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BFC Dynamo vs. 1. FC Lok Leipzig: Wenn die alte Garde in Erscheinung tritt

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Wat nen Trauerspiel wird dat heute? Der Blick auf die Ränge des Jahn-Sportparks 15 Minuten vor Anpfiff ließ einen eher langweiligen Fußballnachmittag erwarten. Die Zuschauerproblematik der Weinroten im Ligabetrieb ist bekannt, aber auch der Gästeblock war alles andere als pickepacke voll. Waren alle in Chemnitz? Aber dann wurde es doch ein recht unterhaltsames Spiel. Auf der Gegengerade ließ man große Fahnen schwenken und schoss goldenes Konfetti ab. Darunter das große Spruchband „Weinrot-weiße Leidenschaft“. Das sah gar nicht mal so schlecht aus, und da die Konfettikanonen auch noch laut knallten, hatte mein Junior beim Anblick des goldenen Regens richtig Spaß. Wat willste als Fan auch machen? Halt immer das Beste draus machen. Lieber ein singender gut gelaunter Haufen von 150 Mann als eine komplett schweigende Kurve. 

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Im Gästeblock wurden aus den anfangs nur rund 100 Lok-Fans dann auch noch zirka 250. Dass sich diese nicht alle kompakt zusammenstellen, liegt auf der Hand. Zu breit gefächert ist das Spektrum. Vom Ende 50-jährigen Allesfahrer, der gemütlich auf der Sitzschale im äußeren Bereich des Blocks sitzt, bis hin zu den jüngeren aktiven Fans, die 90 Minuten lang supporten wollen. „Auf geht´s Leipzig, kämpfen und siegen“! 

Umgesetzt wurde dies von der Lokomotive-Mannschaft auf dem Rasen überhaupt nicht. Zumindest, was die erste Halbzeit betraf. Nach hübschem Spielzug erzielte Neuzugang Marc Brasnic, der bereits zuvor beim Auswärtsspiel bei Budissa Bautzen zu überzeugen wusste, das 1:0 für die Berliner. Nach vier Niederlagen in Folge (das 1:9 gegen Köln inklusive) schien es nun wieder aufwärts zu gehen. Und der BFC Dynamo bestimmte auch weiterhin das Spiel.

Im Gästeblock tat sich erstmals etwas in der 12. Minute. Weitere Lok-Anhänger kamen in den Block, und am Zaun zur Haupttribüne kam es zu Diskussionen mit der Polizei und anderen Lok-Fans. Es kehrte jedoch schnell wieder Ruhe ein, und die Polizei zog sich wieder zurück. In der 20. Minute weckte auf der Gegengerade ein Spruchband die Aufmerksamkeit. „In Lok nur Chemie!“ Dazu ein blau-gelber Smilie. Eine Anspielung auf einen möglichen Drogenkonsum in der Leipziger Fanszene? Oder wurde gar gemeint, dass die Lok-Kanten mit diversen Mittelchen aufgepumpt wurden? 

Sechs Minuten später hätte auf dem Rasen Marc Brasnic das 2:0 machen müssen. Was für eine fette Möglichkeit! Der Ball wurde jedoch knapp zur Ecke geklärt. Als der 1. FC Lok mal vor dem Berliner Gehäuse auftauchte, hörte ich plötzlich neben mir: „Guck mal Papa, der Torwart ist ein Chemie-Schwein!“ Ha, der Nachmittag war gerettet. In der Tat, der BFC-Keeper Bernhard Hendl trug komplett grüne Spielkleidung. 

In der 35. Minute verstummte im Gästeblock mit einem Mal der Support. Es gab sehr viel Gesprächsbedarf. Eine Gruppe Stabiler in dunklen Shirts bat um Aussprache, und bis zur Halbzeitpause wurde intensiv diskutiert. Die Polizei positionierte sich im Innenraum und am Zaun, wusste jedoch auch nicht, worum es eigentlich ging. „Ick gloob, die planen irgendwas“, vermutete ein Beamter und schaute etwas unglaubwürdig rüber zur Ansammlung, in der Fans mit verschiedenen Shirts standen. „Fanszene Lokomotive“, „Blue Side Lok“, „Stolz, Ehre, Kampf“. Manche trugen nostalgisch aufgemachte Shirts des VfB Leipzig. 

