Ricarda Bauernfeind im Interview: Rückblick, Aufstieg bei Canyon/SRAM und LOTTO Thüringen Ladies Tour 2023

Ricarda Bauernfeind im Interview: Erfolge, Aufstieg bei Canyon/SRAM & LOTTO Thüringen Ladies Tour 2023

 
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Wir schreiben das Jahr 2013. Unser Fotograf Arne Mill ist für turus und unsere Bildagentur frontalvision.com unterwegs beim traditionsreichen Nachwuchs-Radsportevent der „Internationalen Kids-Tour Berlin“ und bringt einige spektakuläre Bilder ins Netz. Mit dabei eine Nachwuchsfahrerin aus Bayern, die für den RC Germania Weißenburg sich den Titel in der Klasse U13 sicherte: Ricarda Bauernfeind. Schon damals war irgendwie klar: Die Kids Tour konnte nur der Anfang sein. Nach den Junioren Meistertiteln in den Jahren 2017 und 2018 krönte sie ihre noch junge Karriere in diesem Jahr mit gleich zwei Titeln:

Deutsche Meisterin (U23 Einzelzeitfahren) und Europameisterin (U23 Mixed-Staffel). Dazu holte sie bei den Straßen-Weltmeisterschaften Ende September in Wollongong/Australien zweimal Bronze (U23 Einzelzeitfahren und Straßenrennen). Lohn für diese Erfolge: In der kommenden Saison fährt sie für ihr Team Canyon/SRAM Racing in der World-Tour mit (wie wir im Oktober berichteten) und darf sich auf zahlreiche Klassiker wie die Tour de France Femmes und Giro d’Italia Donne freuen.



Aber auch bei der traditionsreichen LOTTO Thüringen Ladies Tour wird sie vielleicht mit von der Partie sein. Genauere Infos dazu hat sie in einem aktuellen Interview mit dem Pressesprecher der legendären Rundfahrt Thomas Juschus erklärt. In dem lesenwerten Gespräch blickt Ricarda Bauernfeind auf ihr erfolgreichstes Jahr zurück, erklärt die Rolle ihres Trainers und gibt einen Ausblick auf 2023. Das Interview erschien zuerst auf der offiziellen Webseite LOTTO Thüringen Ladies Tour und wir geben es hier dankenswerter Weise wieder:



Ricarda Bauernfeind, Sie haben nach Ihren beiden dritten Plätzen in den U23-Wettbewerben der Straßen-Weltmeisterschaft erklärt, beide Medaillen sollen zuhause in Eichstätt einen besonderen Platz bekommen. Haben Sie Ihren Plan bereits umgesetzt?
Nein, noch nicht ganz. Wir räumen zuhause gerade ein bisschen um und schaffen eine Art Trainingsraum für mich, für meinen Rollentrainer zum Beispiel. Da sollen die Medaillen in einem Rahmen an die Wand kommen.



WM-Bronze im Straßenrennen und im Zeitfahren waren sicher Ihre bisherigen Karrierehighlights, oder?
Ja, definitiv. Die Medaillen waren auch der perfekte Abschluss unter die Saison 2022.

Das Radsport-Portal radsport-news.com hat Sie zusammen mit Ihrer künftigen Teamkollegin Antonia Niedermaier als „Aufsteigerin des Jahres“ bezeichnet. Zurecht?
2022 war auf jeden Fall mein bestes und erfolgreichstes Jahr bisher. Ob ich zu den Aufsteigern des Jahres gehöre, das sollen andere beurteilen. Am Anfang der Saison hat sicher niemand damit gerechnet, dass es so laufen wird – ich selber auch nicht. Deshalb freue ich mich natürlich umso mehr, dass dann so viele Erfolge kamen.

Sie waren einige Jahre ohne Trainer, seit Anfang 2022 werden Sie von Mario Vonhof betreut. Welche Rolle spielt er für Ihre erfolgreiche Saison?
Mario kennt mich aus dem Landesverband Bayern schon seit der Altersklasse U 13. Er weiß, wie ich ticke. Und er weiß, dass ich im Training ein bisschen meine Freiheiten brauche und nicht so sehr auf Zahlen und Wattwerte fokussiert bin. Ich fahre eher nach Gefühl. Damit kann er gut umgehen und weiß, was bei mir im Training wirkt und hat mich körperlich und auch vom Kopf her auf jedes Rennen optimal vorbereitet.



Sie galten bei Rennen immer als überaus nervös. War das Lösen dieser mentalen Blockade der Schlüssel?

