Der langsame Tod des Bankgeheimnisses

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geldscheineIn den neunziger Jahren hat die Finanzwirtschaft die Schweizer Politik unterwandert und seither gibt sie ihr die Richtung vor. Die Folgen sind fatal. Eine neoliberale Kursvorgabe führte dazu, dass nur noch wirtschaftliche Interessen zählen. Die Schweiz ist in den letzten Jahren unglaublich teuer geworden, die sehr flexible Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Arbeitskräfte führte zu einer noch nie dagewesenen Zuwanderung, und mittlerweile sind mehr als die Hälfte der Arbeitslosen Zuwanderer – lieber in der Schweiz als in Portugal. Zusätzlich kam es zu einem massiven Lohndruck, die Löhne sinken, auch wird die Schweiz völlig zugebaut wird.

Fast scheint es, als ob wir unser wertvollstes Gut, die wunderschöne Landschaft, den neoliberalen Ideen opfern. Dazu kommt, dass man ausländische Arbeitskräfte nach Herzenslust ausbeuten kann. Denn die Kontrollen für Schwarzarbeit oder Vergehen gegen Mindestlöhne sind ganz bewusst lasch. Denn aus Sicht der wirtschaftlichen Elite ist alles, was gut für die Wirtschaft ist, gut fürs Land - gut für die Wirtschaft, nicht für den Staat, denn der Staat ist per se schlecht. Doch nun sind die Banken, die nach wie vor sehr mächtig sind und über viel Einfluss verfügen, gespalten. Banker werden sehr gut bezahlt, denn sie haben ja, zumindest finden sie das, eine grosse Verantwortung und müssen unternehmerische Risiken abschätzen. Einige von den Banken gingen ein töricht grosses Risiko ein und fordern nun, natürlich aus reinem Eigennutz, eine Aufweichung des Bankgeheimnisses, (manche nennen es Steuerhinterziehungsgeheimnis) während andere Banken nichts davon wissen wollen.

EuroscheineFür die neue Managergeneration sind die guten alten Tugenden von Anstand, Masshalten und Vernunft wenig sexy. Gesegnet mit dem unerschütterlichen Glauben, dass sie alles besser können als der Rest der Welt, verlangen sie dementsprechend auch eine höhere Entlöhnung. Sie sehen sich als geborene Führer in einer globalen, grenzenlosen Welt, in der die Staaten nur noch im Weg sind. Ausgebildet zum Apparatschik, zum Roboter, sind sie gänzlich unfähig, ihr eigenes Handeln kritisch zu hinterfragen und somit Fehler einzugestehen. Lieber geht man mit dem richtigen Glauben in den Untergang. Wie sonst ist es zu erklären, dass der IWF seit Jahrzehnten den verschuldeten Staaten die gleiche Medizin (Sparen = Wachstum) verschreibt, die einzig darauf abzielt, dass die Gläubiger, also in der Regel die Banken, ihr Geld zurückbekommen. Dazu wird der betroffene Staat einer Rosskur unterzogen, Privatisierungen von Staatsbetrieben werden erzwungen und die Märkte dem freien Wettbewerb überlassen. In keinem Land hat dies zum Erfolg geführt, weder in Thailand, Russland noch in Eritrea. Im Gegenteil, die Rezepte des IWF haben die Krisen verschlimmert und verlängert. Länder wie Malaysia, Polen oder Argentinien, die sich dem IWF verweigerten, erholten sich dafür umso schneller. Das hindert den IWF nicht daran, Griechenland, der Ukraine oder Ungarn die gleiche, untaugliche Medizin zu verschreiben.

