Zum Abschluss siegt Pascal Ackermann - Die UCI Worldtour 2020 wird vom Coronavirus dominiert

Zum Abschluss siegt Pascal Ackermann - Die UCI Worldtour 2020 wird vom Coronavirus dominiert

 
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Mit einem deutschen Etappensieg durch Pascal Ackermann von BORA-hansgrohe endete die 75. Vuelta ciclista a Espana, deren Gesamtwertung erneut der slowenische Vorjahressieger Primoz Roglic vom Team Jumbo-Visma gewann. Während Pascal Ackermann im Massenspurt um Zentimeter den Iren Sam Bennett von Deceuninck-Quick Step niederrang und auch die deutschen Fahrer vom Team Sunweb, Max Kanter und Jasha Sütterlin, mit den Plätzen 3 und 5 auf dem letzten Abschnitt überzeugten, war auch der Vorsprung von Primoz Roglic am Ende mit nur 24 Sekunden (!) auf seinen schärfsten Widersacher Richard Carapaz aus Ecuador vom Team INEOS Grenadiers äußerst gering. Eine spannende, gleich von Beginn an sehr schwere Spanien-Rundfahrt, ging spektakulär zu Ende, nachdem Richard Carapaz auf der vorletzten Etappe zum Alto de la Covatilla alles versucht hatte, um Primoz Roglic noch die Führung in der Gesamtwertung abzujagen. Aber 21 Sekunden Vorsprung von Richard Carapaz auf den Slowenen reichten nicht mehr zum erneuten Führungswechsel. 

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Damit endete eine Saison, die für alle Beteiligten der professionellen Radsportszene eine enorme Herausforderung darstellte. Die weltweit grassierende Corona Pandemie hat ja nahezu alle Bereiche des Lebens beeinflusst und auch vor dem Sport insgesamt nicht halt gemacht. Am Anfang konnte keiner ahnen, dass 2020 ein ganz spezielles Jahr werden wird und so war auch der Radsport in höchstem Maße davon betroffen. Aber Hochachtung für den Radsportweltverband und auch für alle Organisatoren, die es möglich machten, dass zumindest die wichtigsten Rennen dennoch durchgeführt werden konnten. Nach den bis zum 15. März ausgetragenen ersten fünf Rennen der Worldtour mit dem überzeugenden Sieg des Berliners Maximilian Schachmann von BORA-hansgrohe bei Paris-Nizza kam der Profiradsport zum Erliegen, aber die UCI als Weltverband blieb nicht tatenlos, als sie umgehend einen neuen Terminkalender veröffentlichte, der auf die Corona Pandemie abgestimmt war.

Aber auch die neue Planung musste kurz über lang überarbeitet werden, denn weitere Rennen vielen der immer stärker sich ausbreitenden Pandemie zum Opfer. Doch wenigstens die wichtigste Rundfahrt des Jahres, die Tour de France, konnte gerettet werden und gab damit der Profiszene ein ganz entscheidendes Signal. Die meisten Sponsoren hielten in der misslichen Lage den Profiteams die Treue, was durchaus nicht selbstverständlich und zu erwarten war. Einzig das CCC Team gab schon relativ früh und auch nicht nur wegen der Pandemie bekannt, sich in der nächsten Saison aus dem Profiradsport zurückzuziehen. Da auch der Giro d’Italia und die Vuelta ciclista a Espana zur Austragung kamen und darüber hinaus noch zahlreiche Klassiker wie Strade Bianche, Mailand-San Remo, Lombardei-Rundfahrt, Fleche Wallonne, Lüttich-Bastogne-Lüttich, Gent-Wevelgem und die Flandern-Rundfahrt stattfanden, kam der Profiradsport noch mit einem blauen Auge davon. Die Polen-Rundfahrt, das Criterium du Dauphine, Tirreno-Adriatico und die BinckBank Tour als Rundfahrten über fünf bis acht Etappen sorgten ebenfalls für noch wichtige Renneinsätze im Rahmen eines gewaltig abgespeckten Rennkalenders.

In diesem Jahr fielen einige Dinge besonders auf: einerseits drängte der Nachwuchs immer stärker in den Vordergrund und setzte in Person des 20-jährigen Belgiers Remco Evenepoel von Deceuninck-Quick Step erste Akzente, als er die Vuelta a San Juan und die Volta ao Algarve in der Gesamtwertung gewann und gleich nach der Wiederaufnahme der Rennen Ende Juli mit der Vuelta a Burgos und der Polen-Rundfahrt zwei weitere kleinere Rundfahrten als Sieger beendete. Mitte August folgte dann das vorzeitige Aus für den jungen Belgier, als er bei der Lombardei-Rundfahrt böse stürzte und einen Beckenbruch erlitt. Auch der Berliner Maximilian Schachmann stürzte in diesem Rennen und brach sich dabei das Schlüsselbein, ungeachtet dessen er das Rennen auf einem ausgezeichneten 7. Platz noch zu Ende fuhr. 

