Neuchâtel Xamax nach überaus turbulenten Zeiten wieder ganz oben

Neuchâtel Xamax - ein Name, der einen überaus schönen Klang hat. Zuerst einmal, was hat es eigentlich mit diesem „Xamax“ auf sich? Eine historische Region? Ein einstiges Unternehmen? Ganz anders! Das „Xamax“ entstand aus dem Vornamen des Mitgründers Max Abegglen, genannt „Xam“ (Palindrom von „Max“). Dieser lebte von 1902 bis 1970 und war in den 1920er und 1930er Jahren einer der besten Fußballspieler Europa. Von 1918 bis 1919 spielte er bei FC Cantonal Neuchâtel, im Anschluss bei Lausanne-Sports und beim Grasshopper Club Zürich. Mit „GC“ wurde er sechsmal Schweizer Meister, fünfmal konnte er den Schweizer Pokal holen. Bei den Olympischen Sommerspielen 1924 gewann er mit der Schweiz die Silbermedaille. Im Finale musste sich die Schweiz im Stade de Colombes in Paris der Nationalmannschaft von Uruguay mit 0:3 geschlagen geben. 

Acht Jahre zuvor wurde der FC Xamax ins Leben gerufen. Max Abegglen war damals gerade mal 14 Jahre alt. 1970 - in diesem Jahr verstarb Max Abegglen - fusionierte der FC Xamax mit dem 1906 gegründeten Stadtrivalen FC Cantonal Neuchâtel, bei dem wie bereits erwähnt Abegglen 1918/19 gespielt hatte. Unter Trainer Gilbert Gress feierte der Verein in den 80ern seine größten sportlichen Erfolge. Sowohl 1987 als auch 1988 konnte der Schweizer Meistertitel geholt werden. Im Europapokal der Landesmeister zog Neuchâtel Xamax zweimal ins Achtelfinale ein. 1987 schied Neuchâtel Xamax denkbar knapp gegen den FC Bayern München (2:1 und 0:2) aus, im Jahr darauf wurde es noch kurioser. Nach dem 3:0-Hinspielerfolg gegen Galatasaray Istanbul musste sich Neuchâtel Xamax im Rückspiel mit sage und schreibe 0:5 geschlagen geben. 

Stets Pech hatte Neuchâtel Xamax im Schweizer Pokal. Fünfmal stand der Verein im Finale, fünfmal ging man als Velierer vom Rasen: 1974 mit 2:3 gegen den FC Sion, 1985 mit 0:1 gegen den FC Aarau, 1990 mit 1:2 gegen den Grasshopper Club Zürich, 2003 mit 0:6 gegen den FC Basel und 2011 mit 0:2 gegen den FC Sion. Nur als kleine Randnotiz: Der FC Sion konnte 13-mal hintereinander bei seinen Finalteilnahmen das jeweilige Endspiel gewinnen. Erst 2017 riss die Serie, als man sich in Lancy dem FC Basel geschlagen geben musste.

Zu den weiteren Erfolgen von Neuchâtel Xamax: 1972 und 1977 wurde der Uhrencup gegen den FC Biel-Bienne sowie den FC Basel gewonnen. Im UEFA-Cup erreichte Neuchâtel Xamax 1981/82 und 1985/86 das Viertelfinale. Zum einen war gegen den späteren UEFA-Cup-Finalisten Hamburger SV Schluss, zum anderen war Real Madrid eine Nummer zu groß. Aber oha! Nach der 0:3-Niederlage bei den Königlichen konnten die Schweizer im Rückspiel das Ganze noch fast egalisieren. Aber eben nur fast. Mehr als ein 2:0-Sieg wollte einfach nicht herausspringen. Am Rande: Das spätere erste Finalspiel konnte Real Madrid gegen den 1. FC Köln mit 5:1 gewinnen, beim Rückspiel im Berliner Olympiastadion (wegen vorangegangener Zuschauerausschreitungen in Waregem durfte das Finalheimspiel nicht im heimischen Müngersdorfer Stadion ausgetragen werden) konnte sich Real eine 0:2-Niederlage erlauben.

Zurück zu Neuchâtel Xamax. Am Ende der Saison 2005/06 erfolgte der Abstieg in die zweite Schweizer Liga. In der Relegation (Barrage) musste man sich dem FC Sion geschlagen geben. Postwendend konnte Neuchâtel Xamax im Folgejahr wieder aufsteigen. Ein wenig skurril wurde es 2011. Der Verein gehörte inzwischen dem tschetschenischen Geschäftsmann Bulat Tschagajew, und dieser wollte Neuchâtel Xamax neben einem überarbeiteten Logo den Namenzusatz „Vainach“  (historische Bezeichnung der heutigen Tschetschenen und Inguscheten) verpassen. Aus formellen Gründen wurde der Antrag jedoch vom Verband nicht genehmigt. Und das war noch nicht alles. Finanziell wurde es 2012 richtig turbulent. Gehälter wurden mehrfach nicht ausgezahlt, dem Verein wurde die Lizenz entzogen. 

