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Mads Pedersen: Erster dänischer Profi-Weltmeister im Straßenrennen

 
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War das ein Abschluss der Straßenweltmeisterschaften in Yorkshire/Großbritannien! Das finale Rennen der Profis versank förmlich im Regen, dazu Kälte und Wind, das alles machte daraus ein Ausscheidungsfahren, bei dem nur 46 (!) der 195 gestarteten Rennfahrer aus 42 Nationen das Ziel erreichten. Der Ukrainer Mark Padun und der Südafrikaner Jay Robert Thomson hatten es daher offensichtlich vorgezogen, bei diesem miserablen Wetter erst gar nicht an den Start zu gehen. Deshalb erst einmal ein großes Lob an alle, die dieses äußerst harte Rennen beendeten, das letztlich keiner der vermeintlichen Favoriten sondern der krasse Außenseiter Mads Pedersen aus Dänemark gewann, der sich damit als erster Däne in die lange Liste der seit 1927 ermittelten Straßenweltmeister der Profis einreihte.

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Aufgrund des schlechten Wetters hatte der Radsportweltverband UCI die Strecke des Profirennens um 23,5 km auf 261,8 km verkürzt und dazu verlegte man den Start in Leeds um 20 Minuten nach hinten. Es war ein Vorteil für die vielen Zuschauer an der Rundstrecke rund um Harrogate, denn die 13,83 km lange Runde wurde nun neunmal statt siebenmal absolviert, wobei die erste Zielpassage 45 km früher erfolgte. Damit wurden einige Passagen gemieden, die vollends nach den starken Regenfällen unter Wasser standen und eine zu große Gefahr für die Fahrer bedeutet hätten. Es war bemerkenswert, wie sich das Rennen entwickelte und so zum absoluten Highlight dieser Weltmeisterschaften wurde, auch wenn die anderen Rennen durchaus Spektakuläres zu bieten hatten.

Zunächst gab eine elfköpfige Spitzengruppe mit namhaften Fahrern wie Primoz Roglic aus Slowenien, Richard Carapaz aus Ecuador, Nairo Quintana aus Kolumbien und auch dem Deutschen Jonas Koch den Ton an, die einen Vorsprung von maximal 4:30 Minuten herausfuhr. Aber bereits auf der ersten Runde um Harrogate wurden sie gestellt und dann gab es diverse Ausfälle von zum Teil hoch gehandelten Favoriten wie Philippe Gilbert aus Belgien, der gestürzt war und auch mit Hilfe seines jungen Landsmannes Remco Evenepoel den Anschluss an das Feld nicht wieder herstellen konnte, sowie des Titelverteidigers Alejandro Valverde aus Spanien, die alle drei vorzeitig ausstiegen. Dann war es der US-Amerikaner Lawson Craddock, der anfangs der fünften Runde angriff und wenig später Gesellschaft des Schweizers Stefan Küng erhielt, der ein bravouröses Rennen lieferte und bis zum Schluss noch alle Möglichkeiten besaß, den WM-Titel zu holen.

Lawson Craddock fiel ebenso zurück wie der kurzfristig vorn auftauchende Mike Teunissen aus den Niederlanden, dafür war der Däne Mads Pedersen zu Stefan Küng aufgefahren, zu denen die Italiener Gianni Moscon und Matteo Trentin sowie Topfavorit Mathieu van der Poel aus den Niederlanden noch aufschlossen. Es schien zu diesem Zeitpunkt so, als ob der Niederländer die besten Karten auf den Gewinn des Titels besaß, aber als es in die letzte Runde ging, brach er völlig ein, musste abreißen lassen und landete am Ende mit fast 11 Minuten Rückstand auf Platz 43. Als auch Gianni Moscon, der aber Platz vier noch rettete, zurückfiel, waren die Medaillen bei einem Vorsprung der drei Führenden von rund einer Minute auf die weiteren Verfolger schon vergeben. Man hätte dem Schweizer den Sieg gegönnt, war er doch am längsten in Führung liegend, aber gegen einen sprintstarken Matteo Trentin schien er chancenlos. Dass dann letztlich aber der erst 23-jährige Däne Mads Pedersen als neuer Weltmeister vor Matteo Trentin und Stefan Küng über die Ziellinie fuhr, damit hatten wohl die wenigsten gerechnet und so kommentierte der Däne überglücklich: „Man muss fit, den ganzen Tag konzentriert sein und am Ende auf das Beste hoffen“.