Bank in der SchweizBei den Bankhäusern erleben wir eine ähnliche Renitenz. Die Geldinstitute konnten das Abklingen der Finanzkrise kaum erwarten, um danach dort weiter zu machen, wo sie vor der Finanzkrise aufgehört haben. Zerknirscht nehmen die Chefetagen der Banken nun Milliardenverluste im Investmentbanking zur Kenntnis, zu einer Änderung ihres Geschäftsmodells mögen sie sich aber nicht aufraffen. Ihre unternehmerische Leistung – neben Verhinderung von staatlichen Eingriffen - besteht darin zu hoffen, dass die goldenen Zeiten zurückkehren und sie wieder ohne Rücksicht auf Verluste abkassieren können. Ihren massiv überhöhten Vergütungen hat die Finanzkrise ohnehin nichts anhaben können. Auch das Schweizer Bankgeheimnis wackelt gewaltig. Die Schweiz hat sich deshalb mit so ziemlich allem und jedem zerstritten. Dennoch werben die Banken – von der Schweiz ungehindert - weiterhin Steuerfluchtgelder an. Dabei fallen die Banker wirklich nicht auf als eine Spezies, die mit besonderer Intelligenz gesegnet ist. Sie scheinen viel mehr der Gattung triebgesteuerter Wesen anzugehören.
Wie sonst ist es zu erklären, dass sie selbst dann noch Jagd auf US-Steuerfluchtgelder machten, als jedem klar war, dass die USA dies nicht mehr dulden wird und sie nachher selber zum Gejagten werden. Welch ungeheure Provokation muss es für die amerikanische Steuerbehörde gewesen sein, als sie feststellen mussten, dass die Banken trotz dem Fall UBS (siehe unten) weiterhin hemmungslos reiche US-Bürgern zur Steuerflucht animierten. Dabei kommen mir die Banken wie vollgefressene Hühner vor, die solange auf einen Löwen (USA) einhacken, bis dieser die Pranke hebt. Nun gackern, blöcken, muhen und spucken die Banker in Richtung USA und sehen sich als Opfer eines bösen Staates.

US-DollarAls der Kalte Krieg noch die Welt in Atem hielt, da war der Ruf der Banken exzellent. Ein Banker war ein angesehener Bürger, in den Bankfilialen war man auch als Kleinkunde willkommen und die Patrons, die Chefs der Banken, kümmerten sich auch um das soziale Wohl der Gesellschaft. Doch dann kam der Zusammenbruch der Sowjetunion. Er wurde als Sieg des freien Marktes über staatliche Gängelung der Wirtschaft missdeutet und die Vertreter der neoliberalen Denkweise setzten sich weltweit durch. Die sprudelnden Gewinne der Finanzwirtschaft erfreuten alle und die Kleinkunden wurden aus den Filialen gejagt – sie waren zu wenig rentabel. In der Schweiz übernahmen die Bankenvertreter die Macht und begannen, den Staat in ihrem Sinne umzubauen. Sie kauften sich die Mehrheit im Parlament, neue Gesetzesvorlagen stammten oft direkt aus der Feder der Finanzindustrie. Die selbsternannten Herren des Universums hatten dabei natürlich nur ihr eigenes Wohl im Sinn. Manchmal aber erwies sich das Stimmvolk als sperrig, denn das Dumme ist, dass die Schweiz dem Volk, also aus Sicht der Manager dem Mob, sehr viele Mitentscheidungsrechte eingeräumt werden, was dem Chef des Arbeitgeberverbandes – nach dem eine Abstimmung nicht in seinem Sinne verlief – auch schon ein „das Volk sollte nicht mehr abstimmen dürfen“, entlockte. Nun musste man also dafür sorgen, dass man in Abstimmungskampagnen nicht die ganze Wahrheit sagt, vielleicht auch ein bisschen lügt oder fehlinformiert. Was zählt für einen Banker schon Moral, Wahrheit? It’s the money, stupid! Dabei standen und stehen die Chefetagen der Finanzindustrie ausgerechnet der populistischen SVP nahe, welche einen strammen Rechtskurs fährt. Die renommierte Neuen Zürcher Zeitung wurde dabei zum Sprachrohr der Banker degradiert, Kritik am Bankgeheimnis und an den Banken sucht man hier nach wie vor vergebens, dafür wird an den USA kein gutes Haar gelassen. Wie tief ist dieses Blatt gesunken, dass es nur noch den Senf der Banker abdruckt.

