Rückblick auf die Tour de France Femmes 2022: Starker Beginn und spektakuläres Finale

Rückblick auf die Tour de France Femmes 2022: Starker Beginn und spektakuläres Finale

 
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Es war nicht die erste Austragung einer Tour de France für die Frauen (Tour de France Femme save Zwift), aber die Neuauflage direkt beginnend mit der Schlussetappe der Männer in Paris war eine Art Grundstein für eine weiterhin verheißungsvolle Zukunft des Frauenradsports. Mit acht abwechslungsreichen Etappen, einem Fahrerfeld, das nichts zu wünschen übrig ließ, hervorragenden Sport an allen Tagen vor nahezu überragender Zuschauerkulisse und eine letztlich mehr als verdiente Gesamtsiegerin mit Annemiek van Vleuten aus den Niederlanden vom Movistar Team, all das verdiente allerhöchsten Respekt für alle Beteiligten und die Hoffnung, dass dieses Event auch in den folgenden Jahren einen festen Platz im Radsportkalender einnimmt.



Die Organisatoren um die Direktorin Marion Rousse haben ausgezeichnete Arbeit geleistet und die erst 30-jährige Französin, vom Tour-Direktor Christian Prudhomme für diese Aufgabe angeworben, hat als eine von Kindesbeinen an vom Radsport faszinierte Person mit entsprechender Erfahrung diese Aufgabe bravourös gelöst. Sie ist mit dem Radsport in der Familie groß geworden, ihre drei Cousins Laurent und David Lefevre sowie Olivier Bonnaire waren in Profiteams unterwegs, sie selbst war von 2010 bis Ende 2015 in UCI-Teams aktiv (zuletzt bei Lotto Soudal Ladies) und wurde im Jahre 2012 Französische Meisterin im Straßenrennen. All das waren gute Voraussetzungen für die Lebensgefährtin des zweimaligen Straßenweltmeisters Julian Alaphilippe, um die neue Aufgabe zu übernehmen. „Wir haben schon viele Bewerbungen für die nächsten Auflagen und es ist jetzt die richtige Zeit, um nicht nur im Zuge der Gleichstellung der Geschlechter den Frauenradsport weiter zu forcieren“, ist Marion Rousse überzeugt, dass die Entwicklung hier noch weiter fortschreiten wird.



So sieht zum Beispiel die 35-jährige Niederländerin Marianne Vos vom Team Jumbo-Visma, u.a. dreimalige Straßenweltmeisterin, Olympiasiegerin von 2012 und in ihrer langen Laufbahn mit nicht weniger als mit 242 (!) Siegen ausgestattet, diese Tour de France Femmes avec Zwift als „krönenden Moment einer fantastischen Entwicklung“, bei der ihr zwei Etappensiege gelangen und sie fünf Tage lang das Gelbe Trikot tragen durfte. Hinzu kam noch der Triumph in der Punktewertung mit 272 Punkten, in der sie die schnelle Belgierin Lotte Kopecky vom Team SD Worx mit 174 Punkten als Zweite klar distanzierte. Dass sie in den beiden Schlussetappen mit der Kletterpartie zum Grand Ballon und dem Anstieg zur La Super Planche des Belles Filles Schwierigkeiten haben dürfte, ihr Gelbes Trikot zu verteidigen, war durchaus vorauszusehen.





Aber auf die Niederländerinnen ist Verlass und so schlüpfte die bereits 39-jährige Annemiek van Vleuten ins Gelbe Trikot, nachdem die ersten Tage für sie aufgrund von Magen-Darm Problemen nicht optimal verliefen. Mit dennoch nur 1:28 Minuten Rückstand lag sie nach der 6. Etappe immerhin auf Platz 8, da die Konkurrenz offensichtlich von ihren Problemen nicht viel mitbekommen hatte und sie nicht unter Druck setzte. Aber ihr Zustand besserte sich von Tag zu Tag und die 7. Etappe von Selestat nach Le Markstein über 127,1 km sollte dann ihr Rennen werden. Mit dem Petit Ballon, dem Col du Platzerwasel und dem Grand Ballon waren drei schwere Anstiege zu bewältigen und hier war Annemiek van Vleuten in ihrem Element. Sie nahm das Feld regelrecht auseinander, erreichte im Alleingang mit nicht weniger als 3:26 Minuten Vorsprung auf ihre Landsmännin Demi Vollering vom Team SD Worx das Ziel und setzte sich in der Gesamtwertung an die Spitze. Mit einem weiteren Tagessieg am Schlusstag mit 30 Sekunden vor Demi Vollering war ihr der Gesamtsieg nicht mehr zu nehmen.