Von den acht für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gestarteten Fahrern beendeten mit John Degenkolb und Nils Politt nur zwei das mörderische Rennen, die mit den Plätzen 15 und 19 vorliebnehmen mussten. Insbesondere Nils Politt hatte sich mit einem Ausreißversuch einmal in Szene gesetzt und dann mit seiner kraftvollen Fahrweise sich in der Nachführarbeit für John Degenkolb eingesetzt. Ihr Rückstand von nur etwas mehr als einer Minute unterstrich ihre starke Leistung, ließen sie doch u.a. Fahrer wie den Australier Michael Matthews (24.) oder den Franzosen Julian Alaphilippe (28.) hinter sich. 

Wo war eigentlich Lorena Wiebes?

Diese Frage mussten sich Kenner der Szene stellen, als im Wettbewerb der Frauen die Niederlande als einzige Nation mit acht Fahrerinnen am Start waren, aber die in dieser Saison überragende Lorena Wiebes fehlte, obwohl sie gerade noch Platz zwei bei der Boels Ladies Tour hinter der Luxemburgerin Christine Majerus belegt hatte. Da sie in der vorläufigen Starterliste aufgeführt war, konnte eigentlich nur ein krankheitsbedingter Ausfall der Grund für die endgültige Nichtteilnahme sein, hatte sie doch in dieser Saison als neuer Shootingstar nicht weniger als 15 (!) Siege, darunter die nationale Meisterschaft im Straßenrennen herausgefahren und dabei im Spurt Marianne Vos distanziert. Darüber hinaus liegt sie in diversen Weltranglisten vorn, umso unverständlicher erscheint vor allem auch die Tatsache, dass sie als niederländische Meisterin in Yorkshire nicht zum Einsatz kam. Bei aller Klasse des niederländischen Frauenradsports hat hier der Verband eine merkwürdige Entscheidung getroffen, die kaum nachvollziehbar ist.

Am Ende aber waren sie alle trotzdem glücklich, hatten sie doch durch eine souveräne Annemiek van Vleuten und Anna van der Breggen einen Doppelsieg für die Niederlande errungen, der keine Diskussionen mehr um Lorena Wiebes aufkommen ließ. Die bereits 36-jährige Annemiek van Vleuten hatte mit einem veritablen Ausreißversuch rund 100 (!) Kilometer vor dem Ziel für ein Ausrufezeichen gesorgt und schaffte es am Ende tatsächlich, diesen Alleingang zum Weltmeistertitel zu vollenden. Die Verfolger hatten gegen die wie entfesselt fahrende Niederländerin keine Chance, sie baute ihren Vorsprung sukzessive aus und hatte am Ende 2:15 Minuten gegen ihre Landsmännin Anna van der Breggen herausgefahren, die sich die Silbermedaille sicherte. Bronze ging an die Australierin Amanda Spratt, die Anna van der Breggen zum Schluss ziehen lassen musste und mit weiteren 13 Sekunden Rückstand ins Ziel kam. Stark fuhr auch die Weltmeisterin im Einzelzeitfahren Chloe Dygert-Owen aus den USA, die den vierten Platz vor der Italienerin Elisa Longo Borghini belegte, während die große Verfolgergruppe mit einem Rückstand von 5:20 Minuten von der Niederländerin Marianne Vos als Sechste angeführt wurde. In dieser Gruppe belegte als beste Deutsche Lisa Brennauer einen guten 9. Platz und sorgte damit für den einzigen Top Ten Platz des BDR in den Straßenrennen.

Für Clara Koppenburg und Lisa Klein blieben am Ende Platz 48 und 49 übrig, während Liane Lippert auf Platz 66 landete und die erst 19-jährige Franziska Koch auf Platz 70 das Rennen ebenfalls couragiert zu Ende fuhr. Dabei fuhr Clara Koppenburg lange in einer achtköpfigen Verfolgergruppe, zu der außer Anna van der Breggen, Chloe Dygert-Owen, Amanda Spratt und Elisa Longo Borghini noch die Dänin Cecilie Uttrup Ludwig, die Britin Elizabeth Deignan und mit Soraya Paladin eine zweite Italienerin gehörten. Die Frauen hatten am Samstag bei ihrem Rennen über 149,4 km großes Glück mit dem Wetter gehabt, denn durchgehend blauer Himmel und Sonnenschein sorgten für reguläre Bedingungen, die in diesen Tagen nur selten anzutreffen waren. Insgesamt 88 der gestarteten 151 Fahrerinnen aus 49 Nationen beendeten das Rennen und als einzige Deutsche hatte nur Kathrin Hammes vorzeitig aufgegeben.

