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Ludwigsfelder FC vs. BSG Wismut Gera: Klein aber fein - beide Fanlager auf der Haupttribüne

Trübes Wetter, graue Wohnhäuser, ein ödes weitläufiges Stadion, ein oller Gästeblock, ein langweiliges Spiel - mein letzter Fußballbesuch in Ludwigsfelde blieb alles andere als farbenfroh in Erinnerung. Es müsste der 17. Spieltag der Oberliga-Saison 2005/06 gewesen sein, als der BFC Dynamo beim Ludwigsfelder FC zu Gast war. 13 Jahre also ist es her, als wir vom Bahnhof aus an den damals noch grauen, unsanierten Wohnblocks in Richtung Waldstadion stiefelten und uns dann im Gästeblock wieder fanden. Ein Stückchen Gegengerade, ein Stückchen Grünfläche. Auf dem Rasen: Aus Sicht der Berliner wurde es ein grausiger Kick. Mit 0:1 ging das Spiel verloren. Ludwigsfelde - das war für mich der absolute Abturn. Die späteren Auswärtsfahrten hatte ich wahrlich gemieden. Nach der Saison 2011/12 trennten sich dann eh die Wege, und ich hatte den Ludwigsfelder FC quasi gar nicht mehr auf dem Schirm, bis ja bis…

Bei in jüngerer Vergangenheit besuchten Fußballspielen in Falkensee-Finkenkrug wurde immer wieder über die Freundschaft zwischen der dortigen Fanszene und dem „Harten Kern“ aus Ludwigsfelde gesprochen. Ludwigsfelde war plötzlich wieder zurück auf meiner persönlichen Fußballlandkarte, und da zuletzt die Wiederkehr in die NOFV-Oberliga gelang, war ein erneuter Besuch im Waldstadion fest eingeplant. Die Zuteilung in die Südstaffel versprach interessante Gegner. Die Partien gegen die BSG Chemie Leipzig und die BSG Wismut Gera hatte ich mir fest im Kalender markiert.

Und ja, so kam es, dass der gestrigen Partie Ludwigsfelder FC vs. BSG Wismut Gera ein Besuch abgestattet wurde. Und was soll ich sagen? Während das Spiel vor 13 Jahren ganz traurig trist im Gedächtnis haften blieb, war der gestrige Besuch das komplette Gegenteil. Die damals noch teils grauen Wohnblocks wurden inzwischen allesamt saniert, die Stadt hatte sich herausgeputzt, und im Stadion selbst steht inzwischen eine Haupttribüne, die wahrlich zu gefallen weiß. 

Sonniges Wetter, kurz vor 12 - Zeit für ein Bier! Aber wo eigentlich? Auf Anhieb war es gar nicht so einfach, als Ortsfremder eine passende Lokalität zu finden. Kurzerhand wurde vor einer Schule ein Gassi gehender Mann gefragt. Jetzt schon Bier? Empfohlen wurde der Italiener des Vertrauens an einer Hauptstraße. Nicht gerade sehr originell, doch das Fassbier bekam von uns die Bestnote. Zwei Pils später machten wir uns auf den Weg gen Waldstadion und verliebten uns nach wenigen Metern. Ja, liebe Sportsfreunde, es war eine Liebe auf den ersten Blick. Ein Stück DDR in Form einer Kneipe namens Kegelbahn. Beim Anblick der Täfelung und der Einrichtung wurde sofort der Entschluss gefasst: Noch ein Bier! Ein Wirt der ganz alten Schule zapfte das tschechische Bier, wir indes ließen uns draußen in der Sonne nieder. „Warste schon mal auf dem Klo kieken? Herrlich!“ - „Müssten wir abends nicht zurück nach Berlin, würden wir hier heute später zur Schlagerparty gehen!“ 

Halb zwei erreichten wir schließlich den Haupteingang des Waldstadions und staunten nicht schlecht, dass einige Wismut-Fans auch hier hinein wollten. Und siehe da, der Gästeblock blieb an diesem Tag geschlossen. Sämtliche Gästefans - es werden zwischen 35 und 40 gewesen sein - nahmen auf der Haupttribüne Platz. Banner und Trommeln wurden ans Gelände gebunden - es war angerichtet. Es dürfte bekannt sein, dass die Fanszene der BSG Wismut Gera seit geraumer Zeit gespalten ist und es zwei aktive Gruppen gibt. Auch in Ludwigsfelde stand die Gruppe „1951“ etwas abseits und machte ihr eigenes Ding. 