Zwei weitere junge Fahrer wie Tadej Pogacar aus Slowenien vom UAE-Team Emirates und Marc Hirschi aus der Schweiz vom Team Sunweb, beide gerade 22 Jahre alt, machten von sich reden: der Slowene gewann fast sensationell die Tour de France, als er seinen Landsmann Primoz Roglic beim Bergzeitfahren über 36,2 km am vorletzten Tag von Lure nach La Planche des Belles Filles noch das Führungstrikot aus den Händen riss. 57 Sekunden Vorsprung reichten Primoz Roglic nicht, um seine Spitzenposition zu verteidigen, denn der wie entfesselt fahrende Tadej Pogacar hatte beim Zeitfahren bemerkenswerte 1:56 Minuten auf seinen Landsmann herausgefahren und somit mit 59 Sekunden Vorsprung vor der Schlussetappe die Gesamtführung übernommen. Die harte Arbeit seines Teams Jumbo-Visma während der gesamten drei Wochen hatte sich für Primoz Roglic nicht gelohnt, er lobte sein Team zwar für die ausgezeichnete Arbeit, aber er konnte auch seine Enttäuschung über den entgangenen Sieg nicht verbergen. Sportlich fair aber beglückwünschte er seinen ärgsten Widersacher zu seinem Erfolg, der wiederum am Ende der Rundfahrt in seinem UAE-Team Emirates fast allein auf sich gestellt war. Darüber hinaus war die Ausbeute von Tadej Pogacar bei dieser Tour auch mit dem Gewinn der Bergwertung und der Wertung des besten Nachwuchsfahrers kaum zu übertreffen, wozu noch drei Etappensiege hinzukamen. 

Auch für Marc Hirschi brachte die Tour de France den Durchbruch, als er die 12. Etappe über 218 km von Chauvigny nach Sarran im Alleingang gewann, nachdem er bereits auf der 2. Etappe in Nizza hinter dem Franzosen Julian Alaphilippe von Deceuninck-Quick Step, dem späteren Straßenweltmeister von Imola, einen ausgezeichneten zweiten Platz belegt hatte. Ein weiterer dritter Platz auf der 9. Etappe, der 4. Platz zum Abschluss in der Bergwertung und der 8. Platz in der Nachwuchswertung unterstrichen die guten Leistungen des Schweizers, der angriffslustig unterwegs war und mit seiner Fahrweise in Zukunft weiter für Furore sorgen sollte.

Andererseits fiel auf, dass diese verkürzte Saison wesentlich umkämpfter war als zuvor. Es wurde teilweise mit Haken und Ösen gekämpft, insbesondere bei flachen Etappen bzw. Rennen, die für die Sprinter im Feld vorprogrammiert waren. Die Folge waren schwere Stürze, die zum Teil zu erheblichen Verletzungen führten. Offensichtlich war es u.a. übersteigerter Ehrgeiz oder auch die Tatsache, dass bei den wenigen Rennen jeder noch etwas vom Kuchen abhaben wollte. Aber eine Fahrweise wie zum Beispiel vom Niederländer Dylan Groenewegen vom Team Jumbo-Visma, der seinen Landsmann Fabio Jakobsen von Deceuninck-Quick Step, der zum Sieger der 1. Etappe der Polen-Rundfahrt nachträglich erklärt wurde, am Ende dieser Etappe in die Absperrgitter drängte, ist schon fast als kriminell zu bezeichnen. Während sich Dylan Groenewegen auch selbst dabei verletzte und disqualifiziert wurde, waren die Blessuren für Fabio Jakobsen von weitaus größerer Tragweite. „Ich hatte Angst, nicht zu überleben. Es war eine schwierige Zeit auf der Intensivstation“, war die erste Stellungnahme des Niederländers, der sich bei Ärzten und Pfleger bedankte, die sein Leben gerettet haben. Einer ersten fünfstündigen Operation mit anschließendem künstlichen Koma folgten weitere Operationen und Behandlungen, um die Gesichtsverletzungen zu beheben. Seine Zeit der Regeneration wird noch Monate in Anspruch nehmen, wir hoffen aber, dass der hoffnungsvolle, erst 24-jährige Niederländer seine Karriere fortsetzen kann. 

