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Euro 2024: Warm anziehen! Die Würfel sind gefallen - jetzt geht´s ans Eingemachte!

Ganz schön spröde das Ganze: „Deutschland bekommt Zuschlag“, „Deutschland bekommt die EM“, „Fußball-EM 2024 findet in Deutschland statt“, „Deutschland richtet die Euro 2024 aus“, „Deutschland bekommt den Zuschlag“, „12:4 für Deutschland“. Echte Euphorie sieht anders aus. Mitten rein zwischen die Diskussionen um Demonstrationen, Erdogan-Besuch, Forst-Räumung und mögliche Spielabsagen purzelte gestern die Nachricht rein, dass Deutschland sich gegen den Mitbewerber Türkei durchsetzen konnte und die Europameisterschaft 2024 austragen darf. Zuerst eine SMS von einem Freund, dann der Blick ins Netz. Ach ist sie schon gefallen, die Entscheidung? Hm ja, schön. Ich könnte jetzt auch sagen, das gehe mir völlig am Arsch vorbei und all dieser auswuchernde Kommerz-Mist könne mich mal kreuzweise.

Gut, dafür würde auch eine kurze Twitter-Meldung genügen. Aber mal abgesehen vom ganzen Kommerz-Rummel blieb eben doch die eine oder andere hübsche Erinnerung an vergangene Großveranstaltungen im Geiste hängen. Bei der WM 2006 gab es in der Tat den einen oder anderen angenehmen Abend, und der Auftritt der Iren und Kroaten in Poznan bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine war schon der Oberhammer. Also dann! Wo es die Fantruppen vom Balkan und von den Inseln hinführen wird, da werden auch wir vor Ort sein. Das ist doch klar. Mit guten Freunden in den Städten noch mal richtig auf Achse sein, danach kann es langsam aber sicher in Fußballrente gehen. 

Und sonst? Es ist der einzige Funke Freude. Sechs Jahre Vorlauf bis zur nächsten Fußball-Großveranstaltung auf deutschem Boden. Genügend Zeit, um die eine oder andere Maßnahme zu ergreifen. Genügend Zeit, um die Stadien noch moderner gestalten zu können. Noch mehr Hightech-Kameras, noch sichere Einlassbereiche, noch mehr Komfort, noch mehr Glanz und Sauberkeit, noch mehr VIP, noch mehr glänzende Fassade. 

Würde rein theoretisch die kommende Europameisterschaft im kommenden Sommer in Deutschland ausgerichtet werden, könnte das Ganze einfach nur in die Hose gehen. Trotz all der Obacht von Verbandsseite aus würde es auf den Rängen zu Protestaktionen gegen den DFB (und die UEFA) kommen. Derzeit ist das Tischtuch zwischen den aktiven Fanszenen und dem DFB zerschnitten. Der heiße Herbst hat erst gerade begonnen, und niemand mag vorhersagen, wohin die Wege führen werden. Ob die kommenden Proteste zu kleinen positiven Ergebnissen führen werden? Eine gute Frage! Vermutlich eher nicht. Von Seiten des Verbandes wird man auf den Faktor Zeit setzen. Irgendwann muss den Fans ja mal die Luft ausgehen und die Lust auf massiven Protest vergehen. 

Bis zum Sommer 2024 sind es ja noch knapp sechs Jahre. Genug Puffer, um bis dahin all das aus Sicht der Verbände Störende zu beseitigen. Andererseits: Die Proteste gegen das DFL-Papier im Herbst 2012 sind nun auch exakt sechs Jahre her. Was lernen wir daraus? Viel bewegt hat sich nicht. Und die Luft ist den aktiven Fans auch nicht ausgegangen. Was noch hinzu kam: Die spürbare Müdigkeit en punto Deutsche Nationalmannschaft. Das Interesse an der DFB-Auswahl ist gefühlt so niedrig wie noch nie zuvor. Ob sich das so schnell ändern wird? Mein Bauchgefühl sagt: Nein!

