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FC Strausberg vs. BW 90 Berlin: Blau-Weiße Feierlaune trotz 0:2-Niederlage

„Wie feiert Ihr eigentlich erst, wenn Ihr gewonnen habt?“, wurden die fröhlich singenden Blau-Weiß-Fans nach dem Spiel gefragt, als an den aufgebauten Holzbänken noch ein, zwei Runden Hopfenschorle geordert und lautstark Gesänge angestimmt wurden. Völlig verdient ging das gestrige Auswärtsspiel beim stark aufspielenden FC Strausberg mit 0:2 verloren, doch der guten Laune tat dies keinen Abbruch. Die Oberliga ist ein völlig anderes Pflaster als die Berlin-Liga, in der in der zurückliegenden Spielzeit munter durchmarschiert wurde. Dies ist sowohl der Mannschaft und dem Trainer als auch den meisten Fans klar. Erst einmal richtig ankommen - und dann wird sich die Leistung schon einstellen. Das Wichtigste am gestrigen Tag aus Sicht der rund 50 angereisten Anhänger der Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin: Es war das erste überregionale Plicht-Auswärtsspiel (sprich außerhalb der Berliner Stadtgrenzen) seit dem 17. Mai 1992! Damals wurde am letzten Spieltag der 2. Bundesliga (Abstiegsrunde der Staffel Nord) beim SC Fortuna Köln gespielt. Vor 800 Zuschauern im Südstadion konnte jene Partie mit 1:0 gewonnen werden. Rainer Rauffman - manchen sicherlich noch ein Begriff von seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld - erzielte nach einer Stunde den Treffer des Tages. Und dann? War Schicht im Schacht! Insolvenz. Auflösung des Vereins. Neubeginn in der Berliner Kreisliga C als SV Blau-Weiss. Aber okay, diese Geschichte wurde bereits einige Male thematisiert. Setzen wir gleich beim gestrigen Spiel an.

Nach der 0:1-Auftaktniederlage gegen Tennis Borussia Berlin vor über 1.000 (!) Zuschauern folgte nun also das erste Auswärtsspiel der Oberliga-Saison. Schön, dass es nicht gleich an die Ostseeküste, sondern erst einmal ins Berliner Umland ging. C-Tarif. Perfekt zum Eingewöhnen und Eintakten. Zwar noch S-Bahnfahrt, aber halt kein Spiel mehr in Rudow, Spandau oder Pankow, sondern in einer anderen Stadt. In einer Stadt, in der an jeder Ecke Hertha-Graffiti und Hertha-Aufkleber zu sehen sind. Kein Wunder, dass die kleine blau-weiße Reisegesellschaft gleich angefixt war. 

Um 13 Uhr herrschte vor der Energie-Arena allerdings noch Ruhe. Nach einem wundervollen Spaziergang durch die alten Gassen am Straussee (Fischerkietz, Klosterstraße, etc.) ging es schnurstracks in das kleine Vereinsheim des FC Strausberg. Cola und Bier bitte! Es sollten nicht die einzigen Getränke an diesem Nachmittag bleiben. Unters Volk mischen, die Ohren offen halten und das Gespräch suchen - so lautet bei unterklassigen Spielen meist meine Devise. Rein arbeitstechnisch mag es mitunter einen merkwürdigen Eindruck erwecken, doch die jahrelange Erfahrung besagt: Ruhig paar Becher mittrinken. Das löst die Zunge und weitet die Ohren. Mitten drin, statt nur dabei. Skeptische Blicke bleiben natürlich nicht unbemerkt. Ist das nicht der, der auch beim Spiel gegen Hansa II?! Sei es drum, das Ambiente war prima, und auch der Grillmeister soll an dieser Stelle gelobt werden.

Gegen 13:30 Uhr stellten sich auch die ersten Berliner Fußballfreunde ein. Den struppigen Hund samt Schal, Hundeschalen und Hundefutter auch wieder mit dabei. Eine Bratwurst bekam er extra, doch gefuttert wurde diese erst, als ein erstes Häppchen ihm in die Schnauze geschoben wurde. Um das Ganze im Gästebereich geselliger zu gestalten, wurde eigene mitgebrachte Musik abgespielt. Während der Hund in die Wurst biss, ertönte das bekannte „Die Stunde des Siegers …“ aus den kleinen Boxen. Im Vereinsheim selbst war es möglich, anhand der angebrachten Utensilien ein wenig die Vereinsgeschichte des FC Strausberg zu studieren. Wirft man nur rasch einen Blick auf die entsprechende wikipedia-Seite, so könnte man annehmen, dass dieser Verein vor dem Mauerfall nur ASG Vorwärts Strausberg (in den typischen Farben Gelb und Rot) hieß. Aufschluss gibt die im Vereinsheim angebrachte Zeittafel. 