Mit einem Mal wurde die in der fünften Liga spielende U21-Mannschaft von Neuchâtel Xamax zur neuen 1. Mannschaft, parallel dazu wurde „Neuchâtel Xamax 1912 SA“ gegründet. Von unten kommend, sollte ein Neubeginn gestartet werden. Der Aufstieg von der  2. Liga interregional (5. Liga) in die 1. Liga Classic (4. Liga) gelang auf Anhieb, zudem erfolgte die Fusion mit dem FC Serrières. Der neue offizielle Name: Neuchâtel Xamax FCS. 2014 gelang der Aufstieg in die dritthöchste Schweizer Liga, in den Promotionsspielen hieß es gegen FC Fribourg 2:2 und 3:0 sowie gegen den FC Baden 2:0 und 1:2 n.V. Im Jahr darauf durfte der nächste Aufstieg gefeiert werden. Zwar wurde sportlich der Sprung nach oben verpasst, das entscheidende Spiel gegen Étoile Carouge wurde vor 8.000 Zuschauern verloren, doch da Neuchâtel Xamax als einziger Aufstiegsaspirant eine Lizenz für die Challenge League erhielt, gab es 27. April 2015 grünes Licht in Sachen Aufstieg in die zweite Schweizer Liga.

Die Zweitligasaison 2015/16 wurde mit Rang zwei abgeschlossen, und auch am Ende der Spielzeit 2016/17 war Neuchâtel Xamax auf dem zweiten Platz zu finden. 2017/18 sollte jedoch der große Sprung gelingen. Mit 21 Punkten Vorsprung auf den FC Schaffhausen wurde sich der Meistertitel in der Challenge League gesichert. In 36 Spielen ging man 26-mal als Sieger vom Platz, nur drei Niederlagen mussten verschmerzt werden. 

Zurück in der Schweizer Super League! Am ersten Spieltag führte die Reise am vergangenen Samstag zum FC Luzern, der 1989 (also direkt nach Neuchâtel Xamax) Schweizer Meister und 1922 und 2012 Schweizer Vizemeister wurde. 8.905 Zuschauer hatten sich am Samstagabend in der 2011 eröffneten swissporarena ein, unter ihnen schätzungsweise 300 bis 400 Gästefans. Beide Städte trennen auf dem Straßenweg zirka 140 Kilometer, mit dem Zug ist man stündlich 1:38 Stunden unterwegs. 

Auf dem Rasen hatte der Gastgeber die erste fette Möglichkeit. Von der linken Seite kommend wurde abschlossen, doch Xamax-Keeper Walthert war auf dem Posten. Nach einer Viertelstunde dann der erste Paukenschlag der Gäste! Kamber brachte von der linken Seite den Ball weich rein zum zweiten Pfosten, dort legte Nuzzolo mit dem Kopf vor, die Kugel unter brachte Gaëtan Karlen, der seit 2016 bei Xamax unter Vertrag steht. Der FC Luzern bestimmte in der Folge das Spiel, hatte aber kein Glück. Ein Distanzschuss prallte an den linken Pfosten, ein Kopfball verfehlte knapp den linken Winkel, und selbst allein vor dem gegnerischen Keeper konnte das Spielgerät nicht untergebracht werden.

In der zweiten Halbzeit der gleiche Anblick. Noch einmal klatschte der Ball ans Aluminium. Dieses Mal war es nach einem Kopfball die Latte. Es war zum Mäusemelken aus Sicht des FC Luzern. Und es kam noch schlimmer! In der 76. Minute wurde der Ball von rechts hereingebracht, Doudin legte vor, der französische Mittelfeldspieler Geoffrey Tréand vollendete. 2:0 für Neuchâtel Xamax! Großer Jubel im Gästeblock, lange Gesichter auf der Heimseite. Dabei sollte es schließlich bleiben. Was für ein Auftakt für Neuchâtel Xamax im Fußballoberhaus. Gemeinsam mit dem Berner SC Young Boys (2:0 gegen Grasshopper Club Zürich) führt Neuchâtel Xamax die Tabelle nach dem ersten Spieltag an. Und schau mal an: Der FC Basel musste sich daheim St. Gallen mit 1:2 geschlagen geben. Den Siegtreffer der Gäste erzielte Aratore in der 90.+4. Spielminute…

Fotos: Arne Amberg

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in der Schweiz

Artikel wurde veröffentlicht am
23 Juli 2018
Spielergebnis:
0:2
Zuschauerzahl:
8.905

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