„United by Football“ heißt der Slogan der Euro 2024-Kampagne. „United by Money. Korrupt im Herzen Europas.“, war kürzlich unübersehbar in der Stuttgarter Kurve zu lesen. Ein „Sommermärchen“ wie 2006? Nein, dieses wird es definitiv nicht noch einmal geben. Also was die ausgelassene Wohlfühlatmosphäre und die Verbundenheit zur Deutschen Nationalmannschaft betrifft. Im Vorfeld und auch jetzt im Nachfeld der gestrigen Entscheidung gehen die Medien sehr vorsichtig mit dem Begriff „Sommermärchen“ um. Zu negativ behaftet ist inzwischen dieser Begriff. Beim „Märchen“ fällt den meisten Fußballfreunden eben doch eher das „Märchen erzählen“ ein. 12 Jahre ist die WM 2006 bereits her, doch komplett aufgearbeitet wurde die Korruptionsaffäre bis heute nicht.

Das „Sommermärchen“. In die Überschrift packte dieses Wort die Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung: „Gastgewerbe freut sich auf Sommermärchen 2024“. Der Rubel, ähm ja, der Euro wird rollen, und egal, wie die Grundstimmung sein wird, zig tausende Fußballfans werden aus den jeweiligen Ländern anreisen und die Innenstädte fluten. Und wenn es weniger die eingefleischten Fußballfans aus Irland, Portugal, Schweden, Kroatien und Serbien sein werden, dann wird halt verstärkt der asiatische Markt bedient. Was in der englischen Premier League bereits seit Jahren Gang und Gebe ist, wird dann notfalls auch zur Euro 2024 umgesetzt: Große Kampagnen in Fernost durchführen und paketweise die Pauschalreisen nach Berlin, München, Leipzig, Köln, Hamburg und Gelsenkirchen anbieten. 

Blitzblanke Stadien und bitte keinen Protest auf den Rängen. Der Plan steht. Für Gesprächsstoff sorgen bereits die bereits unterschriebenen Verpflichtungserklärungen. Im Umkreis der Stadien - im Gespräch ist eine 500-Meter-Zone - möchte die UEFA jegliche politischen und religiösen Demonstrationen / Protestaktionen verbieten lassen. Ebenso wird es nicht erlaubt sein, in und vor gastronomischen Einrichtungen in Stadionnähe (der Begriff ist sicherlich dehnbar) Großleinwände aufzubauen. Bereits jetzt mussten die Städte, in denen EM-Partien stattfinden werden, zusichern, dass gegebenenfalls Gesetze zum Schutz von Uefa-Vermarktungsrechten erlassen werden. Die UEFA nahm die Zügel bereits fest in die Hand, und es dürfte nicht verwundern, wenn dies auch der DFB in den kommenden sechs Jahren tun wird.

Kein Wunder also, dass gestern die großen Jubelstürme ausblieben. Nennt mir auch nur einen einzigen Grund, weshalb sich aktive Fans, die sich Woche für Woche für ihre jeweiligen Vereine auswärts und daheim mit Herzblut einbringen und immer wieder Opfer bringen müssen, auf solch eine Großveranstaltung im eigenen Land freuen sollen! Mir fällt kein einziger ein. Die Maßnahmen vor der WM 2006 (auch wenn nicht mehr ganz so im Kopf präsent) und vor allem die Maßnahmen in Polen vor der dortigen EM 2012 lassen erahnen, was auf die aktiven Fußballfans in den kommenden Jahren zukommen wird. Jedoch dürfte eins auch klar sein: Kampflos werden sich diese nicht ergeben…

Fotos: Marco Bertram, K. Hoeft, P. Schoedler, Sachseninformer, Felix

Artikel wurde veröffentlicht am
28 September 2018

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DFB und UEFA wird es noch gehörig um die Ohren und Nasen blasen. Das geht erst noch richtig los.
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