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Großartiges WM-Finale in Innsbruck: Valverde und van der Breggen mit Gold

 
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Bereits am vorletzten Tag der Radsport-Weltmeisterschaften von Innsbruck hatte man den Eindruck, dass ganz Österreich auf den Beinen war, einfach nur spektakulär waren die Bilder von der Strecke, wo die Zuschauermassen schon beim Frauenrennen für die nötige Stimmung sorgten. Bestes Rennsportwetter herrschte schon am Start in Kufstein auf dem Weg nach Innsbruck, wo dann noch drei Runden auf dem Olympia Rundkurs zu absolvieren waren und aufgrund der topographisch schwierigen Strecke wurde es nahezu ein Ausscheidungsfahren. Die 155,6 km mit vier schweren Anstiegen nahmen 149 Fahrerinnen in Angriff, von denen am Ende nur 81 das Ziel erreichen sollten. Für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR), der sieben Starterinnen ins Rennen geschickt hatte, verlief das Rennen mehr als enttäuschend, denn mit Clara Koppenburg auf Platz 18, die sich als einzige gut in Szene setzte, und Liane Lippert auf Rang 46 beendeten nur zwei von ihnen das Rennen, während Christa Riffel, Trixi Worrack, Lisa Brennauer, Charlotte Becker und Kathrin Hammes vorzeitig vom Rad stiegen.

Hohes Tempo von Beginn an sorgte schnell für ein Spitzenduo mit Aurela Nerlo aus Polen und Ana Cristina Sanabria aus Kolumbien, die rund drei Minuten Vorsprung herausfuhren. Am Anstieg im Gnadenwald war dann die Kolumbianerin allein vorn, bevor auch sie vom noch etwa 60-köpfigen Feld gestellt wurde. Es gab viele Angriffe aus dem Feld, bis sich eine Spitzengruppe aus sechs Fahrerinnen etabliert hatte, darunter u.a. die US-Amerikanerin Coryn  Rivera, die Niederländerin Ellen van Dijk und die Australierin Amanda Spratt. Als dann die Niederländerin am Berg zurückfiel und noch 40 Kilometer zu fahren waren, schaltete ihre Landsmännin, die Olympiasiegerin im Straßenrennen Anna van der Breggen, den Turbo ein und mit unwiderstehlichem Antritt fuhr sie zur noch vierköpfigen Spitze hin, die unmittelbar darauf auseinanderfiel. Nur Coryn Rivera und Amanda Spratt konnten kurzzeitig das Hinterrad der wie entfesselt fahrenden Anna van der Breggen halten, die kurz vor dem Gipfel dann nochmals antrat und nicht mehr gesehen war. 

Mit einem Vorsprung von 3:42 Minuten (!) auf die Zweitplatzierte Amanda Spratt holte sich die sympathische Niederländerin überlegen den in ihrer Erfolgsliste noch fehlenden WM-Titel. „Ich bin überglücklich, habe einfach alles gegeben und unterwegs gehofft, dass meine Attacke nicht zu früh angesetzt war“, sagte Anna van der Breggen nach dem Rennen und konnte ihre dritte WM-Medaille von Innsbruck feiern. Für die routinierte Italienerin Tatiana Guderzo reichte es am Ende ihrer langen Laufbahn mit einem Rückstand von 5:26 Minuten noch zur Bronzemedaille, einen besseren Abschied vom Leistungssport konnte sie sich damit kaum wünschen. Die ehemalige Weltmeisterin im Straßenrennen des Jahres 2009 in Mendrisio und Europameisterin auf der Bahn der Jahre 2016 und 2017 in der Mannschaftsverfolgung zeigte sich vor einer begeisterten Zuschauerkulisse noch einmal von ihrer besten Seite. 

Konnte es noch eine Steigerung am letzten Tag beim Rennen der Männer geben? Das war die Frage, die eindeutig mit „ja“ beantwortet werden musste. Allein das erneut unglaubliche Zuschaueraufkommen bei einer ausgezeichnet organisierten Weltmeisterschaft ließ einmal mehr die Woche in Österreich zu einem absoluten Highlight des Radsports werden, das in etwa vergleichbar mit dem Fußballmärchen von 2006 in Deutschland erscheint. Die Veranstalter konnten mit diesen Tagen von Kufstein, Wattens, Ötztal und Rattenberg bis Innsbruck mehr als zufrieden sein und der unberechenbare Wettergott spielte ihnen an allen Tagen noch in die Karten. So bildete der Schlusstag beim Rennen der Männer bei herrlichem Wetter eine nochmals unbeschreibliche Atmosphäre, die man einfach nur genießen musste. 

