Der Geist von 1968: Als Union Berlin gegen Jena den FDGB-Pokal holen konnte

Finale 1968. Schauen wir doch einfach mal, was bei youtube alles zu finden ist. Klick! AC Mailand vs. Hamburger SV im De Kuip in Rotterdam. Kurt Hamrin sicherte mit seinen beiden Treffern den Sieg für Milan im Finale des Europapokals der Pokalsieger. Eine Woche später - am 29. Mai 1968 - kam es im Wembley vor 100.000 zum großen Showdown im Finale des Europapokals der Landesmeister. Zehn Jahre nach der Tragödie von München-Riem spielte Manchester United gegen Benfica Lissabon. Geleitet von Trainer Matt Busby ging es mit einem 1:1 in die Verlängerung. In dieser schlugen dann George Best, Brian Kidd und nochmals Bobby Charlton von der 93. bis 99. Minute zu. 4:1 der Endstand - Manchester United holte den großen Pott. Und wir suchen weiter nach den Finals von 1968. Italien gegen Jugoslawien im Finale der Europameisterschaft. Am 8. Juni 1968 gab es in Rom ein 1:1. Ein Wiederholungsspiel musste her, vor halbvollen Rängen gewann Italien zwei Tage später mit 2:0. Witzigerweise findet sich mitten zwischen den Suchergebnissen mit Fußballbezug noch etwas anderes. „Spiel mir das Lied vom Tod“ (Once upon a time in the West) - „The final due“. Mensch, ja, da kommen Kindheitserinnerungen auf. Mein Papa hatte mich mit zehn ins Kino in Schöneweide mitgenommen und der Kassiererin gesagt, ich sehe halt jünger aus als ich sei. Welch ein Erlebnis! Damals war der Filmklassiker gerade mal 15 Jahre alt, nun sind es bereits 50.

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Was noch alles zu „Finale 1968“ zu finden ist? Das Hochsprungfinale und das 100-Meter-Finale bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko-Stadt. Und sogar vom Finale des Afrika-Cup 1968 in Addis Abeba (Äthiopien) ist ein Video online verfügbar. Der kurze Film wirkt ein wenig skurril, da die erste Minute nur der sitzende Herrscher mit seinem Hund zu sehen ist, vor ihm stehend der schmucke Pokal. Dann gibt es aber doch noch die wichtigsten Spielszenen zu sehen. Mit 1:0 gewann die Demokratische Republik Kongo gegen Ghana. Gastgeber Äthiopien war im Halbfinale an Kongo mit 2:3 nach Verlängerung gescheitert. 

Da wir jedoch den Bogen wieder in heimatliche Gefilde schlagen wollen, geben wir nun „Endspiel 1968“ in das Suchfeld ein. Gleich ganz oben ist ein echter Knaller zu finden. Endspiel um die Deutsche Amateurmeisterschaft in Bochum. VfB Marathon 06 Remscheid gegen Wacker München. Zu sehen gibt es ein Foto jubelnder Spieler, zu hören gibt es einen Radiobeitrag. Vor 12.000 Zuschauern im Stadion an der Castroper Straße gewann Remscheid mit 5:3 nach Verlängerung. Apropos Bochum! Im Finale des DFB-Pokals stand am 9. Juni 1968 der VfL Bochum. Vor 60.000 Zuschauern im Südweststadion in Ludwigshafen mussten sich die Bochumer allerdings gegen den 1. FC Köln mit 1:4 geschlagen geben. 

Womit wir uns der Sache langsam nähern. Pokalfinale! Auch in der DDR gab es bekanntlich einen Pokal. Dieser nannte sich FDGB-Pokal und wurde erstmals im Jahre 1949 ausgespielt. Die Sieger der Landespokale (die Bezirke in der DDR wurden erst später eingeführt) traten am 07. August 1949 im Viertelfinale an. Das Finale wurde am 28. August 1949 im Kurt-Wabbel-Stadion in Halle ausgetragen. Vor rund 10.000 Zuschauern spielte die BSG Waggonfabrik Dessau gegen die BSG Gera-Süd. Mit 1:0 konnte Dessau die Oberhand behalten, den Treffer des Tages erzielte Franz Kusmierek eine Viertelstunde vor Schluss. Damals gab es noch ein Spiel um Platz drei. Und dieses hieß am 20. August 1949: ZSG Horch Zwickau vs. BSG Carl Zeiss Jena. Als es in Gera nach Verlängerung 1:1 stand, musste am 31. August ein Wiederholungsspiel her. Gespielt wurde dieses Mal in Dresden. Und als es dieses Mal nach Verlängerung 2:2 stand, musste nochmals ein Wiederholungsspiel her. Am 06. September 1949 konnte ZSG Horch Zwickau in Dessau schließlich Jena mit 5:1 besiegen.

