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Weltmeisterliches Finale im Velodrom: Mit Roger Kluge und Theo Reinhardt gewinnen die Topfavoriten

 
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Das 108. Six Day Berlin gehört nun schon wieder der Vergangenheit an, aber bevor die letzten Sieger geehrt wurden, ging es noch einmal auf der 250 m Piste richtig zur Sache. Mit einem fulminanten Antritt von Roger Kluge 13 Runden vor dem Ende der 60-minütigen Schlussjagd rissen er und sein Partner Theo Reinhardt als die Topfavoriten den Sieg noch aus dem Feuer, nachdem die starken Dänen Marc Hester/Jesper Mörköv schon wie die Sieger aussahen. Als die beiden Berliner Lokalmatadoren sechs Runden vor Schluss den Rundengewinn vollendeten und alleinige Spitzenreiter waren, tobte die Halle vor Begeisterung. Es war ein würdiger Abschluss des Sechstagerennens, das an allen Tagen hervorragenden Sport bot und auch von den Zuschauern angenommen wurde. Die Halle war zwar beim Finale wieder nicht ausverkauft, aber die Veranstalter waren in dieser Hinsicht dennoch insgesamt zufrieden und kündigten am Ende bereits die Austragung im nächsten Jahr an.

Der Schlussabend begann zunächst mit drei Wettbewerben für den Nachwuchs und schon hier gab es spannende Auseinandersetzungen. Die Mädchen U 15/U 17 trugen ein 40 Runden Punktefahren aus, das Fabienne Jährig vom SC Berlin nach ihrem gestrigen Erfolg zwar nicht gewann, aber mit einem ausgezeichneten dritten Platz hinter den beiden Tschechinnen Dagmar Hejhalova und Patricie Müllerova dennoch den Gesamtsieg davontrug. Im internationalen Starterfeld war die Konkurrenz aus Tschechien und Dänemark nicht gerade gering, aber die Berlinerin zeigte einmal mehr ihre große Veranlagung und hielt die Gegnerinnen insgesamt in Schach. 

 

Außerordentlich spannend verlief auch das 50 Runden Punktefahren der Schüler U 15, als mit dem letzten Spurt der Greifswalder Tjark Bredenbeck den führenden Berliner Friedrich von Korff auf Platz zwei verdrängte, beide mit jeweils 125 Punkten in der Gesamtwertung. Eine beachtliche Leistung boten auch Yannick Schaffrath vom Berliner TSC und Hugo Rockstroh vom SC Berlin auf den Plätzen fünf und sechs unter 37 platzierten, von 45 gestarteten Fahrern. „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, das ich so nicht erwartet hatte. Über meinen Vater, der Langstrecken bevorzugt, bin ich zum Radsport gekommen und jetzt als 13-Jähriger in meinem zweiten Jahr. Ich fahre Bahn und Straße, wobei ich nicht unbedingt der Sprinter bin, aber hier hat es ganz gut geklappt in einigen Wertungsspurts“, gab der junge Mann vom SC Berlin zu Protokoll, der noch eine große Zukunft vor sich haben könnte. Der die 8. Klasse besuchende Schüler hat wenig Zeit für Hobbys, konzentriert sich voll auf den Radsport und will sich auf schulische bzw. berufliche Ziele noch nicht festlegen.

 

Der Abschluss des wieder einmal umfangreichen Nachwuchsprogramms war den Junioren vorbehalten, die ein Madison über 40 Minuten bestritten, das von den Deutschen Tim Torn Teutenberg/Luca Dreßler in überlegener Manier gewonnen wurde, als sie trotz klarer Führung nach Punkten noch eine zusätzliche Gewinnrunde herausfuhren. Es sah zunächst nach kontrollierter Offensive aus, wie sie das übrige Feld mit Übersicht unter Kontrolle hatten, bis sie gegen Ende des Rennens noch zum großen Schlag ausholten. Ein perfekt harmonierendes Paar, das in Zukunft gern im Madison noch gemeinsam für Furore sorgen möchte. Der gerade 17 Jahre alt gewordene Luca Dreßler vom RC Die Schwalben München fährt für das Team Auto Eder Bayern, das als offizielles Nachwuchsteam des Profirennstalls BORA- hansgrohe gilt, während der erst 16-jährige Tim Torn Teutenberg vom FC Lexxi Speedbike für das Team aus Nordrhein-Westfalen in der kommenden Strassensaison unterwegs sein wird. „Ich bin eigentlich der Vorbereiter im Rennen, während Tim Torn das bessere Auge hat. Wir ergänzen uns perfekt und wollen bei den Europa- und Weltmeisterschaften auch im Madison am Start sein“, war Luca Dreßler auch angetan von der tollen Atmosphäre hier bei den Six Day Berlin. Sein kongenialer Partner kommt aus einer Radsportfamilie, wo Vater Lars, Onkel Sven, Tante Ina- Yoko und Schwester Lea Lin bereits große Fußstapfen hinterlassen haben. Seine Schwester Lea Lin Teutenberg war ja bei diesen Six Days ebenfalls dabei und machte dort im Omnium der Frauen gegen geballte internationale Konkurrenz eine durchaus gute Figur. „Wir wollten den Zuschauern etwas bieten und der Angriff ist halt die beste Verteidigung“, gestand Tim Torn Teutenberg, der die 11. Klasse besucht, für Hobbys kaum Zeit hat und seine Zukunft im Radsport auf der Straße und der Bahn sieht. Für den einzigen Berliner in diesem Feld, Maurice Ballerstedt vom SC Berlin, der mit Tobias Buck-Gramcko von Tuspo Weende ein Team bildete, sprang am Ende ein sehr guter dritter Platz mit einer Runde Rückstand und 93 Punkten heraus, dabei nur einen winzigen Punkt hinter den rundengleichen Pierre-Pascal Keup/Nicolas Heinrich liegend. 

