Der Frauen-Radsport boomt und der deutsche Nachwuchs ist dabei

Der Frauen-Radsport boomt und der deutsche Nachwuchs ist dabei

 
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Es tut sich was im internationalen Frauen-Radsport, der in diesem Jahr mit den großen Rundfahrten der Profis eine Art Symbiose eingegangen ist, die seiner Weiterentwicklung  nur förderlich sein kann. Die Tour de France Femmes schließt sich direkt dem Männerrennen ab dem 24. Juli 2022 an, mit acht Etappen von Paris bis zur Bergankunft La Super Planche des Belles Files. Das harte Finale nur kurze Zeit nach dem mit 10 Etappen schon superschweren Giro d’Italia Donne ist eine weitere große Herausforderung für die Frauen. Dann folgt noch im September die Ceratizit Challenge by La Vuelta über fünf Tagesabschnitte, nachdem auch die Tour de Suisse Women, der wir live beiwohnten, den Frauen schon über vier Tage eine Plattform gegeben hat. 

Von dieser Entwicklung profitiert auch der weibliche Nachwuchs aus Deutschland, der in diesem Jahr recht breit aufgestellt ist. Wir wollen hier einmal auf die Teilnehmerinnen beim Giro d’Italia Donne eingehen, die zum Teil erstaunliche Leistungen zeigten, aber andererseits auch der Schwere des Rennens Tribut zollen mussten. Über Aileen Schweikart von Bizkaia Durango, die erst seit Juni 2021 im Radsport aktiv ist und deshalb trotz ihrer 26 Jahre durchaus dem Nachwuchs noch zuzurechnen ist, haben wir schon separat berichtet. Mit der 23-jährigen Franziska Brauße von Ceratizit-WNT Pro Cycling und der 22-jährigen Franziska Koch vom Team DSM haben wir uns ebenfalls einmal etwas näher beschäftigt und dabei durchaus einige interessante Dinge in Erfahrung gebracht.

 

„Ich hatte in diesem Jahr nur wenig Zeit zum Verschnaufen, viele Wettkämpfe und Termine mit Sponsoren sorgten für einen vollen Kalender. Der Fokus liegt jetzt mehr auf der Straße, wo ich mir die nötige Grundhärte erarbeite. So sind viele erfolgreiche Bahnfahrerinnen auch in Straßenteams mehr als erfolgreich (siehe u.a. Lisa Brennauer). Auch ich werde aufgrund meines Vertrages bis 2024 weiterhin zweigleisig fahren und im nächsten Jahr die Bahn wieder fokussieren, da die Qualifikationen für die Olympischen Spiele anstehen“, ließ uns Franziska Brauße wissen, die sich in Zukunft auch mehr auf Zeitfahren konzentrieren möchte. 

So begann der Giro, für den die Olympiasiegerin und Welt- und Europameisterin auf der Bahn in der Mannschaftsverfolgung fest eingeplant war, mit einem kurzen, flachen Zeitfahren, das ihr entgegen kommen sollte. Der Prolog in Cagliari über nur 4,7 km wurde eine Beute für die US-Amerikanerin Kristen Faulkner vom Team BikeExchange-Jayco und für Franziska Brauße reichte es mit nur 16 Sekunden Rückstand zu einem hervorragenden 15. Platz. Diese Leistung wurde von ihr am Folgetag noch getoppt, als sie die einzige Bergwertung des Tages gewann und ins Bergtrikot schlüpfte. 

 

„Wir hatten tatsächlich das Ziel, das Trikot zu erobern, da wir uns als Team dadurch präsentieren konnten. Nach den Attacken meiner Teamkameradinnen, habe ich mein Glück versucht und konnte mich gegen die Australierin Neve Bradbury von Canyon//SRAM Racing durchsetzen. Es war ein grandioses Gefühl, da ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr auf dem Podium bei einem Straßenrennen stand und dann noch das Bergtrikot beim Giro! Es war total verrückt, als italienische Fans Bilder mit mir machten und Autogramme haben wollten“, war sie mehr als überwältigt. 

Sie wollte das Trikot verteidigen, gab alles dafür und hatte auf der 4. Etappe allein einen Ausreißversuch gestartet. „Als ich wieder eingeholt wurde, habe ich nur noch gelitten und hatte dann auf der 6. Etappe schlicht und ergreifend einfach keine Kraft mehr in den Beinen und schied aus. Ich habe rückblickend zu viele Körner auf den Etappen davor liegen gelassen und die Hitze hat mir dann noch den Rest gegeben“, musste sie leider feststellen und freut sich jetzt aber auf die Bahn-Europameisterschaft in München, wo sie mit ihrer Mannschaft das Regenbogentrikot präsentieren und den Heimvorteil nutzen kann. 

