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Geraint Thomas verdienter Sieger der Tour de France 2018

 
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Wie sieht das Fazit des größten radsportlichen Events eines jeden Jahres aus? Die Tour de France, immer wieder als Tour der Leiden apostrophiert, hat einen souveränen Sieger hervorgebracht, der vor Beginn der Tour nicht einmal zu den Top-Ten Kandidaten gehörte. Einige dieser Kandidaten wie der Italiener Vincenzo Nibali von Bahrain-Merida, der Australier Richie Porte von BMC Racing oder der Kolumbianer Rigoberto Uran von Education First-Drapac erreichten sturzbedingt nicht das Ziel in Paris, dafür aber sprang mit dem Briten Geraint Thomas einer in die Bresche, der aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Team Sky mit dem Topfavoriten Christopher Froome kaum ein Siegeskandidat sein konnte.

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Im Verlaufe der drei Wochen zeigte sich Geraint Thomas in bestechender Form, als er bereits nach dem von BMC Racing vor dem Team Sky gewonnenen Mannschaftszeitfahren der 3. Etappe auf Platz 3 der Gesamtwertung hinter den beiden BMC-Fahrern Greg van Avermaet aus Belgien und Tejay van Garderen aus den USA zu finden war. Der stark fahrende Belgier behielt seine Führung bis zur 11. Etappe von Albertville nach La Rosiere, die ein entfesselter Geraint Thomas mit 20 Sekunden vor dem Niederländer Tom Dumoulin vom Team Sunweb und Christopher Froome gewann, womit er die Führung in der Gesamtwertung mit 1:25 Minuten bzw. 1:44 Minuten vor Christopher Froome und Tom Dumoulin eroberte. Am nächsten Tag auf der Fahrt nach Alpe d’Huez setzte er noch einen drauf und siegte erneut vor Tom Dumoulin und legte hier endgültig den Grundstein für seinen späteren Sieg. 

Der vierfache Sieger Christopher Froome, den Franzosen in diesem Jahr nicht gerade wohl gesonnen, musste sich von seinem Vorhaben des fünften Toursieges, um damit mit den Franzosen Jacques Anquetil und Bernard Hinault, dem Belgier Eddy Merckx und dem Spanier Miguel Indurain gleichzuziehen, verabschieden. Er stellte sich wohl oder übel in den Dienst seines Teamkameraden, der keine Schwächen während der gesamten Tour erkennen ließ. Nach einigen schwächeren Momenten ließ Christopher Froome seine Klasse beim Einzelzeitfahren am vorletzten Tag der Tour aber noch einmal erkennen, als er nur eine Sekunde gegen den Sieger und späteren Gesamtzweiten Tom Dumoulin verlor und Geraint Thomas mit 14 Sekunden Rückstand Dritter wurde. Dabei war er ehrgeizig genug, noch auf dem dritten Platz der Gesamtwertung zu landen, den er zwischenzeitlich an den starken Slowenen Primoz Roglic von LottoNL-Jumbo verloren hatte, der auf der 19. Etappe einen spektakulären Erfolg im Alleingang herausfuhr.

Wer waren die weiteren Protagonisten dieser Tour, die wieder einmal die Zuschauermassen in ihren Bann zog? Das waren als jeweils zweifache Etappensieger der Kolumbianer Fernando Gaviria von Quick-Step Floors und sein französischer Teamkamerad Julian Alaphilippe, der Niederländer Dylan Groenewegen von LottoNL-Jumbo und vor allem auch der amtierende Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei vom deutschen Team BORA-hansgrohe, der sogar als dreifacher Etappensieger überzeugte und nun zum sechsten Mal das Grüne Trikot des Punktbesten in überlegener Manier gewann und mit dem Deutschen Erik Zabel gleichzog. Zu den zwei Etappensiegen verbuchte Julian Alaphilippe noch den ebenfalls klaren Sieg in der Bergwertung und stellte einmal mehr sein großes Talent unter Beweis, das er schon in Deutschland bei der leider nicht mehr stattfindenden Thüringen-Rundfahrt der Klasse U 23 im Jahre 2013 andeutete. Er und sein Landsmann Pierre Latour von Ag2r La Mondiale als Sieger der Nachwuchswertung, beide sind erst 26 bzw. 24 Jahre alt, berechtigen zu großen Hoffnungen der Franzosen, nach vielen Jahren wieder einmal den Toursieg ins Heimatland zu holen. Oder schafft es vorher doch noch mal Romain Bardet, der Teamgefährte von Pierre Latour? 

Die Mannschaftswertung holte sich zum dritten Mal nach 2015 und 2016 das Movistar Team aus Spanien, das mit nicht weniger als drei Topfahrern wie dem Kolumbianer Nairo Quintana und den beiden Spaniern Mikel Landa und Alejandro Valverde angetreten war, um Christopher Froome als Gesamtsieger zu entthronen. Aber auch Geraint Thomas, u.a. bestens unterstützt vom zukünftigen Sieganwärter und in diesem Jahr schon auf Rang 15 platzierten Kolumbianer Egan Arley Bernal, war zu stark für das Movistar Team und so blieb nur der Sieg in der Teamwertung und lediglich ein Etappensieg für Nairo Quintana auf der 17. Etappe übrig, als er auf dem Weg zum Col du Portet eine Attacke startete und im Alleingang das Ziel erreichte. In der Gesamtwertung hatte er als 10. über 14 Minuten preisgeben müssen und letztlich mit dem Ausgang des Rennens nichts mehr zu tun. Besser machte es Mikel Landa als 7. mit etwas mehr als 7 Minuten Rückstand, während Altmeister Alejandro Valverde als 14. mit über 27 Minuten Rückstand dennoch ein bemerkenswertes Comeback nach seiner bösen Sturzverletzung bei der letztjährigen Tour de France lieferte. Einfach nur „Chapeau“ für diesen bemerkenswerten Sportler, der im Alter von 38 Jahren (!) bereits 11 Saisonsiege erzielt hat!

