung ausgestochen hat. Ohne Personenfreizügigkeit hätte er den Job bekommen. Es gibt immer jemanden, der billiger und länger arbeitet. Und sehr viele Unternehmen kommen in die Schweiz, um von den tiefen Steuern zu profitieren und bringen ihre Mitarbeiter gleich aus dem Ausland mit. Sie schaffen keinen einzigen Arbeitsplatz für in der Schweiz Lebenden, verursachen aber Kosten und beanspruchen viel Platz.

EuroBesonders schlimm ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt, dem man auch dem „freien Markt“ überlassen hat. Die Spekulanten sind sofort aufgesprungen, denn Zuwanderung garantiert maximale Rendite. Fand man in der Stadt Zürich vor 10 Jahren problemlos Wohnungen für 1.000 Euro, wurde vor zwei Jahren die 2.000-Euro-Marke geknackt, heute sind wir bei 3.000 Euro. Man kann es also auch so sehen. Wegen der Zuwanderung kann ich mir keine Wohnung mehr in der Stadt leisten. Doch nun frisst sich die Mietpreiserhöhung durchs ganze Land, wie ein gefräßiger Pilz.

Es hätte nicht soweit kommen müssen, hätten die Politiker die Zuwanderung sozial abgefedert. Sie blieben tatenlos, selbst als sich ein Ja abzeichnete. So wurde die Abstimmung zur „alles oder nichts“-Frage. Dafür haben sich die Politiker im Abstimmungskampf engagiert wie noch nie zuvor in der Geschichte der Schweiz und gaben dabei ein erbärmliches Bild ab. Denn sie hatten keine Argumente für die Zuwanderung und boten keinerlei Lösungen für die Sorgen der Menschen. Ihre Botschaft war: “Es gibt keinen anderen Weg“. Es gibt aber immer Alternativen. Denn nicht nur die EU-Politiker, sondern auch ihre Schweizer Schosshündchen verwehren sich jeglicher Diskussion. Dabei müssen Dinge von der Basis her wachsen und können nicht einfach über die Menschen gestülpt werden. Das akute Demokratiedefizit der EU sollte den Menschen weit mehr zu denken geben, als das Schweizer Ja zur Eingrenzung der Zuwanderung. Was ist denn die Personenfreizügigkeit anderes als eine gewaltige Völkerwanderung von Süd nach Nord und Ost nach West. Und was bitte schön soll das mit dem Friedensprojekt zu tun haben? Man hat eher das Gefühl, dass es die Menschen gegeneinander aufbringt.

Die Zuwanderer kommen in die Schweiz, weil sie profitieren und nicht aufgrund einer diffusen europäischen Idee. Die Schweizer wollen die Zuwanderung eingrenzen, weil sie massive Nachteile erleben. So einfach ist das. Die unter Ausländern in der Schweiz sehr emotionalen Reaktionen sind mehr als scheinheilig. Sie fürchten um ihren persönlichen Vorteil. Fertig. Auch die in Europa übertrieben emotionalen Reaktionen sind völlig irrational. Kein Europäer muss die Schweiz verlassen, es können einfach nur etwas weniger zuwandern als bisher. Was ist daran so schlimm?

BergeDie EU wird die Schweiz hart anpacken. Die Schweiz ist ihr Stachel im Fleisch. Schon lange suchen sie nach einer Möglichkeit, die Schweiz in die Knie zu zwingen. Die Schweizer haben schon lange den Eindruck, dass sich die EU gegenüber der Schweiz wie eine Kolonialmacht aufführt. Denn die EU sucht weder mit der Schweiz noch mit ihren Mitgliedstaaten nach Lösungen, sie handelt nach dem „Vogel friss oder stirb“-Prinzip. Die EU fürchtet nämlich, dass andere Staaten dem erfolgreicheren Schweizer Weg folgen könnten und muss nun an der Schweiz ein Exempel statuieren, um Nachahmer abzuschrecken.

 

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