Beim Nachwuchs dominieren die USA

Bei den Junioren und Juniorinnen gab es jeweils Siege für die Athleten der USA, die durch Quinn Simmons und Megan Jastrab die Weltmeistertitel errangen. Während die zu den Favoritinnen zählende Megan Jastrab nach 86 km im Spurt einer fünfköpfigen Spitzengruppe gegen die Belgierin Julie de Wilde und die Niederländerin Lieke Nooijen erfolgreich war, siegte ihr Landsmann beim Rennen der   Junioren über 148,1 km im Alleingang über 33 km mit 56 Sekunden Vorsprung vor dem Italiener Alessio Martinelli. Unter vier Fahrern, die mit einem Rückstand von 1:33 Minuten um die Bronzemedaille kämpften, war es mit Magnus Sheffield ein weiterer US-Amerikaner, der sich schließlich mit Bronze schmücken durfte. 

In beiden Rennen blieben die Deutschen zwar ohne vordere Platzierung, aber sie hatten jeweils durchaus Akzente setzen können. Bei dem Rennen der Junioren, die noch nie eine so lange Distanz bei einer Weltmeisterschaft hatten bewältigen müssen, herrschte typisches Aprilwetter mit Regenschauer und Wind, so dass Stürze nicht ausblieben. In einer ersten Fluchtgruppe war vom BDR Michel Heßmann vertreten und später waren die Deutschen an der Nachführarbeit neben den Italienern beteiligt. Mehrfach versuchte auch Marco Brenner sich vom Verfolgerfeld zu lösen, aber man wusste um seine Stärken und ließ ihn nicht davonziehen. Am Ende war er bester Deutscher auf Platz 14 vor Georg Steinhauser (18.), Hannes Wilksch (29.) und Michel Heßmann (70.), die zu den 72 Fahrern gehörten, die ins Ziel kamen.   

Bei den Juniorinnen bot die deutsche Nationalmannschaft trotz am Ende eher enttäuschender Platzierungen eine ansprechende Leistung in einem relativ ereignisarmen Rennen. Insbesondere die Berlinerin Paula Leonhardt zeigte sich anfangs immer wieder an der Spitze des Feldes und hinterließ  dabei einen starken Eindruck. Die bestplatzierte Deutsche war schließlich Friederike Stern auf Platz 42 vor Lucy Mayrhofer, die auf dem 53. Platz landete. Für die hoffnungsvolle Paula Leonhardt, die später an einem Anstieg abreißen lassen musste, blieb nur Platz 79 im Ziel übrig, das 91 der gestarteten 95 Teilnehmerinnen erreichten. Begleitet wurde das Rennen von diversen Stürzen, denen u.a. die Europameisterin Ilse Pluimers aus den Niederlanden zum Opfer fiel und auch deren Landsmännin Femke Gerritse musste aus diesen Gründen ihre berechtigten Medaillenhoffnungen begraben.

Eklat beim Rennen der U 23

Mit einem bitteren Beigeschmack endete die Straßenweltmeisterschaft der Klasse U 23, als der Niederländer Nils Eekhoff als Erster über die Ziellinie sprintete, um dann nachträglich noch disqualifiziert zu werden. Was war geschehen? Er war schon zu Anfang zu Fall gekommen und ließ sich offensichtlich zu lange von einem Begleitauto ziehen, um wieder den Anschluss zu finden. Da bleibt die Frage, ob man den Niederländer nicht gleich hätte suspendieren sollen, um nicht erst am Ziel eine für alle Beteiligten unbefriedigende Situation zu schaffen. 

