Wer in den letzten Jahren das eine oder andere Festival besucht hat, wird sicher festgestellt haben, dass immer mehr Leute Hüte, Trikots und T-Shirts ihres bevorzugten Fußballvereins zur Schau tragen. Um diese Verbindung besser verstehen zu können, habe ich etwas Recherche auf dem Alpen Flair in Natz betrieben.
Dieses Festival wird von den Veranstaltern als „das größte Volksfest Südtirols“ bezeichnet. Hier traten bereits Künstler wie die Kastelruther Spatzen, Mia Julia, The Interrupters oder Black Stone Cherry auf.
Auf dem Weg in die Dolomiten habe ich einen Zwischenstopp in Längenfeld im Ötztal eingelegt. Dort spielte am letzten Spieltag der Tirol Liga der SV Längenfeld gegen den SV Absam. Das Besondere an diesem Spieltag war, dass der SV zum Trikottag aufgerufen hatte – jeder sollte in seinem Lieblingstrikot erscheinen.
Da es für beide Vereine sportlich um nichts mehr ging, war das 0:1 nur eine Randnotiz für die rund 300 Zuschauer. Das Ganze hatte eher Dorffest-Charakter. Bei Pulled-Pork-Burgern und einer breiten Auswahl an Getränken ließ es sich jeder gut gehen. Zum Glück waren die Tribüne und die große Terrasse überdacht – sonst wäre das Ganze wortwörtlich ins Wasser gefallen. Selbst ein sehr dicht vorbeiziehendes Gewitter hat absolut niemanden gestört. In Deutschland hätte wohl jeder Schiedsrichter schon bei leichtem Donnergrollen das Spiel unterbrochen – in Tirol ist man so etwas wohl gewohnt.
Die Trikotvielfalt reichte von Alemannia Aachen über Inter Mailand bis hin zu Górnik Zabrze. Nationalmannschaftstrikots von Deutschland, Italien und Österreich waren ebenso vertreten wie einheimische Jerseys. Eine klare Überlegenheit von roten München-Trikots war deutlich zu erkennen. Rundum kann man sagen: ein gelungener Start für meine Reise.
Ich bin bereits am Montag angereist, um mich drei Tage vor Festivalstart umzuschauen und das Feeling im schönen Südtirol aufzusaugen. Hier habe ich mich mit einem Mitglied des Frei.Wild Supporters Club (eine Art offizieller Fanclub, wie es ihn bei vielen Bands gibt) unterhalten. Er sagte mir: „Bei dieser Vielzahl an Vereinen müsste es hier dauernd knallen. Aber es passiert nichts, weil man wegen der Musik hier ist.“ Ähnliches erzählten mir auch Fans von Wismut Aue, Carl Zeiss Jena oder dem 1. FC Nürnberg.
Der Sportsfreund aus dem Erzgebirge erwähnte, dass es durchaus dumme Sprüche von Jungs aus Elbflorenz gab – aber danach wurde zusammen Bier getrunken und über Fußball geredet. Alle sagten mir übereinstimmend, dass sie zeigen wollen, wo sie herkommen, und ihre Heimat unterstützen möchten.
So sieht man es ja auch auf den Campingplätzen anderer Festivals oder an den Balkonen der Hotels auf Mallorca: Viele präsentieren dort ebenfalls die Fahnen ihrer Städte oder Regionen.
Aber warum ist das im Deutschrock-Bereich stärker ausgeprägt als zum Beispiel im Techno-Bereich? Hierzu muss man sich einfach nur die Hintergründe der einzelnen Bands oder ihre Lieder genauer anschauen. Fast jede Band hat ihre bevorzugte Fußball- oder Eishockeymannschaft. Die Toten Hosen unterstützen die Düsseldorfer EG, Goitzsche Front den Halleschen FC, oder Unantastbar mit ihrer „Hymne“ für jede Fankurve namens „Das Stadion brennt“.
So zieht sich das durch das gesamte Genre. Es ist einfach faszinierend, wie der ETC Crimmitschau neben dem ESV Kaufbeuren oder Union Berlin neben Hertha BSC campt, Bier trinkt und über Sport und Musik philosophiert.
Schlussendlich kann man sagen, dass Fußball Menschen auf der ganzen Welt genauso verbindet wie Musik. Weit weg vom eigenen, eingeschränkten Horizont. Keine Grenzen oder Mauern – nur Brücken, die verbinden.
Bericht & Fotos: Benjamin Barsig