Maximilian Levy holt zweimal Gold und hält in Plovdiv die deutsche Fahne hoch

Maximilian Levy holt zweimal Gold und hält in Plovdiv die deutsche Fahne hoch

 
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Die diesjährigen Europameisterschaften der Elite Frauen und Männer im Bahnradsport, die im bulgarischen Plovdiv vom 11. bis 15. November zur Austragung kamen, standen wie alle Sportveranstaltungen in diesem ganz speziellen Jahr unter dem Einfluss der weltweiten Corona Pandemie. Etliche Nationen wie Belgien, die Niederlande, Dänemark oder Frankreich inklusive der Nationalmannschaft des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) blieben der Veranstaltung fern und wollten sich den Unwägbarkeiten der Pandemie nicht aussetzen. Das hatte natürlich sehr abgespeckte Teilnehmerfelder zur Folge, aber dennoch waren so starke Nationen wie Großbritannien, Tschechien, Italien, Polen, der Schweiz, Spanien und vor allem Russland am Start, die vor leider leeren Zuschauerrängen sich dennoch äußerst spannende Wettkämpfe lieferten.

Die Organisation dieser Veranstaltung war perfekt, es wurde sehr auf die Einhaltung der Hygienevorschriften geachtet, das von den Bulgaren entwickelte Konzept war gut und durchaus nachahmenswert. So wurden u.a. auch ständig die vielen Handläufe desinfiziert, an denen sich die Athleten bei Startaufstellungen festhalten mussten. Die Veranstalter mit ihrem wunderschönen Velodrom waren zufrieden, zumal auch die schnelle Piste keine Wünsche offen ließ. Einzig schade für die Gastgeber, dass die bulgarischen Fahrer ohne Medaille blieben und mehr oder weniger Zaungäste waren, aber dennoch für die Zukunft hier viel gelernt haben dürften.


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Aus deutscher Sicht bemerkenswert war die Teilnahme von Maximilian Levy, der als einziger Athlet keiner Fördergruppe angehört und deshalb mit einer Sondergenehmigung an den Start gehen konnte. 15 Jahre nach seiner ersten Teilnahme als Junior bei einer Europameisterschaft war er genauso motiviert wie bei all seinen Wettkämpfen zuvor, in denen er u.a. drei olympische Medaillen und nicht weniger als vier Weltmeister- und fünf Europameistertitel gewann. Mit seinem Teamchef vom Team TheedProjekt Michael Hübner und einem Physiotherapeuten machte er sich auf den Weg nach Plovdiv ins Risikogebiet Bulgarien, um dort einen guten Abschluss für das eher verlorene Jahr zu finden. Alles in eigener Verantwortung, aber auch unter Einhaltung aller Vorgaben des europäischen Radsportverbands, denn als dreifacher Familienvater wollte er keinerlei Risiko eingehen. 

„Er hat sehr gut trainiert, viel Krafttraining gemacht und dabei für sein Alter sehr gute Werte erzielt“, meinte Eyk Pokorny, der Maximilian Levy auch hier in Plovdiv betreute. Wie gut, das zeigte der 33-jährige, in Berlin geborene Cottbuser bei seinen beiden Auftritten bei dieser Europameisterschaft. Sowohl im Sprint, wo er mit 9,672 Sekunden in der Qualifikation nur seinem stärksten Widersacher Denis Dmitriev (9,642 Sekunden) aus Russland knapp den Vortritt lassen musste und damit direkt ins Achtelfinale kam, als auch im Keirin zeigte sich seine enorme mentale Stärke, mit der er seine Pläne taktisch perfekt umsetzte. Souverän gewann er im Sprintviertelfinale gegen den Tschechen Jakub Stastny beide Läufe, ebenso wie im Halbfinale gegen Vasilijus Lendel aus Litauen. Im Finale um Gold konnte auch Denis Dmitriev dem hochmotivierten Cottbuser nicht das Wasser reichen und unterlag ebenfalls in nur zwei Läufen. 

