Christopher Froome holt sich seinen vierten Toursieg, Deutsche Teams und Fahrer prägen das Renngeschehen mit

BM Updated 02 August 2017
Christopher Froome holt sich seinen vierten Toursieg, Deutsche Teams und Fahrer prägen das Renngeschehen mit

Es war eine spannende Angelegenheit, die diesjährige 104. Tour de France, die nach 30 Jahren wieder einmal in Deutschland gestartet wurde und schon dort eine riesige Begeisterung hervorrief. In Düsseldorf ging es mit einem Einzelzeitfahren los, das durch schlechtes Wetter bedingt bereits nach wenigen Kilometern die Tourträume eines Alejandro Valverde vom Movistar Team im Keim erstickte. Nach einem bösen Sturz war das Rennen für ihn schon früh zu Ende und dabei sollten ihm in den nächsten Tagen noch weitere prominente Opfer folgen.

Froome

Das Team Sky um den erneuten Toursieger Christopher Froome aus Großbritannien startete gleich mit einem Sieg, den aber etwas überraschend sein Landsmann Geraint Thomas herausfuhr. Somit übernahm das Team von Beginn an auch die Führung in der Mannschaftswertung, die man bis zum Schlusstag auch nicht mehr abgeben sollte. Ein Team, das sich voll und ganz in den Dienst seines Kapitäns stellte und ihn durch alle Klippen dieser Tour zum erneuten Erfolg lenkte. Als Geraint Thomas dann auf der 9. Etappe sturzbedingt ebenfalls das Rennen aufgeben musste, fehlte dem Team Sky ein ganz wichtiger Mann, dessen Verlust aber von den übrigen Mitstreitern mit geschlossener Mannschaftsleistung aufgefangen werden konnte. 

Da sind wir dann auch gleich bei den zwei mit deutscher Lizenz ausgestatteten Teams Sunweb und BORA-hansgrohe sowie den insgesamt 16 deutschen Fahrern, die diese Tour in Angriff nahmen und von denen nur zwei das Ziel in Paris nicht erreichen sollten. Dabei haben alle unterschiedliche Akzente gesetzt und das Renngeschehen mitgeprägt und das gilt auch für einen Christian Knees, der zum siegreichen Team Sky gehörte und immer wieder für hervorragende Nachführarbeit sorgte und seinen Kapitän entsprechend unterstützte. Im Team Sunweb waren Nikias Arndt und Simon Geschke in erster Linie für das erfolgreiche Abschneiden ihrer Kapitäne Michael Matthews aus Australien und Warren Barguil aus Frankreich verantwortlich und beide leisteten dabei ausgezeichnete Arbeit. Sowohl der Australier als auch der Franzose konnten je zwei Etappen für sich entscheiden und darüber hinaus nahmen sie noch zwei Wertungstrikots mit nach Hause. Der Australier Michael Matthews erkämpfte sich das Grüne Trikot des Punktbesten nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden des fünffachen (!) Etappensiegers Marcel Kittel von Quick-Step Floors, während sich Warren Barguil als bester Fahrer der Bergwertung auszeichnen ließ. 

Tour

Für Nikias Arndt war die erste Tourteilnahme auch persönlich ein Erfolg, denn mit Platz 2 auf der 19. Etappe und Platz 7 beim einen Tag später folgenden Einzelzeitfahren in Marseille erzielte er herausragende Ergebnisse. „Ich bin als Anfahrer für Michael Matthews bei den Sprints gefordert, alles andere wird sich zeigen“, sagte der 25-jährige Deutsche beim Start in Düsseldorf, dessen Leistungskurve weiter nach oben zeigt und von dem man noch einiges in der Zukunft erwarten kann. Anders war die Situation für den Berliner Simon Geschke, der in den Bergen ein wichtiger Helfer für Warren Barguil war und seine eigenen Ambitionen für den letztlich erzielten Erfolg des Franzosen zurückstellen musste. Für ihn blieb am Ende der 64. Platz übrig und damit war er immerhin zweitbester Deutscher im Gesamtklassement, so dass auch seine Leistung durchaus hervorzuheben ist. Ein erneuter Etappensieg bei der Tour blieb ihm zwar versagt, aber für das von seinem Team erzielte Ergebnis war er allemal mitverantwortlich.

