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Regen und Stürze beeinflussen Zeitfahr-WM in Yorkshire

 
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Am vergangenen Sonntag begannen die Straßenweltmeisterschaften in Yorkshire/Großbritannien mit einem Wettbewerb, den es so noch nie gegeben hatte. Bei typisch britischen, regnerischen Wetter nahmen am Teamzeitfahren über 27,6 km, erstmals bei einer Weltmeisterschaft als Mixed-Staffel ausgetragen, nach dem Rückzug der Russen zehn Nationen teil, wobei ein sogenanntes CMC-Team des UCI World Cycling Center das Feld komplettierte. Dieses aus  Nachwuchsathleten zusammengestellte Team aus aller Welt wurde zwar Letzter, aber die bunt gemixte Mannschaft aus sechs Nationen konnte sich damit weltweit präsentieren und allein diese Tatsache war für die jungen Sportler-/innen ein Highlight.

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Neben den favorisierten Niederländern galten vor allem die Fahrer-/innen des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) auf dem 13,8 km langen Rundkurs als aussichtsreiche Kandidaten für eine Medaille. Zunächst mussten die Männer ran, denen die Frauen folgten, wobei jeweils die ersten zwei am Ziel gewertet wurden. Während die Niederlande mit 23 Sekunden Vorsprung souverän zum Titel fuhren, retteten die deutschen Frauen nach einer grandiosen Leistung von Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger Silber für den BDR, nachdem die Männer um Tony Martin, Nils Politt und Jasha Sütterlin zur Halbzeit nur auf Platz fünf mit 33 Sekunden Rückstand lagen. Die Bronzemedaille ging mit 51 Sekunden Zeitverlust an Großbritannien, die hauchdünn die Nase vor den Italienern hatten.

Es folgten insgesamt fünf Einzelzeitfahren von Montag bis Mittwoch und hier gab es bei den Junioren über 27,6 km eine weitere Medaille für den BDR durch den erst 17-jährigen Marco Brenner, der Bronze hinter dem Italiener Antonio Tiberi und dem Niederländer Enzo Leijnse gewann, während auch Michel Heßmann als Fünfter eine starke Leistung bot. Die Bedingungen waren bei abgetrockneten Straßen und angenehmen Temperaturen besser als am ersten Tag, aber nicht unbedingt für den späteren Weltmeister. Der Italiener hatte zu Beginn Probleme mit dem Tretlager, musste mit einer Ersatzmaschine das Rennen fortsetzen und hatte dabei etliche Sekunden verloren. Umso größer am Ende sein Erfolg, den er mit bravouröser Aufholjagd von zunächst Platz 25 bei der ersten Zwischenzeit über Platz 6 und 4 auf den letzten sieben Kilometern realisierte. Zur Halbzeit hatte noch Marco Brenner geführt, während Michel Heßmann konstant bei allen Zwischenzeiten und im Ziel den fünften Platz hielt.

Die Juniorinnen hatten zuvor 13,7 km zurückzulegen und auch hier erlitt die spätere Weltmeisterin Aigul Gareeva aus Russland ein kleines Missgeschick, als sie kurz vor dem Ziel geradeaus fahren wollte anstatt rechts abzubiegen. Der Zeitverlust war mit etwa fünf Sekunden nicht allzu groß, so dass sie knapp vier Sekunden Vorsprung vor der Europameisterin Shirin van Anrooij aus den Niederlanden und 11 Sekunden vor der Britin Elynor Backstedt ins Ziel rettete. Für die am Renntag noch erst 16-jährige (!) Berlinerin Paula Leonhardt reichte es zu einem guten 17. Platz unter den 50 Starterinnen und auch die zweite deutsche Teilnehmerin Lucy Mayrhofer auf Rang 21 enttäuschte nicht, wenngleich sie nach guter Zwischenzeit als 13. noch einige Plätze preisgeben musste. 

Spektakulär verlief das Einzelzeitfahren der Klasse U 23 über 30,3 km, das mit dem Sieg des Dänen Mikkel Bjerg nach 40:20,42 Minuten endete, der damit zum dritten Mal hintereinander zum Weltmeistertitel fuhr. Es waren irreguläre Bedingungen bei strömenden Regen und riesigen Pfützen, die zu etlichen Stürzen führten. Somit spielte das Wetter entscheidend bei der Vergabe der Medaillen mit, aber dem Dänen schien das nichts auszumachen. In überragender Fahrweise schaffte er den Titel-Hattrick, im Gegensatz dazu kam sein Landsmann Johan Price-Pejtersen in einer tiefen Pfütze zu Fall und ging dabei nahezu baden. Die Silbermedaille ging an den US-Amerikaner Ian Garrison mit 26 Sekunden Rückstand, der seinen Landsmann Brandon McNulty knapp auf Platz drei verwies. Für die beiden deutschen Teilnehmer Miguel Heidemann und Juri Hollmann war es ein gebrauchter Tag, der mit den Plätzen 25 und 33 unter ihrem Leistungsniveau endete. 

Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gab es dann zwei äußerst souveräne Siege von der US-Amerikanerin Chloe Dygert-Owen und dem Australier Rohan Dennis, die sich offensichtlich wochenlang ganz speziell auf dieses Event vorbereitet hatten und der starken Konkurrenz überlegen das Nachsehen gaben. Für die 30,3 km benötigte Chloe Dygert-Owen 42:11,57 Minuten und distanzierte die auf den Plätzen zwei und drei folgenden Niederländerinnen Anna van der Breggen und Titelverteidigerin Annemiek van Vleuten mit 1:32 bzw. 1:53 Minuten Rückstand mehr als deutlich. Aufgrund des anhaltenden Regens hatte man den Start des Rennens verschoben, so dass trotz nicht abgetrockneter Strecke die Bedingungen etwas besser waren als zuvor für die Fahrer der Klasse U 23. Von der zweifachen Olympiasiegerin Kristin Armstrong trainiert, war die Amerikanerin bestens vorbereitet, obwohl im Vorfeld auf europäischer Ebene von ihr keine Ergebnisse vorlagen. Überragend war allerdings ihr Auftritt bei den Colorado Classic, wo sie alle vier Etappen gewann und darüber hinaus auch in allen Wertungen (Gesamt-, Punkt-, Nachwuchs- und Bergwertung) die Nase vorn hatte.

Chloe Dygert-Owen war als Junioren-Weltmeisterin des Jahres 2015 auf der Straße und beim Zeitfahren zwar keine Unbekannte, aber diese Leistung, als sie schon relativ früh zwei vor ihr gestartete Fahrerinnen, darunter auch die Deutsche Lisa Brennauer, wie entfesselt überholte, war mehr als beeindruckend. Unter den insgesamt 53 Platzierten reichte es für Lisa Brennauer dennoch zum 10. Platz mit einem Rückstand von 3:20 Minuten, während die zweite deutsche Teilnehmerin Lisa Klein einen starken fünften Platz mit 2:41 Minuten Rückstand herausfuhr. Dabei verfehlte sie nur um zwei Sekunden den 4. Platz, auf dem die 44-jährige US-Amerikanerin Amber Neben landete, die schon zweimal in den Jahren 2008 und 2016 den Titel gewonnen hatte. 

Bei den Männern dominierte der Australier Rohan Dennis, der die 54 km in 1:05:05,35 Stunden zurücklegte und dabei einen Schnitt von 49,778 km/h erzielte. Er wiederholte damit seinen Vorjahreserfolg, obwohl er seit seinem plötzlichen Ausstieg auf der 12. Etappe der Tour de France Mitte Juli kein Rennen mehr absolviert hatte. Er hatte sich voll auf die Titelverteidigung konzentriert und strafte damit all seinen Kritikern Lügen. Sein Vorsprung auf den jungen, 19-jährigen Shootingstar aus Belgien, Remco Evenepoel, der ebenfalls einen ganz starken Auftritt hinlegte, betrug 1:09 Minuten, wobei der Italiener Filippo Ganna als Gewinner der Bronzemedaille schon 1:55 Minuten Rückstand aufwies. Für den vierfachen Weltmeister Tony Martin aus Deutschland blieb am Ende Platz 9 mit einem Rückstand von 2:27 Minuten übrig, nachdem er bei der ersten Zwischenzeit noch auf Platz 5 lag. Dennoch war es eine gute Leistung von Tony Martin, ebenso wie vom zweiten deutschen Starter Nils Politt, der sich nach verhaltenem Beginn noch von Platz 31 auf den 22. Platz katapultierte. „Nach der nicht optimalen Vorbereitung bin ich positiv überrascht, dass es zu einer Top Ten-Platzierung gereicht hat“, war Tony Martin nicht enttäuscht. Auch Nils Politt war mit seinem Auftritt zufrieden und will am kommenden Sonntag seine zweite Chance im Straßenrennen wenn möglich nutzen.

Großes Pech hatte der in Berlin lebende und für die NRVg. Luisenstadt startende Syrer Nazir Jaser, für den der Start bei der Weltmeisterschaft zum sportlichen Highlight werden sollte. Die Platzierung war dabei nicht wichtig, aber dass er am Ende Vorletzter unter 57 Platzierten mit fast 25 Minuten Rückstand werden sollte, war auch nicht vorherzusehen. Dafür gab es aber einen nicht so schönen Grund, denn ein böser Sturz war letztlich ausschlaggebend für diese Platzierung. Platz 50 mit 3:16 Minuten Rückstand bei der ersten Zeitnahme lag durchaus im erwarteten Bereich, aber dann kam es bei 70 km/h in der Abfahrt zu einem folgenschweren Sturz. „Ich bin wegen eines Steins weggerutscht, danach gegen eine Mauer geflogen und auf einer Wiese gelandet. Ich war kurz ohnmächtig, wollte aber unbedingt weiterfahren und bin auf einem Ersatzrad mit starken Schmerzen ins Ziel gekommen. Danach kam ich zur Untersuchung ins Krankenhaus, wo u.a. vier Risswunden behandelt wurden, aber wenigstens nichts gebrochen war. Mir geht’s soweit gut“, gab uns der sympathische Syrer Auskunft über sein WM-Abenteuer. Wir wünschen ihm beste Genesung und hoffen, dass er seinen Start in Yorkshire dennoch nicht in allzu schlechter Erinnerung behält.

Bericht: Bernd Mülle      

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

 

Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • UCI-Rennen

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