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Deutsche Frauenpower bei der Bahn-Europameisterschaft in Apeldoorn

 
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Schon nach den ersten beiden Tagen der Bahn-Europameisterschaften im niederländischen Apeldoorn hatten die Athleten des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in den bis dato acht ausgetragenen Wettbewerben zwei Silbermedaillen errungen. Bei da noch insgesamt 14 ausstehenden Disziplinen konnte man davon ausgehen, dass diese Bilanz um einiges gesteigert werden kann. Aber schon zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass das vermeintlich schwache Geschlecht der Frauen den sonst so erfolgreichen Männern in Sachen Medaillen den Rang ablaufen würde.

Nach dem jüngsten Rücktritt von Miriam Welte, die jahrelang mit ihrer kongenialen Partnerin Kristina Vogel nicht nur den Teamsprint international mitbestimmt hatte, und dem Fehlen von Pauline Sophie Grabosch, sind aber mit Lea Sophie Friedrich und Emma Hinze zwei Kurzzeitathletinnen in die Bresche gesprungen, die sich in Apeldoorn im Teamsprint nur den Favoritinnen aus Russland mit Anastasiia Voinova und Daria Shmeleva geschlagen geben mussten. Nach Bestzeit in der Qualifikation und dem Sieg in der 1. Runde gegen Italien hatten sie das Finale erreicht, in dem sie gegen die russischen Titelverteidigerinnen unterlegen waren. Für Emma Hinze, im Vorjahr Dritte mit Miriam Welte, gab es nun an der Seite der jungen Lea Sophie Friedrich sogar Silber, eine Steigerung, die für den Sprint und Keirin noch einiges erwarten ließ. 

Die tolle Leistung im Teamsprint unterstrich dann vor allem in den folgenden Tagen die erst 19-jährige Lea Sophie Friedrich mit einer weiteren Silbermedaille im Keirin hinter der Französin Mathilde Gros und einer Bronzemedaille im Sprint hinter der Russin Anastasiia Voinova sowie der Ukrainerin Olena Starikova, als sie im Kampf um Bronze Emma Hinze niederrang. Dazu landete Lea Sophie Friedrich hinter Anastasiia Voinova, deren Landsmännin Daria Shmeleva und Olena Starikova im 500 m Zeitfahren auf einem guten vierten Platz, der für die Zukunft noch einiges an Potenzial bietet. Wenn man dann noch eine Welt- und Europameisterin bei den Juniorinnen wie Alessa-Catriona Pröpster in der Hinterhand für künftige Einsätze bei den Frauen hat, dann braucht sich der BDR im weiblichen Kurzzeitbereich zukünftig nur wenig Sorgen zu machen. 

Das gilt derzeit auch für den Ausdauerbereich der Frauen, die in der Einzelverfolgung über 3.000 m durch Lisa Brennauer und Franziska Brauße dominierten. Zunächst hatte Lisa Brennauer mit 3:23,401 Minuten in der Qualifikation Bestzeit gefahren und einen neuen deutschen Rekord aufgestellt, während im Finale um Gold die 20-jährige Franziska Brauße sich steigerte und mit 3:25,002 Minuten zum Europameistertitel fuhr und Lisa Brennauer mit 3:26,190 Minuten hinter sich ließ. Nur Bronze ging hierbei an die Mitfavoritin Katie Archibald aus Großbritannien, die sich mit dem Titel in der Mannschaftsverfolgung an der Seite von Eleanor Dickinson, Neah Evans und Laura Kenny im Finale schadlos hielt und das starke deutsche Team mit Franziska Brauße, Lisa Brennauer, Lisa Klein und Gudrun Stock auf den Silberrang verwies. Diese hatten in der Qualifikation über 4.000 m als Zweite eine Zeit von 4:18,567 Minuten erzielt, die sie in der 1. Runde mit Bestzeit auf 4:16,328 Minuten steigerten und damit zweimal den Deutschen Rekord verbesserten. 

In den übrigen Disziplinen wie Omnium, immerhin Platz 9 für Gudrun Stock, Punkterennen und Scratch durch Charlotte Becker und im Madison durch Franziska Brauße/Lisa Klein war man eher chancenlos, während im Ausscheidungsfahren sogar keine deutsche Starterin dabei war. 