Das zweite deutsche Team BORA-hansgrohe verzeichnete durch den Weltmeister Peter Sagan bereits auf der 3. Etappe einen Sieg, der allerdings am folgenden Tag durch die Disqualifikation des Slowaken beim Sprint in Vittel in den Hintergrund rückte. Die Meinungen über den Ausschluss waren unterschiedlicher Natur, die Schuldzuweisungen gingen auch in andere Richtungen, dennoch war das Ausscheiden von Peter Sagan nicht rückgängig zu machen und das deutsche Team schon frühzeitig seines Stars beraubt. Als dann auch der Pole Rafal Majka verletzungsbedingt zur 10. Etappe nicht mehr antrat, mussten der Pole Maciej Bodnar als überraschender Sieger des Einzelzeitfahrens in Marseille sowie die deutschen Fahrer Emanuel Buchmann, Marcus Burghardt und Rüdiger Selig in die Bresche springen. Dabei bot Emanuel Buchmann mit Platz 15 im Gesamtklassement und Platz drei in der Nachwuchswertung eine tolle Vorstellung, die noch für die kommenden Jahre Luft nach oben lässt. Der amtierende Deutsche Meister Marcus Burghardt sah seine vordringliche Aufgabe darin, entstandene Löcher zuzufahren, sich auch in Spitzengruppen zu zeigen und vor allem mannschaftsdienlich seinen jeweiligen Kapitänen zur Verfügung zu stehen, eine Aufgabe, die er wie in den vielen vergangenen Jahren zuvor vorbildlich wahrnahm. Auch Rüdiger Selig schob sich noch ins Rampenlicht, nachdem Peter Sagan nicht mehr dabei war und er seine Sprintschnelligkeit mehrmals unter Beweis stellen konnte. Vier Platzierungen unter den Top Ten, darunter der 4. Platz in Bergerac hinter Marcel Kittel, John Degenkolb von Trek-Segafredo und Dylan Groenewegen von LottoNL-Jumbo war ein schöner Erfolg für den in Berlin lebenden Rüdiger Selig, der in Paris wie schon in Troyes im Sprint nochmals auf Platz 9 fuhr. 

Tour

Die Katusha-Fraktion mit Tony Martin sowie den Tourneulingen Nils Politt und Rick Zabel ist sich einer unterschiedlichen Beurteilung ausgesetzt. Hut ab vor Rick Zabel, der gleich zu Beginn beim Zeitfahren stürzte und mit einer Schulterverletzung das Rennen sogar zu Ende fuhr und sein Ziel, Paris zu erreichen, tatsächlich in die Tat umsetzte. Ebenfalls toll war die Leistung von Nils Politt, der mit Platz 13 am vorletzten Tag der Tour im Einzelzeitfahren in Marseille glänzte und auch sonst hervorragende Teamarbeit ablieferte. Ein hoffnungsvoller Fahrer, der oft in Ausreißergruppen zu finden war und sich und sein Team immer wieder gut in Szene setzte. Dagegen wird Tony Martin mit dieser Tour ein wenig hadern, denn in beiden Einzelzeitfahren in Düsseldorf und Marseille reichte es für ihn als amtierenden Weltmeister in dieser Disziplin nur jeweils zum 4. Rang. Das erhoffte Gelbe Trikot in Düsseldorf ließ sich nicht realisieren und am Tag danach führte ein Sturz zu Verletzungen am rechten Arm und Bein, so dass er mit fast zehn Minuten Rückstand weit abgeschlagen das Ziel erreichte. Damit war für Tony Martin eigentlich das Rennen gelaufen, wenngleich er seine Aufgaben im Team in gewohnter Art und Weise wahrnahm, um den Norweger Alexander Kristoff bei den Sprintentscheidungen zu einem Etappensieg zu verhelfen.

Martin

Ein wenig Frust dürfte auch bei Andre Greipel von Lotto Soudal und John Degenkolb aufgekommen sein, denn beiden gelang kein Etappensieg, den sie vorher mit Sicherheit angestrebt und auch einkalkuliert hatten. „Ich bin zu spät angetreten und so  blieb mir nur noch der zweite Platz“, gab Andre Greipel am Ziel in Paris enttäuscht zu Protokoll. Somit blieb ihm der erhoffte Hattrick auf der Pariser Prachtstraße versagt, nachdem er in den letzten beiden Jahren jeweils als Sieger über die Ziellinie gefahren war. Dazu kamen in diesem Jahr noch drei dritte Plätze und zwei weitere Top Ten-Platzierungen, die aber für den ehrgeizigen Andre Greipel bestimmt nicht das Gelbe vom Ei waren und einen vielleicht möglichen 12. Etappensieg nicht ersetzen konnten. Für seinen langjährigen Freund und Helfer Marcel Sieberg war die diesjährige Tour daher auch nicht das große Highlight, zumal er mit Magen- bzw. Darmproblemen zur 17. Etappe nicht mehr am Start erschien und aufgeben musste. 