An der anderen Ecke der Haupttribüne hatten die Mitglieder und das Umfeld von „Harter Kern 97“ ihr Plätzchen eingenommen. Auch dort hingen Stoffe und eine Trommel am Geländer. An die seitliche Wand wurde unübersehbar das Banner befestigt, das die feste Freundschaft zwischen Falkensee-Finkenkrug und Ludwigsfelde bekundet. So kam es also an diesem Nachmittag, dass es auf der Haupttribüne mehrere Stimmungspole gab: „Harter Kern 97“, die Fanszene Wismut plus etwas abseits die Gruppe „1951“. Ob es Probleme gab? Keine Spur. Allesamt waren tiefenentspannt und erfreuten sich an der tollen Gesamtatmosphäre. 

Seitlich neben der überdachten Haupttribüne befindet sich noch ein geräumige Sonnenterrasse, auf der bei Heimspielen der Grillstand und zahlreiche Tische und Stühle aufgebaut werden. Also da wurde doch mal bei der Konzeption wirklich nachgedacht. Respekt, dieses Stadion kann sich nun wirklich sehen lassen. Die auf dem Dach des Anbaus befindliche Terrasse lässt glatt ein wenig Balkan-Feeling aufkommen. 

Nun denn, bei so viel Wohlfühlatmosphäre wurde quasi das ganze Spiel über nur gequatscht und Bier getrunken. Rackzack hielt ich schon wieder einen neuen Becher in der Hand. In der 26. Minute hatte Maximilian Christl die BSG Wismut Gera mit 1:0 in Führung gebracht, und auf Gästeseite wurde nun noch kraftvoller auf die Trommeln gehauen. Smalltalk hier, Smalltalk dort. Auch der Autor der neuen in Arbeit befindlichen Fußballfibel über Wismut Gera war vor Ort. Ein Nachmittag voller Aha-Effekte. 

Als ich es kurz vor der Pause mal kurzzeitig ruhiger angehen ließ und eine kleine Stadionrunde drehte, fiel der Ausgleich zum 1:1, erzielt durch Maximilian Gerlach. Auf in die zweite Halbzeit! Aber gut, wer zu diesem Fußballspiel einen echten Spielbericht lesen möchte, muss in diesem Fall bei fupa & Co vorbeischauen. Ich filmte, ich quatschte, ich trank. Ehe man sich versah waren die 90 Minuten rum, und die Wismut-Fans feierten den eingefahrenen Punkt. Die Spieler kamen zum Abklatschen. Dann hieß es Einpacken und zurück nach Thüringen düsen. Ludwigsfelde war eine der weitesten Auswärtsfahrten für die Wismut-Fans in der laufenden Saison.

Auf Heimseite war indes noch lange nicht Schluss. Der 70. Geburtstag von Bernd, einer der drittältesten Mitglieder des HK97, wurde feucht fröhlich nachgefeiert. Ein Bild von einer Choreo wurde überreicht und das Fass Freibier stand bereit für alle. Mit Schmackes und Volldampf wurden die trüben Erinnerungen an Ludwigsfelde aus dem Jahr 2005 ausradiert. Ha, das Ludwigsfelder Waldstadion?! Das ist der Ort, wo fast Unmögliches Realität wird. Heim- und Gästefans zelebrierten auf einer Tribüne ein kleines Fußballfest - und das komplett ohne Stress und Polizei. 

Und wie es weiter geht im Spielplan? Am kommenden Mittwoch reist der Ludwigsfelder FC nach Leutzsch zur BSG Chemie Leipzig (ein Fanbus ist geplant), die BSG Wismut Gera empfängt zeitgleich daheim im Stadion am Steg den SV Blau-Weiß Zorbau.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: BSG Wismut Gera

Artikel wurde veröffentlicht am
30 September 2018
Spielergebnis:
1:1
Zuschauerzahl:
197
Gästefans
40

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Inhalt über Liga
Oberliga

Benutzer-Kommentare

4 Kommentare
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G
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Eine schöne Art des Fußballguckens. Das müsste viel besser so funktionieren.
K
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G
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G
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