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Torpedo Kutaisi vs. Vikingur Gøta: Wirklich nur für echte Feinschmecker

Torpedo Kutaisi gegen Vikingur Gøta. Georgien gegen die Färöer Inseln. Mehr zweite Runde Europa League-Qualifikation geht nicht. Als Meister ihrer Ligen spielten beide Mannschaften in der ersten Qualifikationsrunde der Champions League und scheiterten jeweils an ihren Gegnern - Kutaisi an Sheriff Tiraspol aus Moldawien und Gøta an HJK Helsinki. Es versprach also von vornherein eines der Spiele zu werden, deren Wert nur wahre Fußballfeinschmecker erkennen können. 

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Als Spielstätte dient das Ramas-Schengelia-Stadion, die Heimspielstätte Torpedos in Kutaisi, der zweitgrößten Stadt Georgiens. Es ist eine runde Schüssel mit drei oder vier überdachten Blöcken, Platz für 12.000 Zuschauer, einer schwarzen abgewetzten Laufbahn drumherum, vier großen Flutlichtmasten an den Ecken und einem Rasen, der von der Bemusterung an eine Kuh erinnert. Auf den bunten Tribünen steht “Torpedo Kutaisi” und in der Mitte zwischen beiden Worten prangt die Georgische Flagge. 

Die erste Überraschung gibt es am Ticketschalter. Wir hatten wahllos auf irgendeinen Block auf der Haupttribüne gezeigt und bekommen daraufhin einen Preis von acht Lari genannt. Acht Lari? Das sind keine drei Euro. “Hat sie verstanden, dass wir zwei Karten wollen?” Ja, hat sie. Auch, dass wir zwei Erwachsene sind. Und so erhalten wir für 1,40 Euro pro Person Eintritt zu einem internationalen Wettbewerb der UEFA. Nimm das, Champions League-Finale! 

Aus irgendeinem unbekannten Grund können wir das Stadion nicht über das Tor betreten, das unserem Block am nächsten ist. Stattdessen werden wir an das am weitesten entfernte Tor geschickt und ohne Personenkontrolle herein gelassen. Zwar könnten wir uns einfach irgendwo niederlassen - niemand kontrolliert, wer in welchen Block geht, auf der Eintrittskarte steht weder Reihe noch Sitz - aber wir gehen lieber einmal die große Runde, um uns das Stadion ganz genau anzuschauen. Das selbstgezimmerte Podest für den Capo der Ultras Torpedo, den vertrockneten Trainingsplatz ohne Tornetze hinter der Gegentribüne, der abgelatschte Asphalt im Stadionumlauf. Es ist ein Traum.

Das Spiel ist eigentlich relativ schnell erzählt. Die Gäste von den Färöern spielen im 5-4-1-System und ihr einziges Ziel scheint die Vermeidung von Bewegung zu sein. Verständlich, denn wir hatten an den letzten beiden Tagen in Kutaisi 42 Grad und einen Wind, der nicht für Erfrischung sorgte, sondern für das Gefühl, dass einem die Augenbrauen abgesengt werden. Unterdessen herrschen auf den Färöer-Inseln derzeit stabile Temperaturen um die 14 Grad. Die Gäste sind also auf ein 0:0 aus, um im Rückspiel die Tore zu erzielen. 

Torpedo hingegen gibt von Beginn an ein hohes Tempo vor, das die Gäste nicht mitgehen können, es mit ihrer Fünfer-Abwehr aber noch ganz gut zu zerstören wissen. Es ist entweder ein färöerisches Abwehrbein im Weg oder Ball segelt von selbst am Tor vorbei. Bereits beim Torschuss im Aufwärmprogramm hatte von zehn Torpedos vielleicht einer den Ball im Netz unterbringen können - und dieses Bild setzt sich im Spiel weiter fort. 

Im Anschluss an die Trinkpause Mitte der ersten Halbzeit ist es dann aber so weit. Nach einer halbwegs brenzligen Situation bekommt ein Abwehrspieler Gøtas im eigenen Strafraum den Ball vor die Füße. Eigentlich hat er so viel Zeit und Raum, diesen fünfmal hochzuhalten, sich den gegnerischen Torwart auszugucken und über ihn hinweg ins leere Tor zu lupfen. Stattdessen hämmert er ihn mit voller Kraft ins eigene Toraus.

Die anschließende Ecke kann Torpedos Stürmer Tornike Kapanadze zum 1:0 nutzen. Das Stadion feiert die Führung, verfällt aber nicht in Extase. Vom Block der vielleicht 50 Ultras schallt ein Gesang herüber, die eindeutig das Wort “Chempioni” beinhaltet. Klar, wann, wenn nicht in diesem Spiel? 

Danach geht es eigentlich genauso weiter. Torpedo drückt, Vikingur versucht, nicht so viel zu laufen. (Es müssen ja am Montag auch alle wieder arbeiten.) Wenn die Gäste mal den Ball haben, gibt es durchaus Temposituationen, aber weil die Vorwärtsbewegungen vollkommen plan- und kopflos ausgespielt werden, kommen nur wenige Torschüsse dabei heraus. 

Torpedo scheitert unterdessen entweder am gegnerischen Torwart oder an sich selbst und dem unnötig komplizierten Spiel. Ein gute Viertelstunde vor Schluss geht es nach einem schnellen Angriff dann doch ganz einfach. Flanke von rechts, Kopfball, Tor. Zehn Minuten später besorgt Torpedo den 3:0-Endstand.

In der Folge wollen beide Mannschaften nur, dass es endlich vorbei ist, und nutzen jeden Körperkontakt für eine ausgedehnte Spielunterbrechung. Nur der Schiedsrichter hat noch nicht genug von diesem Klassiker und quält Mannschaften und Publikum mit vier Minuten Nachspielzeit. 

Am Ende steht ein verdienter Sieg für Torpedo Kutaisi und die Erkenntnis, dass die Europa League-Qualifikation wirklich nur was für echte Feinschmecker ist. 

Fotos: Anika (Zug-nach-Irgendwo)

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Georgien

Artikel wurde veröffentlicht am
27 Juli 2018
Spielergebnis:
3:0

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3 Kommentare
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Sehr gut
interessanter Artikel
G
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Schön verziert das Stadion! :-D
F
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G
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