Kittel

Diese Etappe bedeutete dann auch das Aus für den mit Abstand besten Sprinter des Feldes Marcel Kittel. Allein fünf Etappensiege – er hat jetzt bei fünf Teilnahmen nicht weniger als 14 gewonnen – und dazu das bis zu seinem Ausscheiden getragene Grüne Trikot stellen eine Superbilanz des Modellathleten dar. Es bleibt hypothetisch, ob er dieses Trikot behalten oder auch noch die Schlussetappe gewonnen hätte, auf jeden Fall war seine Leistung über jeden Zweifel erhaben. Weniger gut lief es bei seinem früheren Teamkameraden John Degenkolb, dessen erster Etappensieg bei seiner fünften Tour de France nicht zu realisieren war. Vier Top Ten-Platzierungen, darunter jeweils ein zweiter und dritter Platz, sind bestimmt nicht das, was sich der sympathische, jetzt in Frankfurt/Main lebende Sprinter und Klassikerfahrer vorher ausgerechnet hatte.

Nicht nur für den am Schlusstag siegenden Niederländer Dylan Groenewegen von LottoNL-Jumbo haben zwei weitere deutsche Fahrer im Verlauf dieser Tour gute Arbeit geleistet, die vorher nicht unbedingt einen Startplatz sicher hatten. Sowohl Paul Martens als auch Robert Wagner haben in hervorragender Weise wichtige Helferdienste verrichtet und dabei hat Paul Martens auf der schweren 14. Etappe von Blagnac nach Rodez noch einen guten 15. Platz belegt. 

Ein Lob gilt auch dem erst 24-jährigen Jasha Sütterlin vom Movistar Team, der seine erste Tour de France mit Bravour meisterte und mit einem 12. Platz beim Einzelzeitfahren in Marseille ein absolutes Ausrufezeichen setzte. Für sein Team begann die Tour durch das Ausscheiden von Alejandro Valverde alles andere als glücklich und auch der Kapitän der Mannschaft, der Kolumbianer Nairo Quintana, fand nach seinem 2. Platz beim Giro d’Italia nicht mehr zur erhofften Form, die ihn eigentlich zum Hauptrivalen von Christopher Froome machen sollte. Sein 12. Platz am Ende der Tour musste enttäuschen und zeigte deutlich auf, dass zwei so große Rundfahrten innerhalb von nur zwei Monaten durchaus ihren Tribut zollen können.  

Paris

Geht man nach den Top10-Etappenplatzierungen dann haben die deutschen Fahrer mit 24 Platzierungen ganz hervorragend abgeschnitten und wurden dabei nur von den Franzosen getoppt, die 36 Mal platziert waren. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Christopher Froome mit 10 Platzierungen am meisten unter den Top10 zu finden war, ohne auch nur eine Etappe gewonnen zu haben. Seine beste Einzelplatzierung war der dritte Rang, den er aber viermal erreichte. Der Brite war insgesamt nicht so überlegen wie in den Jahren zuvor, aber mit einer derart stark besetzten Mannschaft schaffte er erneut den Sieg, wenn auch sein Vorsprung auf den Kolumbianer Rigoberto Uran von Cannondale Drapac nur 54 Sekunden betrug. Christopher Froome profitierte letztlich auch vom sturzbedingten Ausscheiden seines vermeintlich härtesten Rivalen Richie Porte von BMC Racing, der auf der 9. Etappe nach Chambery aufgeben musste. Fahrer wie der Spanier Alberto Contador von Trek-Segafredo, der Italiener Fabio Aru vom Astana Pro Team oder der Ire Daniel Martin von Quick-Step Floors, ein Kämpfer vor dem Herrn, konnten trotz allem Bemühens dem Briten nicht in Verlegenheit bringen, so dass am Sieg von Christopher Froome eigentlich nur nach dem Etappensieg von Fabio Aru von Vittel nach La Planche des Belles Filles auf der 5. Etappe Zweifel aufkamen, wo er dem Briten die Show stahl. Letztendlich entschied Christopher Froome mit seiner Zeitfahrleistung diese Tour und dabei distanzierte er seinen bis dahin stärksten Rivalen, den Franzosen Romain Bardet von AG2R La Mondiale um fast zwei Minuten, für den dann nur noch Platz drei übrigblieb mit nur einer Sekunde vor dem Spanier Mikel Landa vom Team Sky.  

Text: Bernd Mülle

Fotos: Mario Stiehl, Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Tour de France 2017     

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