 

Nicht allzu sehr im Fokus standen in diesem Jahr die deutschen Fahrer, die zu Beginn durch die Sprinter Marcel Kittel vom Team Katusha-Alpecin oder Andre Greipel von Lotto-Soudal sich Chancen ausgerechnet hatten, ins erste Gelbe Trikot zu fahren. Der dritte Platz auf der 1. Etappe für Marcel Kittel hinter Fernando Gaviria und Peter Sagan war durchaus beachtenswert, ebenso der vierte Platz von Andre Greipel am Tag danach und ein fünfter Platz von Marcel Kittel auf der 4. Etappe, aber von den Etappensiegen der letzten Jahre war man ein gutes Stück entfernt. Dann war es John Degenkolb von Trek-Segafredo, der auf der 7. Etappe mit Platz sechs seine wieder gewonnene Stärke andeutete, am Tag danach Dritter wurde und schließlich die neunte, förmlich auf ihn zugeschnittene Etappe nach Roubaix gewann. Zu diesem Zeitpunkt war der am Tag zuvor schwer gestürzte Tony Martin von Katusha-Alpecin schon nicht mehr im Rennen und schließlich kam auf der 11. Etappe das Aus für Marcel Kittel, der außerhalb des Zeitlimits das Ziel erreichte und aus dem Rennen genommen wurde. Die folgende Etappe nach Alpe d’Huez beendeten gleich drei deutsche Fahrer nicht: Andre Greipel und sein Teamkamerad Marcel Sieberg sowie Rick Zabel von Katusha-Alpecin mussten die Segel streichen und somit waren nur noch sechs deutsche Fahrer im Rennen, die sich aber letztlich hervorragend schlugen.

Die Akzente setzten besonders John Degenkolb, der an den folgenden Tagen noch einen 4., 7. und auf der Schlussetappe einen starken zweiten Platz hinter dem Norweger Alexander Kristoff vom UAE Team Emirates belegte, und der ganz stark fahrende, gebürtige Berliner Simon Geschke vom Team Sunweb, der nicht nur seinen Kapitän Tom Dumoulin bestens unterstützte, sondern mit dem 6. Platz auf der 14. Etappe sowie dem abschließenden 25. Platz in der Gesamtwertung seine bisher beste Platzierung bei einer Tour de France erreichte, die er nun schon zum sechsten Mal bestritt. Er war damit bester Deutscher vor seinem Teamkameraden Nikias Arndt auf Platz 67 und dem für sein starkes Team LottoNL-Jumbo hervorragende Helferdienste für Dylan Groenewegen, Steven Kruijswijk und Primoz Roglic leistenden Paul Martens, der 81. wurde. Auch Nils Politt (87.) von Katusha-Alpecin und Marcus Burghardt (92.) von BORA-hansgrohe setzten sich für ihre Kapitäne Ilnur Zakarin aus Russland bzw. Peter Sagan hervorragend ein, dabei eigene Interessen hinten anstellend. 

 

Dass ein Alexander Kristoff oder der Franzose Arnaud Demare von Groupama-FDJ über die Alpen und Pyrenäen ins Ziel nach Paris kamen, spricht nicht gerade für die deutschen Sprinterstars, die gerade in Paris in den letzten Jahren mit Siegen brillieren konnten und eigentlich immer die schweren Berge bewältigt hatten. Aber die Tour hat auch gezeigt, dass nicht immer alle Erwartungen erfüllt werden und dabei traf das bei weitem nicht nur auf die deutschen Fahrer zu. In diesem Zusammenhang seien nur die Australier Michael Matthews vom Team Sunweb und Richie Porte von BMC Racing, der Brite Mark Cavendish von Dimension Data oder der Belgier Philippe Gilbert von Quick-Step Floors erwähnt, die alle auch Paris nicht erreichten.  

Das schaffte allerdings ein Mann, der unbedingt erwähnt werden muss: der US-Amerikaner Lawson Craddock vom Team Education First-Drapac stürzte bereits auf der 1. Etappe schwer, erreichte das Ziel als Letzter der 176 Fahrer und zog sich beim Sturz einen Schulterbruch zu. Einmalig danach seine Moral: er fuhr die Tour mit Bravour zu Ende, gab den letzten Platz im Gesamtklassement bis zum Schluss nicht mehr ab und hatte als 145. einen Rückstand von 4:34:19 Stunden aufzuweisen. Aber dennoch war auch er in gewisser Weise ein Sieger dieser 105. Tour de France, die immer wieder große Helden hervorgebracht hat, zu denen er sich durchaus zählen kann. Chapeau!

Bericht: Bernd Mülle              

Fotos: Arne Mill, frontalvision.com

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Rennbericht
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  • Rundfahrt
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  • Tour de France

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