Die Männer des BDR hatten in diesem Jahr im Kurzzeitbereich nach dem Ausfall von Stefan Bötticher und Joachim Eilers keine Chance auf Edelmetall, nachdem sie im Vorjahr immerhin vier Medaillen errangen. Im Sprint kam Maximilian Dörnbach bis ins Achtelfinale, im Keirin schaffte es der nachnominierte Maximilian Levy ins kleine Finale und erreichte Platz neun und scheiterte im Teamsprint an der Seite von Marc Jurczyk und Eric Engler im Kampf um Bronze an Frankreich, während Marc Jurczyk mit Platz fünf im 1.000 m Zeitfahren mit einer Zeit von 1:00,733 Minuten  zufrieden sein musste. Der neue Europameister heißt Quentin Lafargue aus Frankreich und dessen Zeit von 1:00,289 Minuten war eigentlich nur unwesentlich schneller, was die Dichte in der Spitze dieser Disziplin unterstreicht. Ein Lob an dieser Stelle noch an Routinier Maximilian Levy, auf den immer Verlass ist, auch wenn er dieses Mal nicht in die Medaillenränge fahren konnte.

An den letzten beiden Tagen konnten dann auch die deutschen Männer nach Edelmetall greifen als in der Einzelverfolgung über 4.000 m Domenic Weinstein Silber holte und dem Franzosen Corentin Ermenault knapp unterlag sowie Felix Groß im Kampf um Bronze den Schweizer Stefan Bissegger hauchdünn niederrang. Dazu kam eine aufgrund äußerst starker Konkurrenz nicht unbedingt erwartete Bronzemedaille im Madison durch Theo Reinhardt/Maximilian Beyer, die nur von den Dänen Lasse Norman Hansen/Michael Mörköv und den Niederländern Yoeri Havik/Jan-Willem van Schip distanziert wurden. An der Seite des Weltmeisters Theo Reinhardt steigerte sich auch der zuvor im Omnium (14.), Scratch (9.) und Ausscheidungsfahren (10.) eher blasse Maximilian Beyer erheblich und profitierte dabei von der Erfahrung seines starken Partners. 

Dagegen erreichte die deutsche Auswahl in der Mannschaftsverfolgung als Vierte der Qualifikation mit Felix Groß, Theo Reinhardt, Leon Rohde und Nils Schomber am Ende nur Platz fünf, obwohl sie mit Domenic Weinstein anstelle von Leon Rohde, der im Punkterennen sogar aufgab, in der 1. Runde mit einer Zeit von 3:53,974 Minuten einen neuen deutschen Rekord erzielt hatten, aber in ihrem Lauf den späteren Europameistern aus Dänemark, die 3:48,762 Minuten erzielten, klar unterlegen waren. Ob man mit diesem Team im nächsten Jahr in die Medaillenränge bei den Weltmeisterschaften bzw. den Olympischen Spielen fahren kann, scheint nahezu ausgeschlossen, zumal zu der starken europäischen Konkurrenz aus Dänemark, Großbritannien, Italien und der Schweiz dann noch die Australier, Neuseeländer oder Kanadier hinzukommen. Die internationale Spitze ist breiter aufgestellt und derart eng beieinander, dass zukünftig nur noch Zeiten um 3:45 Minuten für Medaillenränge in Frage kommen werden. 

Abschließend stellt sich durchaus die Frage, warum z.B. ein Maximilian Beyer an vier (!) Wettbewerben teilnehmen musste, um drei Mal im abgeschlagenen Feld zu landen. Wenn man doch zum Beispiel einen Moritz Malcharek im Omnium oder Scratch eingesetzt hätte, wäre mit aller Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis herausgekommen. Als aktueller U23-Europameister im Scratch und Dritter im Omnium wäre er allemal eine Alternative gewesen, zumal er mit Platz 23 in der Weltrangliste Scratch mit 919 Punkten und vor allem Platz 10 im Omnium Ranking nicht weniger als 1.885 Punkte eingefahren und damit den Startplatz bei Olympia für den BDR gesichert hat. Allein diese Tatsache und die Leistungssteigerung des gebürtigen Berliners insgesamt in diesem Jahr hätte zu einem Start bei der EM berechtigt und dazu noch Maximilian Beyer entlastet, dem man mit der Vielzahl der Starts in Apeldoorn mit Sicherheit keinen Gefallen getan hat. 

Insgesamt hat der BDR mit einer Gold-, fünf Silber- und drei Bronzemedaillen noch einigermaßen zufriedenstellend abgeschnitten, aber nach Platz drei im Medaillenspiegel des Vorjahres in diesem Jahr nur Platz 7 belegt. Dominierend wie im Vorjahr waren wieder die gastgebenden Niederländer mit 13 Medaillen, darunter fünfmal Gold und je viermal Silber und Bronze. Der Ausrichter konnte mit dieser gut organisierten Europameisterschaft sehr zufrieden sein, ein straffes Programm und gute Stimmung auf den Zuschauerrängen trugen zum Gelingen dieser Veranstaltung bei.

Bericht: Bernd Mülle     

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)             

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Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Bahnradsport

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