Linda Riedmann wird Juniorinnen-Europameisterin im Straßenrennen

Linda Riedmann wird Juniorinnen-Europameisterin im Straßenrennen

 
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Es waren mal wieder die Radsportlerinnen, die für ihre männlichen Kollegen bei den Europameisterschaften im italienischen Trento die Kastanien für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) aus dem Feuer holten. An erster Stelle steht dabei die erst 18-jährige Linda Riedmann, die mit bemerkenswerter Leistung das Straßenrennen der Juniorinnen gewann. Ihre Entwicklung einmal zu beobachten, ist durchaus interessant, hat sie doch durch ihren Vater den Weg zum Radsport gefunden, aber parallel dazu auch noch Fußball gespielt. „Ab der U 15 habe ich gemerkt, dass beides sich nicht vereinbaren lässt und mich dann für den Radsport entschieden“, so die sympathische Karbacherin, die offensichtlich damals die richtige Entscheidung getroffen hat. 

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Die vielen Siege für ihren Verein RV Concordia Karbach bzw. für das Team Mangertseder, u.a. wurde sie im Nachwuchsbereich mehrmals Deutsche Meisterin im Straßenrennen, haben schon ahnen lassen, dass hier ein ganz besonderes Radsporttalent heranwächst. In diesem Jahr gewann sie beide Etappen und die Gesamtwertung der Tour du Gevaudan und triumphierte auch als Etappensiegerin der Watersley Ladies Challenge, wo sie den dritten Platz in der Gesamtwertung belegte. 

„Der Sieg bei der Tour du Gevaudan war für mich von großem Wert nach dem langen, harten Training im Winter. Es war nach langer Zeit der erste Sieg für eine deutsche Fahrerin bei einem Nationscup und auch der Sieg auf der Schlussetappe bei der Watersley Challenge war für mich wichtig, um mit Selbstvertrauen die Europameisterschaften in Angriff zu nehmen“, war Linda Riedmann zuversichtlich, zumal auch das Team enger zusammengerückt war.

Die Europameisterschaft wurde dann für sie zum vorläufigen Höhepunkt, wo sie schon mit einer vorderen Platzierung rechnete. „Mit einer kleinen Gruppe über den letzten Berg zu kommen und dann sich auf den Zielsprint konzentrieren“, so lautete ihr Vorhaben. Die entstandene Lücke zu den drei Ausreißerinnen in der Schlussrunde konnte sie auf der Abfahrt schließen und war sich so bewusst , dass der Titel nicht unrealistisch ist. Am Ende ließ sie ihre schnellen Beine wirbeln und bezwang im Kampf um Gold die Italienerin Eleonora Ciabocco, während mit zwei Sekunden Rückstand die Französin Eglantine Rayer die Bronzemedaille erspurtete. 

Das nächste Großereignis steht mit der Weltmeisterschaft in Belgien an, wo sie am 25. September vielleicht noch einmal zu so einem großen Schlag ausholen kann, oder? Auch hier wird sie nicht das Einzelzeitfahren bestreiten, das für sie angabegemäß keine Option darstellt. „Danach ist dann Saisonpause und dann werde ich sehen, wie es in den nächsten Jahren weitergehen kann“, deutete sie ihre Zukunftspläne an. Wir würden uns nicht wundern, wenn sie diese bislang so erfolgreiche Laufbahn zukünftig in einem adäquaten Team fortsetzen kann. „Es gilt den Aufstieg in die Frauenklasse zu meistern, viel Erfahrung zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Mein Traum ist sicher auch, in Zukunft große Rennen zu gewinnen und einmal in der Eliteklasse Straßenweltmeisterin zu werden, das motiviert mich auch in längeren Trainingsphasen immer wieder dran zu bleiben“, schaut sie selbstbewusst nach vorn. 

Dabei hat sie auch den Blick für eine Zukunft nach dem Radsport im Auge, nimmt Ende September ein Fernstudium in Richtung Sportwissenschaft auf, um später im Sport bleiben zu können. Für Hobbys bleibt bei alledem nicht allzu viel Zeit, aber sie ist gern in den Bergen unterwegs und entspannt auch mal bei einem guten Buch. 