Wie schwer die Tour de France Femmes eigentlich war, zeigten auch am Ende die zum Teil sehr großen Rückstände. Demi Vollering als Zweite lag am Schluss 3:48 Minuten zurück und die Polin Katarzyna Niewiadoma von Canyon//SRAM Racing lag als starke Drittplatzierte schon 6:35 Minuten im Rückstand, gewann aber mit ihrem Team die Gesamtmannschafts-wertung Beste deutsche Fahrerin war Liane Lippert vom Team DSM, die als 16. einen Rückstand von bereits 29:49 Minuten aufzuweisen hatte. Sie fuhr dennoch ein gutes Rennen, unterstützte die zweimalige Etappensiegerin ihres Teams Lorena Wiebes und auch ihre französische Teamkapitänin Juliette Labous, die immerhin Platz 4 in der Gesamtwertung erreichte. Für Liane Lippert war der 10. Platz auf der Schlussetappe die beste Tagesplatzierung, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie auch durch einen Sturz an einer besseren Platzierung auf der 3. Etappe gehindert wurde, wo sie in einer Spitzengruppe aussichtsreich im Rennen lag.





Während Demi Vollering sich am Ende die Bergwertung sicherte und die junge, erst 20-jährige Niederländerin Shirin van Anrooij von Trek-Segafredo die Nachwuchswertung gewann, war für die weiteren deutschen Teilnehmerinnen nicht viel zu holen. Ein böser Massensturz, in dem auch Laura Süßemilch von Plantur-Pura auf der 2. Etappe verwickelt war, bedeutete für sie das frühzeitige Aus. Man kann nur hoffen, dass sie die schweren Verletzungen vollständig auskurieren kann und wir sie bald im Peloton wiedersehen. Ihr folgten auf der dritten Etappe Hannah Buch von Roland Cogeas Edelweiss Squad und auf der 7. Etappe Franziska Koch vom Team DSM, die das Ziel außerhalb des Zeitlimits erreichte und das Rennen beenden musste.



Von den acht deutschen Teilnehmerinnen beendeten noch Romy Kasper vom Team Jumbo-Visma (35.), Lisa Brennauer von Ceratizit-WNT Pro Cycling (58.), Kathrin Hammes von EF Education-TIBCO-SVB (65.) und Hannah Ludwig vom Uno-X Pro Cycling Team (106.) das schwere Etappenrennen. Es war ein wahrhaft atemberaubendes Finale, wozu besonders auch die erneut großartige Zuschauerkulisse beitrug. Der Frauenradsport hat sich etabliert,  fasziniert die Massen fast wie bei den Rennen der männlichen Profis. Das einzige, was bei der Tour gefehlt haben mag, ist ein Einzelzeitfahren, das der einen oder anderen Spezialistin eine Chance gelassen hätte. Aber der Anfang ist gemacht und die Organisatoren können mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Wie stellte doch die Französin Evita Muzic von FDJ-SUEZ-Futuroscope schon vorher fest: „ Auf dieses Rennen haben wir gewartet. Es wird dem Frauenradsport gut tun, zumal es direkt dem Männerrennen folgt und tägliche Fernseh-übertragungen Aufmerksamkeit gewährleistet.  



Für eine deutsche Radsportlerin ist der Beginn dieser neuen Ära gleichzeitig das Ende ihrer großartigen Radsportlaufbahn: Lisa Brennauer hat in Frankreich ihr letztes Straßenrennen im Ausland bestritten und wird nach den kommenden Europameisterschaften, wo sie auch für die Straßenrennen nominiert ist, ihre glanzvolle Karriere beenden. Dort wird sie in München vor ihrer Haustür nochmals auf der Bahn ihr Weltmeistertrikot präsentieren und dann endgültig dem Radsport „Ade“ sagen. An Titeln reich gesegnet, wird sie zum Abschied nochmal alles geben und vielleicht ihre persönliche Erfolgsbilanz noch ausbauen. Wir werden ihre beispiellose Karriere nach der Europameisterschaft nochmals aufarbeiten.

Fotos: Arne Mill (Sport Photo Agency frontalvision.com)

 

Name des Radrennens
  • Tour de France Femmes

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