Im Keirin dominierte er den ersten von drei Läufen in der ersten Runde, während der Tscheche Tomas Babek und Denis Dmitriev die beiden anderen gewannen. Im Semifinale siegte er im ersten Lauf vor dem Russen Alexander Sharapov und dem Griechen Sotirios Bretas, während der mitfavorisierte Tomas Babek als Vierter des zweiten, von Denis Dmitriev gewonnenen Laufes, nur das kleine Finale um Platz 7 erreichte. Klasse dann die Leistung von Maximilian Levy im Endlauf, wo er aus führender Position mit enormer Übersicht Denis Dmitriev keine Chance ließ. Dass Sotirios Bretas  insgesamt zweimal Bronze (Teamsprint und Keirin) holte, zeigte auch die enorme Entwicklung in Griechenland auf, die der Bahnradsport dort vollzogen hat. 


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Diese speziellen Europameisterschaften haben aber etliche Fahrer hervorgebracht, mit denen in Zukunft auch bei weitaus stärkerer Besetzung zu rechnen sein wird. Da ist der Brite Matthew Walls als neuer Europameister im Ausscheidungsfahren und Omnium zu nennen, der im kommenden Jahr im deutschen Topteam BORA-hansgrohe an den Start gehen wird. Ein weiterer Titel für ihn lag im Bereich des Möglichen, als er im Madison mit seinem Partner Oliver Wood in Führung liegend durch einen Sturz das Rennen aufgeben musste. Stark waren auch drei Fahrer aus Portugal, die sich in Plovdiv in hervorragender Form präsentierten. Der 22-jährige Iuri Leitao holte sich hier einen ganzen Satz von Medaillen, als er Gold im Scratch holte, Silber im Ausscheidungsfahren gewann und darüber hinaus noch Bronze im Omnium errang. 

Was für eine bemerkenswerte Ausbeute, die seine Landsleute, die Zwillingsbrüder Ivo und Rui Oliveira noch erhöhten. Die beiden brachten eine ganz ausgezeichnete Form von der Vuelta ciclista a Espana mit, wo sie beide für das UAE-Team Emirates im Einsatz waren. So wurde Ivo Oliveira Europameister in der Einzelverfolgung vor den ebenfalls äußerst starken Jonathan Milan aus Italien und Lev Gonov aus Russland und holte sich außerdem Silber im Madison gemeinsam mit Rui Oliveira, als sie nur den Spaniern Albert Torres/Sebastian Mora den Vortritt ließen. 

Sowohl die Portugiesen als auch die Spanier unterstrichen einmal mehr die Stärken von Fahrern, die auf der Strasse in Teams der Worldtour unterwegs sind. Auch die beim Movistar Team unter Vertrag stehenden Spanier hatten eine optimale Vorbereitung mit Starts im Oktober beim Giro d’Italia (Torres) bzw. bei den belgischen Klassikern Gent-Wevelgem, Flandern-Rundfahrt und dem Driedaagse Brugge-De Panne (Mora), aus denen sie eine starke Form mit nach Plovdiv brachten. Im Madison demonstrierten die Spanier mit eindrucksvoller Fahrweise ihr Können auch ohne Rundengewinn, gewannen nicht weniger als sechs Wertungsspurts, die sie alle aus führender Position durch enorme Tempoverschärfung siegreich gestalteten. 

Am Ende hatten sie 51 Punkte auf ihrem Konto, während die Portugiesen mit dem einzigen Rundengewinn nur auf 43 Punkte kamen, da sie in den Wertungsspurts vor allem in der ersten Hälfte des Rennens fast leer ausgingen. „Nach meiner ersten Grand Tour in Italien bin ich hochmotiviert zur Europameisterschaft gefahren, meine Form war gut, nur die Spritzigkeit fehlte ein wenig“, bekannte Albert Torres, der in Zukunft sich mehr der Strasse widmen und Bahnrennen nur noch nebenbei fahren will. „Die Vorteile, wenn man bei einem Strassenteam der obersten Liga fährt, sind schon gewaltig und spezifisches Intervalltraining steigert ebenfalls die Leistung“, fuhr der Spanier fort, der in Plovdiv zum dritten Mal Europameister im Madison wurde.  

Es gab etliche Lichtblicke bei dieser Europameisterschaft, wozu auch der Rumäne Daniel Crista gehörte, der sich die Bronzemedaille im Punkterennen holte und nur dem seinen zweiten Titel einfahrenden Sebastian Mora sowie dem Italiener Matteo Donega den Vortritt lassen musste. Ein junges Team schickten auch die Schweizer um Claudio Imhof ins Rennen, die mit Nobodys wie Simon Vitzthum, Lukas Rüegg und Dominik Bieler in der Mannschaftsverfolgung Bronze in tollen 3:55,051 Minuten gewannen. Bemerkenswert dabei, dass Simon Vitzthum aus dem Bereich Mountainbike kommt, 2019 Schweizer Bergmeister und im gleichen Jahr auch Schweizer Meister im Ausscheidungsfahren auf der Bahn wurde. 

