Julian Alaphilippe krönt seine Karriere mit Weltmeistertitel

Julian Alaphilippe krönt seine Karriere mit Weltmeistertitel

 
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Wie in all den Jahren zuvor bildete das Straßenrennen der Profis über stattliche 258,2 km am Sonntag den Höhepunkt und Abschluss der Titelkämpfe von Imola mit einem mehr als verdienten Sieger. Der für seine Husarenritte bekannte Franzose Julian Alaphilippe bewies einmal mehr seine Stärke auf so einem schweren Terrain und setzte an der letzten Steigung etwa 12 km vor dem Ziel eine Attacke, der keiner aus der zu diesem Zeitpunkt noch 25-köpfigen Führungsgruppe mehr folgen konnte. Eine fünf Fahrer starke Gruppe erreichte mit 24 Sekunden Rückstand das Ziel, aus der der Belgier Wout van Aert die Silbermedaille vor dem jungen Schweizer Marc Hirschi erspurtete. „Ich bin überglücklich und danke meiner Mannschaft für die Unterstützung. Ich habe damit meine Karriere gekrönt, es ist ein Traum“, sprudelte es nach dem Rennen aus dem Franzosen heraus. 

Es war eine stark abgespeckte Straßen-Weltmeisterschaft im Radsport, die der italienische Verband in Imola veranstaltete, nachdem die Schweizer Orte Aigle und Martigny dem Weltverband UCI  eine Absage aufgrund der Corona Pandemie erteilt hatten. Die Italiener hatten daraufhin  den Zuschlag zur Ausrichtung erhalten, wobei sich der Schwierigkeitsgrad der Strecken durchaus mit dem in der Schweiz messen konnte. Der größte Unterschied war der Zeitraum von nur vier Tagen und die damit verbundene Reduzierung der Rennen, worunter leider der so wichtige Radsport-Nachwuchs und auch das Mixed-Teamzeitfahren zu leiden hatten. So waren es mit den Einzelzeitfahren und den Straßenrennen der Frauen und Männer lediglich vier statt der zuletzt elf Rennen, die zur Austragung kamen und es so gab es trotz insgesamt starker Leistungen der deutschen Fahrer für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) dieses Mal keine einzige Medaille.


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Das, was letztlich blieb, war eine Weltmeisterschaft für Kletterer, denn auch der Rundkurs in Imola mit seinen 28,8 Kilometern, der von den Frauen 5x und von den Männern 9x zu absolvieren war, hatte es in sich. Mit Start und Ziel auf der früheren Formel-1-Rennstrecke galt es in jeder Runde die zwei schweren Steigungen Mazzolano und Cima Gallisterna von durchschnittlich 7 % bis maximal rund 15 % zu bewältigen. Für die Einzelzeitfahren auf einem Rollerkurs über jeweils 31,7 Kilometer mit nur 200 Höhenmetern war eine andere Strecke vorgesehen. 

Im Einzelzeitfahren und im Straßenrennen der Frauen gab es mit der Niederländerin Anna van der Breggen eine Doppel-Weltmeisterin. Sie mag vielleicht beim Einzelzeitfahren vom bösen Sturz der zu diesem Zeitpunkt in Führung liegenden US-Amerikanerin Chloe Dygert etwas profitiert haben, aber an ihrem Sieg vor der starken Schweizerin Marlen Reusser und der Niederländerin Ellen van Dijk gab es nichts auszusetzen, zumal sie sich in bestechender Form hier in Italien präsentierte. Der Erfolg beim Giro d’Italia vor einer Woche hatte ihren Siegeshunger für diese Weltmeisterschaften schon angedeutet und wurde dann auch noch beim Straßenrennen unterstrichen. Als eine mit über zwei Minuten Vorsprung führende Gruppe u.a. mit der Deutschen Meisterin Lisa Brennauer etwa 43 km vor dem Ziel wieder gestellt wurde, attackierte unmittelbar danach die Titelverteidigerin Annemiek van Vleuten aus den Niederlanden, die trotz ihres beim Giro erlittenen Bruch des Handgelenks am Start war und sich ebenfalls ausgezeichnet in Szene setzen konnte. Ihr folgten bei dem Ausreißversuch zunächst Anna van der Breggen, die Italienerin Elisa Longo Borghini und die Dänin Cecilie Uttrup Ludwig, später dann auch noch die Britin Elizabeth Deignan. 