 

Ein Höhepunkt war dann einmal mehr der Sprinterkampf, der die auch am letzten Abend zahlreichen Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hinriß. Das wie immer spannende Rundenrekordfahren wurde eine Beute des Publikumslieblings Maximilian Levy, der mit 12,295 Sekunden die schnellste Zeit des gesamten Wettbewerbs realisierte, die von keinem seiner Gegner mehr zu kontern war. Das folgende Sprintfinale gegen den Russen Denis Dmitriev gewann er ebenfalls, während dessen Landsmann Shane Perkins im Keirin nicht zu schlagen war. Insgesamt feierte Maximilian Levy mit 288 Punkten einen souveränen Sieg vor Denis Dmitriev mit 245 Punkten und Shane Perkins, der es auf 231 Punkte brachte. „Ich bin einfach nur happy, dass ich noch vorne mitfahren kann“, war das kurze Statement von Maximilian Levy bei der abschließenden Pressekonferenz, der zum 8. Mal hier siegte und jetzt erst einmal eine Pause einlegen wird sowie kurzfristig auch erneuten Vaterfreuden entgegensieht. „Ich komme wieder“, gab er allen die richtige Antwort, die eventuell damit rechneten, dass sein Karriereende bevorsteht.

 

Die Steher kamen am Schlusstag auch noch einmal zu Wort, als der amtierende Europameister Franz Schiewer mit seinem Schrittmacher Gerd Gessler den Spieß vom Vortag umdrehte und vor dem Niederländer Reinier Honig mit René Kos und Daniel Harnisch mit Peter Bäuerlein nach 80 Runden die Nase im spannenden Duell vorn hatte. In der Gesamtwertung hatten alle drei Fahrer 4 Punkte aufzuweisen und somit hatte durch den Sieg am letzten Tag auch hier Franz Schiewer den ersten Platz belegt.

 

Nachdem in der ersten Jagd des Abends die allein führenden Wim Stroetinga/Robbe Ghys (Niederlande/Belgien) eine später sehr entscheidende Runde eingebüßt und die Österreicher Andreas Graf/Andreas Müller diese Jagd gewonnen hatten, lagen fünf Teams rundengleich vor dem großen Finale in Führung. Im Mannschaftszeitfahren über 500 m blieben die am Vortag Schnellsten Roger Kluge/Theo Reinhardt unangefochten an der Spitze und holten sich somit wichtige 30 Punkte für die Gesamtwertung. Gleiches schafften auch Wim Stroetinga/Robbe Ghys mit dem Sieg in der Mannschaftsausscheidung, während die Dänen Marc Hester/Jesper Mörköv die volle Punktzahl im 60 Runden Derny A-Finale erreichten und damit für die Finaljagd der Grundstein für knisternde Spannung gelegt wurde.