Carl Zeiss Jena. Ein FDGB-Pokalfinale in Halle. Nun kriegen wir prima die Kurve und kommen zurück ins Jahr 1968. Genauer gesagt auf den 9. Juni 1968. Am gleichen Tag wie das westdeutsche Pokalfinale wurde im Kurt-Wabbel-Stadion das Endspiel 1. FC Union Berlin vs. FC Carl Zeiss Jena angepfiffen. Leider sind im Netz keine Filmaufnahmen zu finden. In der zweiten Hauptrunde konnten die Eisernen aus Berlin-Köpenick am 26. Dezember 1967 beim ASK Vorwärts Cottbus mit 1:0 gewinnen, Jena behielt bei der BSG Chemie Zeitz klar und deutlich mit 4:0 die Oberhand. Im Achtelfinale musste Union Berlin nochmals nach Cottbus reisen, dieses Mal hatten es die Berliner mit Energie Cottbus zu tun. Nachdem es 1:1 nach Verlängerung stand, gab es ein Wiederholungsspiel. Dieses konnte Union mit 1:0 gewinnen. Jena kam in Form eines 2:1-Sieges beim 1. FC Magdeburg gleich im ersten Anlauf weiter. Im Viertelfinale 1968, das am 1. Mai 1968 ausgetragen wurde, gewann Jena bei der ASG Vorwärts Stralsund mit 2:0, der 1. FC Union Berlin besiegte daheim die BSG Sachsenring Zwickau mit 1:0. Nun ging es drum! Halbfinale am 22. Mai 1968! Jena schlug den 1. FC Lokomotive Leipzig mit 2:1, mit dem gleichen Ergebnis zogen die Eisernen gegen den Stadtrivalen FC Vorwärts Berlin ins Finale ein. Jürgen Nöldner hatte Vorwärts kurz vor der Pause mit 1:0 in Führung gebracht, in der 64. und 69. Minute konnten Harald Betke und Wolfgang Wruck die Partie drehen. Das Stadion An der Alten Försterei stand Kopf!

In Rückstand gerieten die Eisernen auch im Finale in Halle. Bereits nach 40 Sekunden machte Werner Krauß die Führung für die Jungs aus dem Paradies klar. Jena war sich sicher, den 1. FC Union locker flockig vom Rasen fegen zu können. Doch Pustekuchen! Handelfmeter nach einer halben Stunde. Meinhard Uentz übernahm Verantwortung und erzielte vom Punkt aus den Ausgleich zum 1:1. Den 2:1-Siegtreffer der Eisernen erzielte Ralf Quest in der 63. Minute. Der 1. FC Union Berlin war FDGB-Pokalsieger und freute sich nun riesig auf den Auftritt im Europapokal der Pokalsieger.

Die Auslosung besagte: Gegner würde der jugoslawische Vertreter FK Bor (heute Serbien) sein. Dieser hatte zwar das jugoslawische Pokalfinale gegen Roter Stern Belgrad mit 0:7 verloren, doch da Roter Stern bereits im anderen Pokalwettbewerb vertreten war, war der FK Bor trotzdem mit von der Partie. Zum Duell 1. FC Union Berlin vs. FC Bor sollte es jedoch nicht kommen. In die CSSR marschierten aufgrund des Prager Frühlings die Truppen des Warschauer Paktes ein. Die Lage war heikel, die UEFA beschloss, die Vertreter aus Ost- und Westeuropa in den ersten beiden Runden getrennt antreten zu lassen. Anmerkung: Jugoslawien war ein blockfreier Staat. Die Auslosung fand erneut statt, Gegner der Eisernen wäre nun Dynamo Moskau gewesen. Mit der Maßnahme der UEFA waren die Funktionäre der sozialistischen Staaten alles andere als zufrieden. Aus ihrer Sicht war dies ganz klar eine Diskriminierung. Einige sozialistische Länder (DDR, Sowjetunion, Rumänien, Ungarn, Polen und Bulgarien) zogen ihre Vereine zurück. Kurios: Der tschechoslowakische Vertreter Slovan Bratislava durfte im Europapokal der Pokalsieger spielen und trat nun gegen den besagten FK Bor an. Der Knaller: Slovan Bratislava schafft es bis ins Finale und bezwang dann in Basel den FC Barcelona mit 3:2! 