 

Für Franziska Koch war beim Giro die dritte Etappe eine ganz besondere, durfte sie doch das Trikot der besten Nachwuchsfahrerin überstreifen, das sie am vierten Tag aber gleich wieder abgeben musste. „Nach der Deutschen Meisterschaft mit einer Magen-Darm- Erkrankung kurz zuvor und daher resultierend auch die dortige Aufgabe, war es meine Erwartung an den Giro, meinen Teamkameradinnen so gut wie möglich zu helfen. Wir hatten Sprintambitionen und auch die Gesamtwertung als Ziel und meine Rolle war es, im Leadout und im Positionieren meinen Job gut zu erfüllen, was mir gelang“, war Franziska Koch nicht unzufrieden mit ihrer Leistung, wenn sie auch keine Top Ten-Platzierungen erreichte. Aber es war für sie keine Option in einem Etappenrennen auszusteigen und so beendete sie den Giro auf Platz 82 unter 113 Platzierten.

Sie hat beim Team DSM noch einen Vertrag bis 2023. Dort schätzt man ihr Potenzial und ihre Persönlichkeit im Team, man sieht ihre Entwicklung und setzt Vertrauen in sie. So fühlt sie sich wohl im Team und hat vor allem viel Spaß, den der Radsport immer noch für sie bereithält. „Radfahren gehörte schon immer zum Teil meines Lebens, zumal meine älteren Geschwister schon Rennen gefahren sind. Mit neun Jahren habe ich mein erstes Rennen gefahren und je älter ich wurde, umso mehr gefiel mir der Radsport von all meinen Aktivitäten, die mit Sportarten wie  Leichtathletik, Schwimmen und Turnen begannen. Ziel war es, irgendwann Profi auf der Straße zu werden und so wurde ich früh bei den Talentdays des Teams Sunweb entdeckt“, erzählte sie uns, dass Liane Lippert eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielte. 

 

Im Team nimmt sie eine Helferrolle ein, wodurch eine gute Leistung nicht zwingend mit einem guten Ergebnis gleichgestellt werden kann. Dennoch gelangen ihr schon einige herausragende Ergebnisse, wie zum Beispiel der 4. Platz in der Gesamtwertung des Festival Elsy Jacobs in 2019 mit dem gleichzeitigen Sieg in der Nachwuchswertung. Im gleichen Jahr gewann sie eine Etappe der Boels Ladies Tour, wurde Vierte bei der Deutschen Meisterschaft auf der Straße und belegte Platz 5 bei den Europameisterschaften der Klasse U 23 im Straßenrennen. Bei diesen Titelkämpfen errang sie im Folgejahr einen vierten Platz und noch Platz 2 im Einzelzeitfahren. Im letzten Jahr wurde sie dreimal in wichtigen Rennen Siebte und besonders vielbeachtet war dabei die Platzierung bei Paris-Roubaix Femmes. 

„Paris-Roubaix ist ein spezielles Rennen, entweder man liebt es oder hasst es. Nach meiner guten Erfahrung muss ich sagen, ich liebe es. Es ist chaotisch und solche Sachen liegen mir gut“, traf sie eine durchaus nachvollziehbare Äußerung. Nachdem sie schon den 7. Platz im Straßenrennen bei den Europameisterschaften der Klasse U 23 belegt hatte, erzielte sie diesen Platz auch noch bei der Ronde van Drenthe zum Abschluss der Saison.

Die laufende Saison verlief ohne Top Ten-Platzierungen eher durchwachsen. „Mein Start in die Saison war nicht sehr erfreulich, da ich mir kurz vor den Highlights der Frühjahrsklassiker eine Handwurzelfraktur zugezogen hatte. So verpasste ich meine Lieblingsrennen Ronde van Vlaanderen und Paris-Roubaix, musste nochmal die Form neu aufbauen mit dem Ziel, einen guten Giro zu fahren. Jetzt bleiben noch die Europa- und Weltmeisterschaft als zwei Ziele für mich, wobei ich hoffe, dass sich meine Form weiter verbessert und ich die Nominierung schaffe“, ist Franziska Koch, die noch mehrere Jahre als Profisportlerin einplant,  zuversichtlich für den restlichen Verlauf der Saison. Da sie sich voll auf den Radsport fokussiert, sollte man von ihr in Zukunft noch einiges erwarten können.

 

Von den deutschen Nachwuchsfahrerinnen waren beim Giro d’Italia Donne noch die 23-jährige Lea Lin Teutenberg von Ceratizit-WNT Pro Cycling und die 22-jährige Hannah Ludwig vom Uno-X Pro Cycling Team am Start. Während Lea Lin Teutenberg nach zuletzt erfreulicher Entwicklung auf der Bahn, auch auf der Straße mit zwei 10. Plätzen auf der 2. bzwr5. Etappe des Giro einen guten Eindruck hinterließ, war für Hannah Ludwig nach dem 54. Platz im Prolog bereits Endstation, als sie zur 2. Etappe nicht mehr antrat. 

Für die zweimalige Europameisterin im Einzelzeitfahren der Klasse U 23 bietet die kommende Tour de France Femmes eine weitere Möglichkeit, ihr Potenzial unter Beweis zu stellen. Das gilt auch für Franziska Koch, die an der Seite von Liane Lippert in Paris an den Start gehen wird. Mit der erst 19-jährigen Hannah Buch von Roland Cogeas Edelweiss Squad ist ein weiteres deutsches Talent bei der Tour dabei, deren Entwicklung wir ebenfalls weiter verfolgen werden. 

Bericht: Bernd Mülle  

Fotos: Arne Mill / frontalvision.com

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  • Straßenrennen

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