düsterer VogelDas Leben war schön als Banker. Es reichte eine Berufslehre, vielleicht ein Bachelor in Wirtschaft und schon floss das Geld. Den drohenden Sturm am Himmel, den wollte man nicht sehen, man tat ihn als Regenfront ab. Denn wer will sich schon die Laune verderben lassen. Und als der Tsunami der Finanzkrise anrollte, da kam der grosse Moment der UBS. Ihre Chefetage unter Marcel Ospel, dem „achten Bundesrat“, fühlte sich gar so mächtig, dass sie glaubte, sich dem Tsunami entgegenstellen zu können. Und während die halbe Bankenwelt – unfähig, vielleicht auch nur unwillig, die Dimension zu erkennen - nur mit einer kleinen Welle rechnete, wurde Ospel vom ersten kitzekleinen Welle weggespühlt, sein Finanzinstitut musste vom Staat gerettet werden. Freiwillig ging er nicht und nach wie vor findet er, dass er keinen Fehler gemacht hat. Dafür nahm er auch noch ein paar Millionen als „Altersvorsorge“ mit. Hätte der Steuerzahler nicht unglaubliche Summen in das System gepumpt, wäre eine Bank nach der anderen gekippt. Dankbarkeit haben wir aber von ihnen aber nicht zu erwarten.

US-FlaggeDie USA sah nun ihre Chance, endlich den Finanzplatz Schweiz zu knacken um US-Steuerflüchtlinge zur Rechenschaft zu ziehen. Eine angeschlagene UBS und eine schwache Schweizer Regierung bot die ideale Angriffsplattform. Die UBS hatte keine Chance. Der Schweizer Staat, nicht die UBS, lieferten die Daten schlussendlich aus. Denn hätte dies die UBS getan, hätten sie gegen das Bankgeheimnis verstossen – die UBS-Spitze wäre ins Gefängnis marschiert. Kein Wunder half der Staat aus. Im Bundesrat sass der ehemalige UBS-Mitarbeiter Merz, der Chef der Bankenaufsicht war ein ehemaliges UBS-Kadermitglied. Nun war die Büchse der Pandora geöffnet. Steuerflüchtlinge der UBS wurden zum Reden gezwungen und so lieferten diese viel zusätzlich belastendes Material.

SchweizDamals gab es in der Schweiz durchaus vernünftige Stimmen. Die heutige Bundesrätin Sommaruga bewies viel Weitsicht. Man müsse jetzt aktiv agieren statt nur immer soweit wie nötig entgegenzukommen. Lieber ein gelockertes Bankgeheimnis, als gar kein Bankgeheimnis. Die Banker fuhren ihr übers Maul und wollten davon nichts wissen. Das Bankgeheimnis sei nicht verhandelbar. Nun tragen sie es zu Tode. Wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet die Banker selber das Bankgeheimnis zum Abschuss freigaben? Doch noch war es nicht soweit. Denn am Selbstbewusstsein der Banker hatte die Finanzkrise nichts anhaben können. Fehlerfrei, streng der Marktlehre folgend, machten sie dort weiter, wo sie vor der Finanzkrise aufgehört hatten: Weiterzocken, Geld verstecken. Lerneffekte waren nicht zu erkennen.

Konrad Hummler entspricht nicht dem verschwiegenen Typ eines Banquiers. Der Geschäftsführer der Bank Wegelin gehörte zu den einflussreichsten Banker des Landes und hielt und hält mit seiner Meinung nicht zurück. Er war auch der starke Mann im Verwaltungsrat der Neuen Zürcher Zeitung, der er sein Dogma einimpfte. Jeder, der Steuern zahlt, ist dumm. Der freie Markt muss dereguliert werden, also der Staat soll sich nicht einmischen. Deutschland zwingt die Reichen, Steuern zu hinterziehen, Steuerflucht ist daher Notwehr, die USA ein Unrechtsstaat. Der Finanzplatz wird selber dafür sorgen, dass kein Schwarzgeld mehr angenommen wird. Selbstregulierung nennt man das. Seine Bank hätte sämtliche Geschäftsbeziehungen mit den USA eingestellt. Hummler ist ein Lügner und man fragt sich, ob Lügen ein Bestandteil des Finanzgeschäfts geworden sind. Die Bank Wegelin gibt es nicht mehr. Von Einsicht oder Fehler keine Spur. Er führte seinen Feldzug gegen die USA in der NZZ fort, bis er auch dort gehen musste.