In den Mannschaftsdisziplinen Teamsprint und Verfolgung dominierten bei den Männern die Russen, die mit großem Aufgebot bei diesen Europameisterschaften antraten. Das galt bei den Frauen auch für den Teamsprint, wo die erfahrenen Anastasiia Voinova und Daria Shmeleva mit Natalia Antonova und Ekaterina Rogovaya den Titel holten. Im Sprint feierten die beiden Erstgenannten noch einen Doppelsieg und darüber hinaus war Daria Shmeleva die Schnellste im 500m Zeitfahren mit starken 32,720 Sekunden, wo sie Anastasiia Voinova mit 33,719 Sekunden relativ deutlich auf den Silberrang verwies und das Sprintergebnis drehte. Im Keirin schafften es die beiden Russinnen überraschend nicht ins große Finale, das Olena Starikova aus der Ukraine gewann. 


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Apropos Frauen: auch hier gab es spannende Auseinandersetzungen im Kampf um die Medaillen und dabei lief es auf einen Zweikampf Großbritannien gegen Italien aus. Die Britin Elinor Barker holte sich zwei Titel im Ausscheidungsfahren und an der Seite von Laura Kenny, Katie Archibald, Neah Evans und Josie Knight in der Mannschaftsverfolgung. In der Einerverfolgung errang auch Neah Evans ihren zweiten Titel, ebenso wie auch Katie Archibald, die das Punktefahren siegreich beendete. Für Italien war Elisa Balsamo die überragende Fahrerin, die das Omnium dominierte und im Madison mit Vittoria Guazzini den Europameistertitel einfuhr, so dass die etwas überraschenden Russinnen Diana Klimova/Maria Novolodskaya als Zweite und die favorisierten Britinnen Laura Kenny/Elinor Barker auf Platz drei am Ende das Nachsehen hatten. Stark auch die Italienerinnen Martina Fidanza, die das Scratchrennen gewann, Rachele Barbieri, die im Ausscheidungsfahren ebenso Silber errang wie auch Silvia Zanardi im Punktefahren und Martina Alzini in der Einerverfolgung, wo auch Silvia Valsecchi mit Bronze ein weiteres Zeichen setzte. 

Ohne Medaille blieben die Österreicher mit dem gebürtigen Berliner Andreas Müller, der mit seinen fast 41 Jahren noch Platz 8 im Ausscheidungsfahren und jeweils Platz 12 im Omnium und Scratch erreichte und damit im Bereich seiner Möglichkeiten blieb. Im Madison ging er dieses Jahr nicht an den Start, sondern machte seinen Platz an der Seite von Andreas Graf frei für Stefan Matzner, die mit dem 7. Platz nicht enttäuschten. Andreas Müller fungiert seit einiger Zeit als Koordinator in der österreichischen Nationalmannschaft und sorgt somit auch dafür, dass der Nachwuchs an die Spitze herangeführt wird. Ein in Berlin bestens bekannter Tomas Babek aus Tschechien triumphierte im 1km Zeitfahren und holte sich seinen zweiten Europameistertitel, nachdem er im Jahre 2016 im Keirin schon erfolgreich gewesen war. Mit seinen 33 Jahren gab der erfahrene Tscheche den mit jeweils 20 Jahren wesentlich jüngeren Briten Ethan Vernon und Jonathan Milan das Nachsehen. 

Im Medaillenspiegel war Großbritannien mit sechs Gold-, drei Silber- und zwei Bronzemedaillen die erfolgreichste Nation vor Russland (5/5/3) und Italien (3/7/4), während die Ausbeute des BDR mit zwei Goldmedaillen durch nur einen Teilnehmer optimal war. Maximilian Levy sei Dank, der als Vorzeigeathlet wie so oft starke Leistungen ablieferte und vor dem man nur den Hut ziehen kann. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass diese uns alle so einschränkende Pandemie bald ein Ende haben wird und vielleicht schon im nächsten Jahr bei internationalen Meisterschaften wieder größere Starterfelder zu verzeichnen sind. 

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill / frontalvision.com

 

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Bahnradsport

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