Zunächst wurden die ersten 30 Minuten der Finaljagd relativ verhalten angegangen, so dass sich auch die sogenannten Kleinen an den Rundengewinnen beteiligen konnten. Unter den großen Fünf ging es ein wenig hin und her mit diversen, kurzfristigen Führungswechseln, aber ein zu erwartender, offener Schlagabtausch sieht anders aus! In zwei Sprints mit fünf Punkten für die Erstplatzierten siegten erneut Wim Stroetinga/Robbe Ghys, bis dann die letzte, turbulente halbe Stunde begann. Als dann die Polen Wojciech Pszczolarski/Daniel Staniszewski ausrissen und von der niederländisch/belgischen Kombination wieder gestellt wurden, hatten diese beiden Teams sich zu sehr verausgabt und konnten der Gegenattacke der Weltmeister im Verbund mit den Dänen und Österreichern nichts mehr entgegensetzen. Zu allem Überfluss verpassten Wim Stroetinga und Robbe Ghys noch eine Ablösung, die zusätzliche Kräfte kostete. Die folgenden Wertungsspurts mit doppelter Punktanzahl dominierten dann Marc Hester/Jesper Mörköv, die nach dem von den drei Teams vollzogenen  Rundengewinn nach Punkten nicht mehr einzuholen waren.  Es war dann ein überragender Roger Kluge, der alles auf eine Karte setzte und mit seinem grandiosen Antritt mit seinem Partner Theo Reinhardt innerhalb von sieben (!) Runden die alles entscheidende Runde herausholte. Chapeau! 

 

Für die mitfavorisierten Wim Stroetinga/Robbe Ghys blieb nach insgesamt drei (!) Verlustrunden am Schlusstag nur der undankbare vierte Platz mit zwei Verlustrunden übrig, womit sie unter Wert geschlagen waren.

Ein Wort noch zu den Fahrern, die am Ende nicht mehr dabei waren: nachdem der Australier Joshua Harrison und der Brite Andrew Tennant bereits am Vortag das Rennen nicht mehr fortsetzen konnten und ihre Partner Stephen Hall und Christopher Latham ein neues Team bildeten, mussten auch die beiden hoffnungsvollen Youngster Calvin Dik und Nils Weispfennig das Rennen aufgeben, da Nils Weispfennig mit Fieber die Weiterfahrt einstellen musste. Schade für das junge deutsche Team, das sich insgesamt hervorragend präsentierte, von Tag zu Tag besser wurde und für die Zukunft einiges verspricht.

 

In der abschließenden Pressekonferenz mit den drei erstplatzierten Teams und Maximilian Levy waren alle Protagonisten bester Laune und  Roger Kluge stellte fest: „Wir haben auf den einen Moment gewartet, den wir nutzen wollten, haben versucht clever zu fahren und dabei Körner zu sparen, es war am Ende aber eine enge Angelegenheit“. Überglücklich war auch sein Partner Theo Reinhardt, der wie folgt zu zitieren war: „Ich hatte heute keine guten Beine, aber es hat am Ende zum Sieg gereicht und es war schon emotional hier mit Roger zu gewinnen. Nun bereite ich mich auf die kommende Weltmeisterschaft im Vierer und Madison vor, wo ich mit Roger gern meinen Titel verteidigen würde“. Für Roger Kluge wird es aufgrund seiner Einsätze auf der Straße mit der Weltmeisterschaft in Polen nicht ganz einfach werden, rechtzeitig am Start zu sein. „Der Flieger sollte schon pünktlich sein“, stellte er fest, der bislang mit Mailand-San Remo erst einen Klassiker auf seiner Liste hat. 

 

Mit dem Oldie Andreas Müller (39 Jahre) fuhr noch einmal ein Mann aufs Podium, der hier an der Seite von Andreas Graf eine Klasseleistung präsentierte. „Für mich ein toller dritter Platz hier so kurz vor der Rente“, äußerte sich  Andreas Müller wie immer gutgelaunt. Sein langjähriger, sympathischer Partner Andreas Graf lobte den gebürtigen Berliner, der ihn in dieses Metier mit seiner langjährigen Erfahrung in den letzten Jahren bestens eingeführt hat. 

 

So ging das 108. Six Day Berlin mit einem sportlich einwandfreien Programm zu Ende, an dem auch der Nachwuchs seinen wesentlichen Anteil hatte. Es scheint, dass die Organisatoren auf dem richtigen Weg sind, wobei bei dem letztlich guten Zuschauerzuspruch noch ein wenig Luft nach oben vorhanden ist. Insbesondere auf dem Montagabend mit seiner „Schlagerparty“ lässt sich aufbauen, da hatte der DJ offensichtlich das richtige Händchen!

Anmerkung: Als weitere Nachbetrachtung wird es noch einen Bericht von Marco Bertram geben. In seinem abschließenden Bericht zu den Sixdays Bremen wurde von einer hochgelegten Latte gesprochen. Auf diese soll in Kürze noch einmal eingegangen werden…

Bericht: Bernd Mülle

Fotos: Arne Mill (frontalvision.com)

 Fotos von den Six Day Berlin 2019 zum Herunterladen bei frontalvision.com

Mehr Bilder auch zum direkten Download gibt es für private und redaktionelle Nutzung bei unser Bildagentur frontalvision.com:
Inhalt der Neuigkeit:
Rennbericht
Radrennen-Art:
  • Six Days
Name des Radrennens
  • Berliner Sechstagerennen

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