Das Rennen selbst wurde erneut von Regenschauern begleitet und deshalb vorsorglich um 13,8 km auf 173 km verkürzt, so dass nur zwei statt drei Zielrunden absolviert wurden. Zunächst waren es 13 Fahrer in einer Spitzengruppe, darunter auch der Deutsche Patrick Haller, die dann aber etwa 50 km vor dem Ziel an einer Steigung und bei starkem Seitenwind zerrissen wurde. Es waren nur noch wenige Sekunden, als nach 144 km eine verbliebene Gruppe von vier Fahrern zur ersten Zielpassage gelangte. Der Vorsprung schmolz weiter und dann bildeten 25 Fahrer die neue Spitzengruppe, aus der verschiedene Attacken  noch zu keiner Vorentscheidung führten. Mit dabei waren auch die Deutschen Georg Zimmermann und Jonas Rutsch, die aber schließlich sieben Fahrer ziehen lassen mussten, die dann den Sieg unter sich ausmachten. Der Niederländer Nils Eekhoff war im Spurt der Schnellste vor dem Italiener Samuele Battistella, dem Schweizer Stefan Bissegger und dem Briten Thomas Pidcock  und jubelte als der neue Weltmeister in dieser Altersklasse. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße, als die Disqualifikation bekanntgegeben wurde: Weltmeister wird Samuele Battistella, Silber für Stefan Bissegger und Bronze für Thomas Pidcock hieß das endgültige Ergebnis, das nicht nur für Nils Eekhoff niederschmetternd war, sondern auch bei Journalisten und Zuschauern für einiges Unverständnis sorgte. 

Für die insgesamt stark fahrende, etwas unter Wert geschlagene, deutsche Mannschaft erreichte Georg Zimmermann als Bester Rang 12 vor Jonas Rutsch, der 15. wurde. Beide hatten mit 38 bzw. 40 Sekunden Rückstand bis zum Schluss noch reelle Medaillenchancen, während die übrigen drei Fahrer Leon Heinschke (44.), Patrick Haller (47.) und Miguel Heidemann (51.) größere Rückstände aufwiesen, aber alle komplett das Ziel erreichten. Insgesamt beendeten 113 der gestarteten 158 Fahrer das Rennen, was die durchaus gute Leistung des deutschen Teams auch unterstreicht.   

Es war nicht alles Gold was glänzte und dafür muss sich die UCI einiges an Kritik gefallen lassen. Die kaum nachzuvollziehende Disqualifikation des Niederländers war ein Kritikpunkt und auch einige Profis äußerten sich negativ über das Verbot des Funkverkehrs während des Rennens, zumal die UCI ihrerseits sich mit Informationen an die Rennfahrer zurückhielt. Dennoch war trotz überwiegend widriger Wetterverhältnisse diese Weltmeisterschaft geprägt durch große Zuschauermassen und fast ausschließlich spektakulärer Wettkämpfe, die an Spannung nichts zu wünschen übrig ließen. Für den BDR war mit jeweils einer Silber- und Bronzemedaille die Ausbeute in diesem Jahr etwas mager, aber dennoch hat sich das Team insgesamt gut verkauft. Mit drei Goldmedaillen wird der Medaillenspiegel von den USA angeführt, gefolgt von den Niederlanden, Italien und Dänemark, die jeweils zweimal Gold holten. 

„Wir haben zwar nur zwei Medaillen gewonnen, aber uns dennoch insgesamt gut verkauft. Die Stimmung im gesamten Team war gut, was sich besonders bei der Mixed-Staffel zeigte, als die Männer die angestrebte Medaille schon verbockt hatten und sich später bei den Frauen bedankten, die Silber noch aus dem Feuer rissen, in einer Disziplin, die meines Erachtens Zukunft hat. Unsere jungen Fahrer sind die Rennen vielleicht etwas zu forsch angegangen, so dass ihnen am Ende die Kräfte ausgingen. Aber Athleten wie Marco Brenner, Luca Dreßler, Lucy Mayrhofer oder Paula Leonhardt gehören alle noch zum jüngeren Jahrgang und können im nächsten Jahr erneut bei den Junioren starten. Stark auch der Auftritt der Deutschen bei der U 23 mit den Plätzen 12 und 15, wo alle fünf Fahrer das Ziel erreichten und leider etwas unter Wert geschlagen wurden“, zog der Vizepräsident Vertragssport, Erik Weispfennig, ein zufriedenes Fazit.

Bericht: Bernd Mülle      

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)            

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