Wenn es darum geht, ein Fazit unter diese Saison zu ziehen, dann darf auch ein Rennfahrer nicht fehlen, der nicht nur mit Siegen beim Strade Bianche und bei Mailand-San Remo auf sich aufmerksam gemacht hat: der frühere dreimalige Cross-Weltmeister (2016-2018) Wout van Aert aus Belgien vom Team Jumbo-Visma hat auch bei Rundfahrten seine Klasse mehrfach unter Beweis gestellt. Nachdem er 2019 bei der Tour de France im Mannschaftszeitfahren zum siegreichen Team gehörte, errang er auf der 10. Etappe im finalen Sprint gegen die komplette Sprintelite um Elia Viviani, Caleb Ewan, Michael Matthews und Peter Sagan einen spektakulären Sieg, bevor er sturzbedingt auf der 13. Etappe die Rundfahrt verlassen musste. Die Tour verlief in diesem Jahr für ihn nahezu sensationell, in der er als belgischer Meister im Einzelzeitfahren zum zweimaligen Etappensieger avancierte und sogar in den Bergen hervorragende Teamarbeit leistete. Mit toller Form fuhr er zur Weltmeisterschaft nach Imola, wo er im Einzelzeitfahren Silber hinter dem überragenden Italiener Filippo Ganna holte und auch im Straßenrennen hinter Julian Alaphilippe den zweiten Platz belegte. Einen dritten Ehrenplatz gab es für Wout van Aert bei der Flandern-Rundfahrt, als er dem starken Niederländer Mathieu van der Poel den Vortritt lassen musste, der seinerseits vorher auch die BinckBank Tour dominiert hatte. 

Nachdem sich Primoz Roglic von seiner schmerzlichen Niederlage bei der Tour erholt hatte, trumpfte der ehemalige Skispringer beim Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich auf, als er aus einer fünfköpfigen Spitzengruppe vor Marc Hirschi und Tadej Pogacar siegreich war. Danach hielt er sich noch bei der Spanien-Rundfahrt schadlos und so liegt er am Ende der Saison in der Weltrangliste auf Platz 1 vor  Tadej Pogacar und Wout van Aert. Auf Platz 9 in dieser Rangliste befindet sich der Franzose Arnaud Demare von Groupama-FDJ, der wiederum die meisten Siege in dieser Saison erzielt hat. Insgesamt 14 Mal stand er auf dem obersten Treppchen des Podiums, wobei er allein vier Etappen und die Punktwertung beim Giro d’Italia gewann. Der französische Straßenmeister gewann außerdem das Eintagesrennen Mailand-Turin vor Caleb Ewan von Lotto Soudal und Wout van Aert und siegte sogar bei den zwei kleineren Rundfahrten Tour de Wallonie und der Tour Poitou-Charentes. In der Weltrangliste auf Platz 14 liegt Maximilian Schachmann und auch Pascal Ackermann auf Platz 19 ist hier hervorragend platziert, zumal er auch mit acht Siegen und ebenso vielen zweiten Plätzen glänzen konnte. Aus deutscher Sicht boten auch der Berliner Simon Geschke von CCC Team auf Platz 57 der Weltrangliste und Drittplatzierter der Santos Tour Down Under und Lennard Kämna von BORA-hansgrohe auf Rang 66 unmittelbar vor John Degenkolb von Lotto Soudal in dieser Saison starke Leistungen. So sorgte Lennard Kämna mit seinem Sieg auf der 16. Etappe der Tour de France für ein absolutes Highlight, nachdem er schon auf der 13. Etappe als Zweiter ins Ziel kam. 

Mit dem 24-jährigen Kolumbianer Daniel Felipe Martinez von EF Pro Cycling als Gesamtsieger des Criterium du Dauphine und vor allem mit den beiden erstplatzierten Fahrern des Giro d‘Italia, dem Briten Tao Geoghegan Hart von INEOS Grenadiers und dem Australier Jai Hindley vom Team Sunweb, haben sich weitere Fahrer ins Rampenlicht geschoben, die in der Zukunft noch zu beachten sein werden. Mit 25 bzw. 24 Jahren haben beide ihren Karrierehöhepunkt noch längst nicht erreicht und können in den nächsten Jahren als starke Rundfahrer der großen Konkurrenz einiges Kopfzerbrechen bereiten. Ihr spannender Zweikampf, der erst beim abschließenden Einzelzeitfahren zugunsten des Briten entschieden wurde, ließ am Ende nach 21 Etappen lediglich 39 Sekunden Zeitdifferenz über Sieg und Niederlage entscheiden.

Die Radsportszene hat die Corona Pandemie insgesamt ganz gut in den Griff bekommen, die Hygienekonzepte wurden recht konsequent durchgesetzt, so dass vor allem unter den Rennfahrern relativ wenig positive Fälle aufgetreten sind. Auch die Zuschauer am Rande der großen Rundfahrten – natürlich weit weniger als in den letzten Jahren – zeigten sich sehr diszipliniert und hielten die verschärften Regeln überwiegend konsequent ein. So ging eine außergewöhnliche Saison zu Ende, die sich hoffentlich in dieser Form so schnell nicht wiederholt, wenngleich die Rennen allesamt hart umkämpft und teils spektakulär waren. Die Radsportfans konnten sich zumindest vor den Bildschirmen sicher fühlen und ihrem Lieblingssport viel Schönes abgewinnen.

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill / frontalvision.com, James Startt, Mario Stiehl

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Rundfahrt
  • Straßenrennen

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