Ja, auf alle Fälle. Das hat mich am meisten nach vorn gebracht. Natürlich sind auch die Umfänge im Training größer geworden, aber nicht extrem. Vom Kopf her hat sich viel mehr getan. Früher habe ich mich einfach viel zu viel unter Druck gesetzt und hatte Angst, andere zu enttäuschen. Da ist mir ein bisschen die Lockerheit und der Spaß am Radsport verloren gegangen. Deshalb bin ich nach meiner erfolgreichen Jugend-Zeit ab 2020 auch nicht mehr in einem Team gefahren und habe mich auf mein Studium konzentriert. Klar, ich bin auch heute vor Rennen immer noch nervös – aber das ist jetzt eine normale, gesunde Nervosität. Und ich habe wieder Spaß und Freude an den Rennen. Mario hatte einfach ein gutes Händchen und nie Erwartungen – oder sie mir zumindest nicht gesagt. Er weiß einfach, wie er mit mir umgehen muss.



Sie studieren in München auf Lehramt. Inwieweit hat das geholfen?
Ich bin mit einer gewissen Lockerheit in das Jahr gegangen. Mein Studium hat mir einfach Sicherheit gegeben – ich hatte nichts zu verlieren und musste im Radsport nichts erzwingen.

Sie wechseln aus  dem Canyon/SRAM Generation Team, quasi der Nachwuchsmannschaft, ab 2023 für zunächst zwei Jahre in das Canyon SRAM Racing-World-Tour-Team. Wie soll es mit dem Studium weitergehen?
Ich schreibe derzeit meine Bachelor-Arbeit. Im Februar oder März bin ich damit fertig. Ich mache ein berufliches Lehramt, das heißt, ich mache mit dem Master weiter. Natürlich nicht in Vollzeit, sondern Priorität hat ab 2023 der Radsport. Das Studium ist aber ein guter Ausgleich und Ablenkung. Und ich muss nicht alles zu 100 Prozent auf die Radsport-Karte setzen. Das gibt mir weiter eine gewisse Sicherheit.



Worauf kommt es beim Wechsel aus dem U23- in den Elitebereich und die World Tour an?

Ich würde sagen, ich kann mich noch in allen Bereichen verbessern. Das World-Tour-Niveau ist ganz sicher nochmal anders, als in den Rennen, die ich bisher gefahren bin. Ich werde auch andere Aufgaben haben. Ich werde nicht mehr die Fahrerin sein, die auf Ergebnisse oder Trikots fährt sondern werde eine Helferrolle übernehmen. Darauf freue ich mich aber. Und ich freue mich, von Fahrerinnen wie Kasia Niewiadoma, Pauliena Rooijakkers oder Elise Chabbey zu lernen.

Welche Rolle hat für Sie die LOTTO Thüringen Ladies Tour im Mai gespielt? Als Gesamtfünfte waren Sie für einige Beobachter etwas überraschend beste deutsche Fahrerin im Gesamtklassement.

Die Thüringen-Rundfahrt ist enorm wichtig für den deutschen Frauen-Radsport. Ich hoffe sehr, dass die Rundfahrt den Status World-Tour bekommen wird. Ich habe schon viele Rundfahrten erlebt – die Thüringen-Rundfahrt sticht organisatorisch und auch von der Stimmung heraus. Am liebsten mag ich die Etappe in Dörtendorf – da ist die Atmosphäre wirklich gigantisch. Dieses Jahr hatte ich einen großen Fokus auf der Thüringen-Rundfahrt, dabei war ich unmittelbar in der Vorbereitung auf die Rundfahrt an Corona erkrankt, dementsprechend waren die ersten beiden Tage wirklich schmerzhaft. Dann lief es von Tag zu Tag immer besser und ich konnte auf der vierten Etappe in Schleiz sogar noch eine Podiumsplatzierung herausfahren.



Sind Sie 2023 wieder in Thüringen am Start?
Es gibt eine neue Regel, nach der World-Tour-Fahrerinnen auch im Nachwuchs-Team fahren dürfen – das wäre eine Möglichkeit, wenn wir wieder mit dem Generation-Team am Start sind. Einen Rennplan gibt es aber noch nicht. Im Januar und Februar stehen zwei Trainingslager mit der Mannschaft an, danach sind die ersten Rennen angesetzt. Da weiß ich sicher mehr.

Alle Fotos: Bildagentur frontalvision.com

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Inhalt über die Radrennfahrer:
  • Ricarda Bauernfeind
Mehr Bilder auch zum direkten Download gibt es für private und redaktionelle Nutzung bei unser Bildagentur frontalvision.com:
Inhalt über die Teams:
  • CANYON//SRAM

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