Und der 1. FC Union Berlin? Die Enttäuschung war bei Spielern, Betreuerstab und Fans riesig. Die Früchte durften nicht geerntet werden. Sensationell wurde Jena im FDGB-Pokalfinale geschlagen - und dann schauste nur in die Röhre! Etwas Trost gab es jedoch. Die Spieler reisten nach Sotschi, und es gab am 16. Juli 1968 ein Freundschaftsspiel gegen den brasilianischen Verein Associação Portuguesa de Desportos aus São Paulo. Mit 4:1 konnten die Brasilianer gewinnen, doch immerhin gelang den Eisernen der Ehrentreffer.

Nun, rund 50 Jahre nach dem legendären FDGB-Pokalfinale in Halle fand am vergangenen Wochenende im Stadion An der Alten Försterei ein Jubiläums-Spiel gegen den damaligen Gegner FC Carl Zeiss Jena statt. Zugleich wurde dieses Spiel als eine Art Saisoneröffnung und für die Mannschaftsvorstellung genutzt. Nicht wenige rechneten im Vorfeld mit rund 6.000 Zuschauern, doch am Ende fanden 11.058 Zuschauern den Weg auf die Ränge. Eine beeindruckende Kulisse für ein Freundschaftsspiel! Manch ein europäischer Erstligist würde sich über solch eine Zuschauerzahl bei einem Pflichtspiel freuen. Allerdings waren die Eintrittspreise aus Sicht der Fans auch wirklich knorke. Fünf Euro für einen Stehplatz, zehn Euro für einen Sitzplatz, für Kinder unter 12 Jahren war der Eintritt frei - das lockte bei dem schönen Wetter zahlreiche Familien ins zweite Wohnzimmer.

Gefeiert wurden die 68er Helden, gefeiert wurden die Spieler der Gegenwart. Vor dem Stadion wurde eine neue Statue eingeweiht, im Stadion selbst waren auf der Haupttribüne noch einmal die gemalten Gesichter der damaligen Spieler zu sehen. Rainer Ignaczak, Reinhard Lauck, Wolfgang Hillmann, Harry Zedler), Wolfgang Wruck, Hartmut Felsch, Ulrich Prüfke, Harald Betke, Günter Hoge, Meinhard Uentz, Ralf Quest, Jürgen Stoppok und Trainer Werner Schwenzfeier. Und was die aktuellen Spieler betrifft: Der neue Trainer Urs Fischer setzte fast alle Neuzugänge ein. Pro Halbzeit kamen je zehn Feldspieler zum Einsatz, nur der Torwart blieb. Und klar, in der frühen Phase der Saisonvorbereitung war kein spielerisches Feuerwerk zu erwarten. In der 16. Minute brachte Manfred Starke die Gäste (unterstützt durch rund 200 Fans) mit 1:0 in Führung. Nur zwei Minuten später zeigte der Schiedsrichter nach einem Foul an Felix Kroos auf den Punkt. Philipp Hosiner verwandelte den Elfer, am Ende blieb es beim 1:1. Das Kuriose: Im DFB-Pokal treffen sich beide Mannschaften wieder - und zwar am 19. August in Jena. Mal schauen, wer dieses Mal die Nase vorn haben wird…

Anmerkung: Bei den oberen vier Fotos handelt es sich nur um Symbolbilder

Fotos: Felix, Arne Amberg, Marco Bertram, frontalvision.com

> zur turus-Fotostrecke: 1. FC Union Berlin 

> zur turus-Fotostrecke: FC Carl Zeiss Jena

Artikel wurde veröffentlicht am
03 Juli 2018
Spielergebnis:
1:1

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