Am 23. November 1947 wurde die SG Strausberg ins Leben gerufen, gespielt wurde in der Kreisliga. 1955 erfolgte die Namensänderung in Aufbau Strausberg. Unter diesem Vereinsnamen wurde fünf Jahre lang in der Bezirksklasse gespielt, von 1960 bis zum Zusammenschluss im Jahre 1973 folgte schließlich die Ära als BSG Einheit Strausberg. Von 1973 bis zum Ende der DDR wurde als ASG Vorwärts Strausberg in der Bezirksklasse (in der Saison 1974/75 in der Bezirksliga) der Ball rollen gelassen. 1991 erfolgte die Namensänderung (mit Übernahme von Post Strausberg) in KSC Strausberg, 1995 erhielt der Verein den jetzigen Namen FC Strausberg. Von der Landesklasse wurde sich über Landesliga und Verbandsliga / Brandenburg-Liga hochgearbeitet in die Nordstaffel der NOFV-Oberliga. Der Sprung in die Oberliga gelang 2012/13 als Meister der Brandenburg-Liga. Apropos Vorwärts Strausberg! In der Saison 1979/80 nahm die ASG Vorwärts Strausberg am FDGB-Pokal teil. Am 19. August 1979 wurde daheim die BSG Motor Stralsund mit 5:0 nach Hause geschickt. Genau an jenem Tag weckten mich meine Eltern um 4 Uhr morgens und fuhren mit mir ganz überraschend ins Riesengebirge. Und ja, wir wohnten ja damals im Kreis Strausberg knapp vor den Toren Ost-Berlins. In der Zwischenrunde musste sich dann Strausberg leider knapp mit 1:2 der BSG Aktivist Brieske-Senftenberg geschlagen geben. Schade, denn in der 2. Hauptrunde wäre die BSG Sachsenring Zwickau der Gegner gewesen. Hüstel. Aber gut, das Ganze ist bereits vier Jahrzehnte her. Die Ära der ASG Vorwärts Strausberg lassen allerdings auch heute noch ein paar Strausberger Fußballfreunde in Form von getragenen T-Shirts aufleben. Peppig aufgemacht mit einer eigens kreierten Logo-Version mit bissigem Strauß.

14 Uhr schließlich liefen beide Mannschaften in der Energie-Arena ein. Am oberen Geländer des Gästebereichs hatten die Berliner Fans einige Fahnen befestigt. Für Oberligaverhältnisse ergab sich ein passabler Anblick. Mit Trommel und punktuellem Gesang wurde zudem die Mannschaft unterstützt. Auch auf Heimseite gab es eine handvoll Fußballfreunde, die mit zwei Trommeln und einer Tröte ein wenig Rabatz machten. 

Auf dem Rasen zeigte der Gastgeber eine wirklich gute Leistung. Der FC Strausberg bestimmte klar das Spiel. Kein Wunder, dass auf der späteren Pressekonferenz der Trainer Christof Reimann sich voll begeistert zeigte von der erbrachten Leistung seiner Jungs. Nun denn, schaute man sich die Aufstellung der Gäste an, hätte man vielleicht mehr erwarten können. Auf dem Papier las sich das hochkarätig. Kevin Gutsche, Lukas Rehbein, Robin Mannsfeld - allesamt spielten sie einst beim BFC Dynamo und bringen Regionalliga-Erfahrung mit. Diese drei sollen nur mal als Beispiel dienen, weil mir diese natürlich sofort ins Auge stachen.

Blau-Weiß-Trainer Marco Gebhardt - 1972 in Quedlinburg geboren und als Profi einst u.a. bei Eintracht Frankfurt, Energie Cottbus, TSV 1860 München und Union Berlin aktiv - wird noch etwas zu tun haben, bis sich seine Mannschaft wirklich in der Oberliga locker behaupten kann. Die Fans sind diesbezüglich sehr optimistisch und glauben fest daran, dass am Ende der Klassenerhalt problemlos gepackt wird. Es wäre ja auch ein Witz anzunehmen, es würde so locker weiter gehen wie in der Berlin-Liga, erklärte einer der Fans. 

Vor insgesamt 220 Zuschauern hatten die Berliner in der 23. Minute eine gute Möglichkeit, und sogleich ertönte lautstark das „Heja Blau-Weiß!“ Zehn Minuten später gab es nochmals ein Raunen, als Tim Göth für die Gäste zu einer weiteren, dieses Mal richtig hochkarätigen Chance kam. Doch unter dem Strich nahm das Ganze seinen verdienten Lauf. Die Führung von Martin Kemter kurz vor der Pause ging in Ordnung, allerdings war dieser Treffer aus Sicht von Blau-Weiß 90 wirklich unnötig. 

In der zweiten Halbzeit erhielt Kevin Gutsche nach einer Stunde zuerst wegen Foulspiel die gelbe Karte und gleich im Anschluss wegen Unsportlichkeit die zweite gelbe Karte. Die Berliner spielten nun in Unterzahl, zu holen war nichts mehr. Zehn Minuten nach dem Platzverweis spielte Maximilian Hinz prima den Ball zu Tino Istvanic, und dieser brachte den Ball unten rechts unter. 2:0 für den FC Strausberg, der Drops war quasi gelutscht. In der Folgezeit waren die Strausberger dem 3:0 näher als die Berliner dem Anschlusstreffer. Aber gut, eine fette Möglichkeit hatte dann Blau-Weiß 90 doch noch. In der 83. Minute hätte Mensah durchaus das 1:2 aus Sicht der Berliner machen können. Am Ende blieb es beim 2:0 für den FC Strausberg.

Die Pressekonferenz wurde überaus gut besucht, im Anschluss orderten die verbliebenen Blau-Weiß-Fans erst einmal ordentlich Bier und sangen sich nochmals warm. Später ging es zu Fuß durch die Stadt, während der S-Bahnfahrt nach Berlin wurden bierseelig die kommenden Auswärtsfahrten besprochen. Auswärtsfahrt nach Rostock am 23. September zu den Hansa Amateuren - auf diese Sause freuen sich viele Blau-Weiß-Anhänger. Nach Stand der Dinge spielt die erste Mannschaft des F.C. Hansa Rostock bereits am Tag zuvor auswärts in Großaspach. Na gut, wie heißt es so schön? Kieken wir mal! Abwarten und Tee trinken. Oder besser ein Bier!

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Strausberg vs. Sp.Vg. Blau-Weiß 90 Berlin

Artikel wurde veröffentlicht am
13 August 2018
Spielergebnis:
2:0
Zuschauerzahl:
220
Gästefans
50

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Oberliga

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