Aber nicht nur durch Linda Riedmann sind die Aussichten für den BDR für die Zukunft eher rosig. Im Einzelzeitfahren ihrer Altersklasse über 22,4 km gab es bereits am ersten Tag der Europameisterschaften eine nicht unbedingt erwartete Silbermedaille durch Antonia Niedermaier, die nur der Russin Alena Ivanchenko den Vortritt lassen musste. Auch der gute 7. Platz von Selma Lantzsch konnte überzeugen und alle drei unterstrichen dann auch im Straßenrennen ihre gute Form, wo Antonia Niedermaier Platz 15 und Selma Lantzsch Platz 21 belegten. Auf dem schweren Rundkurs über 67,6 km beendeten nur 32 Fahrerinnen das Rennen, die restlichen 58 Juniorinnen gaben am Ende auf.

Das Einzelzeitfahren der Junioren endete mit einem Doppelsieg der Belgier, als Alec Segaert den im nächsten Jahr für das World Team BORA-hansgrohe fahrenden Cian Uijtdebroeks mit fünf Sekunden Rückstand distanzierte. Die beiden Deutschen Emil Herzog (8.) und Moritz Kärsten (10.) landeten auf durchaus guten Top Ten-Plätzen unter insgesamt 52 Startern. Acht Nationen hatten zum Abschluss des ersten Tages den Mixed Relay in Angriff genommen, den die starken Italiener mit Filippo Ganna an der Spitze vor der deutschen Mannschaft gewannen, die bei den Frauen auf Lisa Brennauer und Lisa Klein verzichteten. Die drei Männer Miguel Heidemann, Justin Wolf und Max Walscheid legten mit Platz zwei gut vor, bevor Corinna Lechner, Mieke Kröger und Tanja Erath die Silbermedaille schließlich ins Ziel brachten und mit durchaus bemerkenswerter Leistung die starken Niederländerinnen auf Rang drei verwiesen. 

Eine weitere Silbermedaille im Einzelzeitfahren errang Hannah Ludwig in der Klasse U 23 hinter der Italienerin Vittoria Guazzini und auch die Bronzemedaille von Lisa Brennauer sowie der hervorragende   4. Platz von Lisa Klein in der Eliteklasse der Frauen konnten mehr als überzeugen. Gegen die Schweizerin Marlen Reusser als neue Europameisterin und auch die Niederländerin Ellen van Dijk war allerdings kein Kraut gewachsen. In der männlichen Klasse U 23 triumphierte der Däne Johan Price Pejtersen und auch hier boten die deutschen Teilnehmer sehr gute Leistungen. Den undankbaren vierten Platz belegte Michel Heßmann und auf Platz 10 landete der Berliner Maurice Ballerstedt, der laut eigenen Angaben vor der Europameisterschaft ein wenig krank war. „Ich war deswegen schon beim Zeitfahren nicht bei 100% und beim Straßenrennen, das der Belgier Thibau Nys gewann, hatte ich einen schlechten Tag und musste aufgeben“, bedauerte der Berliner die so nicht optimale Vorbereitung. „Bei der Weltmeisterschaft werde ich auf jeden Fall wieder gesund am Start stehen und das Beste herausholen“, gab er sich anschließend optimistisch.

Höhepunkt der Wettbewerbe im Einzelzeitfahren war das Rennen der Männer, die sich einen messerscharfen Kampf lieferten. Der Schweizer Stefan Küng als Titelverteidiger zählte zu den Favoriten, aber mit dem Belgier Remco Evenepoel (Europameister 2019), dem Italiener Filippo Ganna (Weltmeister 2020) und seinem Landsmann Stefan Bissegger besaß er starke Konkurrenz. Am Ende war Stefan Küng erneut Europameister mit 8 Sekunden vor Filippo Ganna und 15 Sekunden vor Remco Evenepoel, wobei der Deutsche Max Walscheid mit nur 38 Sekunden Rückstand einen ausgezeichneten 5. Platz erreichte und auch die Leistung von Miguel Heidemann auf Platz 16 überzeugte. 

Für die Einzelzeitfahren und Straßenrennen war der Kurs für alle Kategorien identisch, mit Ausnahme der 70 Kilometer langen Anfahrtsschleife für das Straßenrennen der Profis am Schlusstag der Europameisterschaften. Der Kurs rund um Trento war 13,2 km lang und wies dabei 250 Höhenmeter pro Runde aus, wobei der Anstieg auf den Povo mit einer Länge von 3,6 km und einer durchschnittlichen Steigung von 4,7 Prozent zu absolvieren war. Ein keinesfalls zu unterschätzender Kurs, der sukzessiv zu vielen Ausfällen führte. 