brennende geldscheineAls die Bank Wegelin von den USA angeklagt wurde, stand die Bank vor dem Ruin. Die Kunden zogen in Panik ihre Gelder ab und Hummler, an Dreistigkeit und Prinzipienlosigkeit nicht zu überbieten, hatte keine Hemmungen, den Staat zu bitten, Notrecht anzuwenden, seine Kunden also zu verraten, und somit seine Bank und seinen Kopf zu retten. Denn die Bank war sehr fleissig, wenn es darum ging, reichen Amerikanern zur Steuerflucht zu verhelfen. Nachdem die USA die UBS unter Druck setzte, lockte Wegelin (aber auch andere Banken) die US-Gelder der UBS in seine Bank. Hummler fühlte sich unangreifbar und war wie viele andere Banker unfähig zu begreifen, dass es Behörden gibt, die mächtiger sind als er. Die Regierung kam der Bank nicht zu Hilfe. Es hätte ihren Kopf gekostet, was Hummler natürlich egal gewesen wäre. Er gilt unter Bankern nun seltsamerweise als Held, als Martyrer im Kampf gegen die USA. Hier lässt sich ein geschichtlicher Vergleich wagen. Winkelried, ein Schweizer Nationalheld, opferte sich in der Schlacht bei Sempach 1386, als er mit seinem Körper ein paar österreichische Lanzen blockierte und so den Eidgenossen den Durchbruch ermöglichte und dadurch zum Sieg verhalf. Womöglich sieht sich Hummler als moderner Winkelried, nur dumm, dass er weder eine Gasse schlug noch jemandem sonst zum Sieg verhalf. Seine „Aufopferung“ war von Anfang an sinnlos und dumm.

Die Empörung in Finanzkreisen, dass es der Staat zuliess, dass eine Privatbank aufgrund einer Anklage in den USA Konkurs ging, sitzt tief. Es ist schon ein eigenartiges Staatsverständnis. Einerseits wollen sie keine Steuern zahlen und finden, der Staat soll sich nicht einmischen. Gleichzeitig soll er unternehmerische Risiken der Banken übernehmen. Wahrscheinlich hätten sie es am liebsten, dass in der Verfassung ein Artikel aufgenommen wird, der besagt, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass Banken niemals Konkurs gehen.

Man muss sich das mal vorstellen. In Grossbanken sind Kunden, die über weniger als 250'000 Franken Vermögen verfügen, unrentabel. Der Grund dafür sind die masslos überzogenen Gehälter. Also muss man soviele Reiche wie möglich in die Schweiz locken. Banker haben Angst vor Verlust. Sie wollen nicht mehr so leben wie ein einfacher Bürger, dabei sind es ihre überzogenen Gehälter, die die Preisspirale nach oben drehen. Während ich bei 10 Franken für ein Bier die Augen verdrehe, zahlt mein Kollege, ein Banker, den Betrag ohne mit der Wimper zu zucken. Er habe ja genug Geld. Die Frage, ob ein Bier 10 Franken wert ist, stellt sich nicht. Selbst während der Finanzkrise haben die Bankerlöhne nicht gelitten, während die Staaten unter der Schuldenlast ächzen. Für Banker ist Geld der Weg zum Glück. Dass sich mittlerweile in Städten wie Zürich und Genf nur noch Banker eine Wohnung leisten können, entspricht ihrer Gesinnung. Für sie ist eine Wohnung in Zürich Prestige, eine Anerkennung.

AthenEins soll hier aber noch den Schweizer Banken zu Gute gehalten werden: Ausländische Banken sind keinen Deut besser. Wie kann es denn sein, dass der deutsche Steuerzahler Milliarden an Griechenland bezahlt, nur damit Griechenland seine Schulden bei Geldinstituten zurückzahlen kann? Im Endeffekt finanziert der Steuerzahler die Banken. Keine Bank kommt auf die Idee, das Institut finanziell abzusichern, indem man die Löhne beispielsweise um 15% senkt, obwohl sie nach wie vor rund einen Drittel mehr verdienen als der Rest und diesen Abschlag locker verkraften könnten. Übrigens wartet auch auf die Deutsche Bank eine Klage aus den USA. Sie hat dort den Immobilienmarkt zu fest abgegrast.

> zu den turus-Fotostrecken: Gesellschaftsthemen

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