Ob die Gespräche Früchte trugen? Gute Frage. Zumindest wurde der Support in der zweiten Halbzeit fortgesetzt. Die etwas jüngere Generation fand wieder zusammen, und fortan ging es - so schien es zumindest - etwas lauter und geschlossener zur Sache. „Lokomotive!!!“ Die ältere stabile Garde schien wieder verschwunden oder stand etwas verdeckt auf dem oberen Weg. Und beim BFC? Auf dem Oberrang - sprich der Ehrentribüne, wo es auch lecker zu schmausen gibt - hingen einige Banner, welche die Freundschaft zwischen dem 1. FCM und dem BFC bekunden. Und auch das Banner der „Alt-Hools Berlin mit Beamtenstatus“ wurde wieder angebracht. In diesem Bereich saßen rund 60 BFCer. Schwer zu sagen, wer sich von denen noch boxen geht. Wohl allerdings noch genug, denn in der 78. Minute erfolgte die Durchsage, dass die Leute auf der Ehrentribüne bitte nach Spielschluss noch oben verweilen sollen.

Auf dem Spielfeld bestimmte der Gasteber weiterhin die Partie, doch die Loksche zeigte zumindest mehr Einsatz. Aufgrund der knappen Führung blieb das Spiel bis zum Ende spannend, und auf den Rängen wurde ein kleines Schippchen draufgelegt. „Wir sind okay, wir sind die Fans des BFC…“, ertönte es von den Rängen. Lautstark sangen nun die Lok-Fans „Schweine BFC, Schweine BFC!“, was mit einem „Sachsen macht Faxen!“ beantwortet wurde. 

Noch einmal erhob sich auch die alte Garde auf der Ehrentribüne und stimmte einen kurzen Gesang an. Wenig später erfolgte der Abpfiff. Während BFC-Trainer René Rydlewicz sichtlich erleichtert war, endlich wieder drei Punkte eingetütet zu haben, war Lok-Trainer Heiko Scholz richtig pappsatt. Nach dem besten Spiel der vergangenen Jahre gegen Babelsberg 03, das leider nicht mit einem Sieg belohnt wurde, sei die in Berlin gezeigte Leistung eine einzige Enttäuschung. Enttäuscht sei Scholz vor allem von den Leistungsträgern, denn von einem 18-Jährigen könne man wohl kaum erwarten, das Spiel zu leiten. 

René Rydlewicz und Heiko Scholz - beide standen im Zeitraum von 1992 bis 1994 beim TSV Bayer 04 Leverkusen unter Vertrag. Beide hatte ich damals das eine oder andere Mal zusammen im Ulrich-Haberland-Stadion spielen sehen. Dynamische Wurzeln haben beide. Während Rydlewicz Ende der 80er Jahre bei der Jugend des BFC Dynamo spielte, tat dies Scholz von 1978 bis 1982 bei der SG Dynamo Dresden. 

Und gestern vor dem Stadion? Blieb alles ruhig. Die Jungs von der Ehrentribüne mussten in der Tat noch ein Weilchen oben bleiben, auf der Treppe zur Haupttribüne standen einige Polizisten bereit, um einen „Ausbruch“ zu verhindern. Die Polizei setzte zudem auf komplette Raumtrennung, so dass sich BFCer und Lok-Fans nach dem Spiel nicht über den Weg laufen konnten. Ob es später bei einem Bierchen doch noch irgendwo zum Armdrücken kam, entzieht sich in diesem Fall meiner Kenntnis.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: BFC Dynamo

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Lokomotive Leipzig

Artikel wurde veröffentlicht am
02 September 2018
Spielergebnis:
1:0
Zuschauerzahl:
1.107
Gästefans
250

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Du findest es also toll, wenn dein Kind von einem Chemie-Schwein spricht @ Biffze Bertram?
Antwort des Verfassers 03 September 2018

Ja, sein Kommentar kam so aus der Kalten, da musste ich lachen. Grüner Torwart im BFC-Gehäuse, dazu Lok am Start. Kinder kombinieren da einiges fix zusammen. Davon ganz abgesehen, er drückt vor allem Hansa die Daumen und hat mit dem Leipziger Fußball nischt am Hut.

Beste Grüße
Marco

G
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Geiles Spruchband. Dazu der Acid Smilie.
Mit chemischen Drogen vollgepumpte Lokisten, so verstehe ich das auch. Wenn es wirklich so gemeint ist, Respekt.
W
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