Die Schwere des Kurses in den Straßenrennen führte dazu, dass die Rennen nahezu allesamt zu einem wahren Ausscheidungsrennen wurden. Für die deutschen Athletinnen gab es noch einen weiteren Achtungserfolg durch Liane Lippert im Eliterennen der Frauen, die ein sehr couragiertes Rennen ablieferte und hinter der neuen Europameisterin Ellen van Dijk aus den Niederlanden, die im Alleingang siegte, die Silbermedaille errang, als sie im Spurt einer siebenköpfigen Verfolgergruppe so starke Fahrerinnen wie Rasa Leleivyte aus Litauen, Katarzyna Niewiadoma aus Polen und Demi Vollering aus den Niederlanden distanzierte. „Es war die tolle Arbeit des Teams, das mich aus allem Trubel herausgehalten hat. Die Medaille bedeutet mir sehr viel“, war Liane Lippert überglücklich. 

Im Rennen der U23 der Frauen gab es für die Italiener durch Silvia Zanardi vor der Ungarin Kata Blanka Vas und der Französin Evita Muzic einen weiteren Erfolg mit guten Ergebnissen für die deutschen Teilnehmerinnen Franziska Koch (7.), Ricarda Bauernfeind (10.) und Hannah Ludwig (13.). Das Rennen der Junioren dominierten die Franzosen mit dem neuen Europameister Romain Gregoire und Lenny Martinez auf Platz drei, zwischen denen sich der Norweger Per Strand Hagenes gesellte, der Ende August die Gesamtwertung des Course de la Paix Juniors gewann. Im mit 10 Sekunden Rückstand folgenden Hauptfeld erreichten auch die Deutschen Emil Herzog, Moritz Kärsten und Luis-Joe Lührs auf den Plätzen 12, 13 und 23 das Ziel und enttäuschten dabei nicht. 

Super spannend verlief dann das Finale der Europameisterschaften mit dem Rennen der Profis. Die Siegesserie der Italiener, die seit 2018 jedes Jahr durch Matteo Trentin, Elia Viviani und Giacomo Nizzolo den Titel des Europameisters errangen, wurde durch Sonny Colbrelli fortgesetzt, der am Ende im Zweierspurt den superstarken Belgier Remco Evenepoel niederrang, bevor sich mit einem Rückstand von 1:30 Minuten der Franzose Benoit Cosnefroy als Bronzemedaillengewinner ins Ziel rettete. Nur 31 von insgesamt 149 gestarteten Fahrern erreichten das Ziel in einem äußerst kampfbetonten Rennen, das von Anfang an von vielen Ausreißversuchen geprägt war. In einer frühen, zwölfköpfigen Spitzengruppe fuhr auch der Deutsche Jonas Rapp, mit dem der Sportliche Leiter Jens Zemke durchaus zufrieden war. 

Rund 75 Kilometer vor dem Ziel, als man den Rundkurs erreicht hatte, schlossen alle Favoriten zur Spitze auf und von da an ging es Schlag auf Schlag. Am Ende blieben nur Remco Evenepoel, Sonny Colbrelli und Benoit Cosnefroy an der Spitze übrig, von denen der Franzose das Tempo nicht mehr mithielt und abreißen lassen musste. Der Belgier konnte den Italiener trotz starker Tempoarbeit nicht abschütteln und war ihm dann am Ende im Spurt unterlegen. Während die Tifosi ihren Europameister überschwänglich feierten, schmiss der Belgier sein Rennrad auf den Boden und kauerte enttäuscht in der jubelnden Menge. Aus deutscher Sicht beendete von acht gestarteten Fahrern lediglich Routinier Simon Geschke das Rennen, der mit seiner Leistung und Platz 16 mehr als zufrieden sein konnte, hatte er doch zur Rennhälfte ebenfalls nach vorne aufschließen können. „Es war ein brutales Rennen, das mit Vollgas gefahren wurde. Stark fuhren Simon Geschke und Jonas Rapp, als Entdeckung dieser Europameisterschaft aus deutscher Sicht“, war Jens Zemke keinesfalls enttäuscht.  

Für den BDR waren diese Europameisterschaften ein Hinweis dafür, dass es mit der Nachwuchsarbeit nach wie vor nicht schlecht bestellt ist. Einmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze war die Ausbeute für den BDR, der die kommenden Weltmeisterschaften mit Zuversicht angehen kann. Von den sechs errungenen Medaillen gingen immerhin die Hälfte auf das Konto der Nachwuchssportler, die darüber hinaus mit weiteren, guten Platzierungen aufwarteten. 

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill / frontalvision

   

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