Dann war es Anna van der Breggen, die 41 km vor Schluss eine unwiderstehliche Attacke setzte, den Vorsprung bis ins Ziel auf 1:20 Minuten ausbaute und ihren zweiten WM-Titel vor Annemiek van Vleuten und Elisa Longo Borghini errang. In der Verfolgergruppe, die 2:01 Minuten verlor, belegte als beste Deutsche die junge Liane Lippert einen hervorragenden fünften Platz hinter Marianne Vos, die damit die niederländische Dominanz bei den Frauen einmal mehr bestätigte. Der 9. Platz der starken Lisa Brennauer, die den Spurt des Hauptfeldes gewann, unterstrich die überragende Form der Deutschen, die schon im Einzelzeitfahren mit dem undankbaren 4. Platz überzeugt hatte. Dort hatte auch Mieke Kröger mit dem 8. Platz eine gute Leistung gezeigt, die dann beim schweren Straßenrennen, wo sie für die aus gesundheitlichen Gründen indisponierte Lisa Klein zum Einsatz kam,  keine Chance hatte und abgeschlagen das Ziel erreichte. Vielleicht wäre hier sogar die Newcomerin und starke Bergfahrerin Nadine Michaela Gill eine Alternative gewesen?!

Das Einzelzeitfahren der Männer sah etliche Favoriten am Start, vom Titelverteidiger Rohan Dennis aus Australien bis zu Wout van Aert oder den starken Schweizer Stefan Küng. Während der Australier als Weltmeister von 2018 und 2019 seinen angestrebten Hattrick verfehlte, war es der Italiener Filippo Ganna, der vor heimischen Publikum wie entfesselt fuhr und am Ende 26 Sekunden schneller als Wout van Aert war und Stefan Küng als Drittplatzierten 29 Sekunden abnahm. Es war der erste italienische WM-Titel im Einzelzeitfahren seit 1994 überhaupt, wobei Filippo Ganna schon viermal auf der Bahn Weltmeister in der Einerverfolgung  geworden war. Die beiden deutschen Teilnehmer Jasha Sütterlin auf Platz 16 und Max Walscheid, der kurzfristig für den erkrankten Nikias Arndt eingesprungen war, auf Platz 19 enttäuschten in keiner Weise in dem Feld der 56 Starter.

Das gilt auch für das gesamte deutsche Team beim Straßenrennen, das mit dem gebürtigen Berliner Maximilian Schachmann als Spitzenfahrer angetreten war. Sie fuhren ein taktisch hervorragendes Rennen, hatten mit Jonas Koch einen Mann in der frühen 7-köpfigen Spitzengruppe, die zeitweise über einen Vorsprung von über sechs Minuten verfügte. Aus dieser Gruppe blieben der Norweger Torstein Traeen und eben Jonas Koch übrig, die als letzte Fahrer etwa 70 Kilometer vor dem Ziel eingeholt wurden, nachdem sie über 180 km in Front lagen. Nachdem Toursieger Tadej Pogacar aus Slowenien nach einem Radwechsel 42 km vor dem Ziel sogar attackierte und bis zu 25 Sekunden Vorsprung herausfuhr, begann das Finale, das die Spreu vom Weizen trennte. Der Niederländer Tom Dumoulin stellte den Slowenen und weitere Attacken der Italiener Damiano Caruso und Vincenzo NIbali folgten. 

An der Spitze blieben 25 Fahrer übrig, darunter auch noch Simon Geschke, der mit einem beherzten Vorstoß seinem Teamgefährten Maximilian Schachmann den Weg ebnen wollte. Am Ende fehlte Maximilian Schachmann beim Vorstoß von Julian Alaphilippe  die Kraft zum Nachsetzen, aber der letztlich 9. Platz und auch der 17. Platz von Simon Geschke unter den 174 Startern unterstrichen die gute Vorstellung der deutschen Mannschaft, die taktisch sich lange im Hintergrund hielt, um zum Schluss bei der Entscheidung dabei zu sein. „Mir haben nicht die Körner gefehlt, vielmehr waren es die Beine, die zugemacht haben. Ich habe dann den Anschluss ganz nach vorn verloren, dennoch haben wir einen guten Job gemacht“, hatte sich Maximilian Schachmann schon ein wenig mehr erhofft. Auch Simon Geschke fuhr sehr stark und bewies seine gute Form, mit der er aus der Tour kam. „Ich bin mit dem Rennen zufrieden, auch wenn es am Ende nicht ganz gereicht hat. Es war ein superschweres Rennen, wir waren im Finale in guter Position und müssen uns keinen Vorwurf machen“, bekannte Simon Geschke später. Sie hatten insgesamt gut taktiert und konnten dabei auch auf gute Unterstützung von John Degenkolb setzen, der ebenso wie Jonas Koch das Ziel nicht erreichte. 

Insgesamt konnten die Organisatoren mit der Austragung der WM zufrieden sein, die aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen im Hinblick auf die Corona Pandemie eine echte Herausforderung darstellte. Im Gegensatz zur gerade beendeten Tour de France musste man aber leider beobachten, dass sich im Zuschauerbereich nicht alle an die Maßnahmen mit Mund- und Nasenschutz hielten. Man kann nur hoffen, dass beim Giro d’Italia Anfang Oktober das Publikum sich mehr Disziplin auferlegt.

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

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Rennbericht
Radrennen-Art:
  • UCI-Rennen

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