 

Für die Rennfahrer war der schwere Kurs über 258 km mit insgesamt 4.681 Höhenmeter eher ein hartes Stück Arbeit, das nur die wenigsten am Ende bewältigt hatten. Von den 188 gestarteten Fahrern erreichten auf diesem hammerharten Kurs nur 76 das Ziel und auch der zuletzt dreimalige Weltmeister Peter Sagan gab das Rennen auf und war dabei in guter Gesellschaft von Fahrern wie dem aktuellen Weltmeister im Einzelzeitfahren Rohan Dennis aus Australien, dem gestürzten Franzosen Warren Barguil, dem Sieger der Deutschland Tour Matej Mohoric aus Slowenien und dem Sieger der Spanien-Rundfahrt Simon Yates aus Großbritannien. Aus dem sechsköpfigen Aufgebot des BDR kamen auch Marcus Burghardt, Maximilian Schachmann und Paul Martens nicht ins Ziel, während der gebürtige Berliner Simon Geschke und auch Emanuel Buchmann lange Zeit in vorderster Front fuhren, dabei ein gutes Rennen zeigten, am Ende aber unter Wert geschlagen wurden. Der dritte im Bunde, der nicht aufsteckte war Nico Denz, der mit über 18 Minuten Rückstand Platz 74 belegte. Bestplatzierter war schließlich Simon Geschke auf Rang 24 mit nur 1:54 Minuten Rückstand, dem Emanuel Buchmann auf Platz 46 folgte und dabei fast sechs Minuten verlor. 

 

Ein drei Kilometer langer Berg im Gnadenwald sowie ein sieben Kilometer langer Anstieg auf dem Olympia Rundkurs, der siebenmal zu bewältigen war, bildeten den Knackpunkt des Rennens, der zum Schluss von dem Aufstieg zur „Höll“ noch getoppt wurde. Schon früh bildete sich eine 11-köpfige Spitzengruppe, die das Rennen zunächst bestimmte und einen Vorsprung von nahezu 19 Minuten herausfuhr. Zu dieser Gruppe gehörten die Iren Ryan Mullen und Conor Dunne, der Däne Kasper Asgreen, der Kanadier Robert Britton, der Luxemburger Laurent Didier, der Tscheche Karel Hnik, der Weißrusse Ilia Koshevoy, der Norweger Vegard Stake Laengen, Daniil Fominykh aus Kasachstan, der Schwede Tobias Ludvigsson und der Südafrikaner Jacques Janse van Rensburg, von der nach der Tempoverschärfung im Feld nur noch Kasper Asgreen und Vegard Stake Laengen an der Spitze übrig blieben. 

 

Etwa 55 Kilometer vor dem Ziel begannen die Positionskämpfe mit ständigen Ausreißversuchen, an denen sich zunächst auch Olympiasieger Greg van Avermaet aus Belgien beteiligte. Die beiden Führenden lagen noch über zwei Minuten vor den letzten 30 Kilometern in Front und als man sie gestellt hatte, griff sofort der Brite Peter Kennaugh an, dessen Versuch vom Dänen Michael Valgren stark gekontert wurde. Er sah fast schon wie der neue Weltmeister aus, als er dem 28%-igen Anstieg zur „Höll“ mit 30 Sekunden Vorsprung entgegen fuhr. Die Franzosen Romain Bardet, Thibaut Pinot und Julian Alaphilippe verschärften das Tempo und nur der Spanier Alejandro Valverde, der Italiener Gianni Moscon sowie Michael Woods aus Kanada konnten folgen und sie holten den Dänen alsbald wieder ein. Der Kanadier machte Tempo und so blieben nur noch er, Alejandro Valverde und Romain Bardet vorn, denen von hinten mit rasanter Abfahrt der Niederländer Tom Dumoulin folgte, der etwa 1,5 Kilometer vor dem Ziel noch aufschloss. Der Routinier aus Spanien spielte dann im finalen Spurt seine ganze Erfahrung und Klasse aus, fuhr einen langen Sprint von vorn und ließ den anderen keine Chance. Silber ging an Romain Bardet und Bronze an Michael Woods, während der ein ganz starkes Finale fahrende Tom Dumoulin mit dem undankbaren vierten Platz vorliebnehmen musste. 

 

„Ein Traum ist in Erfüllung gegangen, einfach unglaublich. Mein Dank gilt der Mannschaft, die hervorragende Arbeit verrichtet hat“, sprach ein überglücklicher Alejandro Valverde, der 15 Jahre nach seiner ersten WM-Medaille nun endlich das Regenbogentrikot überstreifen durfte. Es war ein emotionaler Augenblick, als der Spanier die Goldmedaille von seinem Vorgänger Peter Sagan überreicht bekam.

 

Eine hervorragend organisierte Weltmeisterschaft liegt nun schon wieder hinter uns, die sowohl sportlich als auch von den Rahmenbedingungen her überzeugen konnte. Auch das tolle Wetter an allen Tagen und der große Zuschauerzuspruch stellten dieser WM das beste Zeugnis aus. Für die deutschen Athleten, die schon mit geringen Erwartungen die Reise nach Innsbruck angetreten hatten, war bei den schweren Bedingungen nichts zu holen. Allein der Junior Marius Mayrhofer konnte mit eindrucksvoller Leistung voll überzeugen und sorgte für die einzige Medaille für den BDR, abgesehen von den Teamzeitfahren, an denen deutsche Fahrer-/innen am Medaillensegen beteiligt waren.

Bericht: Bernd Mülle              

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

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