125 Jahre Einheit Pankow: In den 50ern rollte der Ball sogar in der DDR-Oberliga

Die Pankower Spieler waren mit den Köpfen wohl bereits beim WM-Spiel Deutschland vs. Mexiko, das um 17 Uhr angepfiffen wurde. Anders ist es nicht zu erklären, dass auf dem heimischen Paul-Zobel-Sportplatz am letzten Spieltag der Berliner Kreisliga A (Staffel 4) in der Nachspielzeit gegen den SC Minerva noch die 2:1-Führung aus der Hand gegeben wurde. Nach Rückstand in der 28. Minute konnte der VfB Einheit zu Pankow mit einem Doppelschlag von Michel Sobek und Djibril Plak nach einer Stunde die Partie drehen. Am Rande des Platzes wurde bereits alles für das gemeinschaftliche Schauen des WM-Gruppenspiels vorbereitet, als die Minerva-Spieler Sesij Dag und Gökten Erbas es in der 90+3. Minute und 90+4. Minute klingeln ließen. 3:2 für Minerva - das Spiel war aus! 

Allzu lang wurden die Gesichter der Pankower Spieler jedoch nicht. Die Saison wurde mit Rang sieben abgeschlossen, schnell wurden die letzten Vorbereitungen für den anstehenden WM-Abend getroffen. Zwei Bierfässer wurden herangerollt, zahlreiche Rum- und Cola-Flaschen wurden unter dem Ausschanktisch platziert. Mehr Rum als Cola. Lang wurden die Gesichter dann später, als Deutschland überraschend mit 0:1 gegen Mexiko verloren hatte. Doch ist dies eine andere Geschichte. Vielmehr soll es an dieser Stelle um den Verein VfB Einheit zu Pankow gehen. Der Grund: Ein ausgehängter Zettel war der Wink mit dem Zaunpfahl. Mensch ja, dieser Verein wird ja satte 125 Jahre alt. „Das wird gefeiert!“, stand auf dem kleinen Plakat geschrieben. Vom 29. Juni bis 01. Juli finden auf dem Paul-Zobel-Sportplatz Feierlichkeiten statt. So spielen am morgigen Samstag die Herrenmannschaften gegen Überraschungsmannschaften. Am Sonntag ab 9 Uhr findet der „Tag der Jugend mit Sport und Spiel“ statt. Abends ab 18 Uhr gibt es Musik und Show auf zwei Bühnen. 

Der jetzt bestehende Verein für Bewegungsspiele Einheit zu Pankow 1893 e.V. entstand am 14. Mai 1991 im Rahmen der Fusion der beiden Vereine SG Einheit Pankow und VfB zu Pankow 1893. Aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkrieges und der permanenten Umstrukturierungen zu DDR-Zeiten ist es schwer, in aller Kürze den Verlauf der Geschichte zu erklären. Der am 10. August 1893 ins Leben gerufene VfB Pankow wurde Ende 1945 wie sämtliche Berliner Vereine aufgrund der Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrats der Besatzungsmächte aufgelöst. Weiter ging es zunächst als Sportgemeinschaft Pankow-Nord, 1948 durfte wieder der Name „VfB Pankow“ geführt werden. 

Ein Jahr später zog die DDR-Sportführung VfB Pankow und Union Oberschöneweide aus der Berliner Stadtliga zurück und gliederte diese stattdessen in das Feld der DDR-Oberliga ein. Zum Saisonbeginn 1950/51 waren beide mit am Start, zudem war mit Lichtenberg 47 (eigentlich Aufsteiger in die Berliner Stadtliga) ein weiterer Ost-Berliner Vertreter mit dabei. Und auch insgesamt betrachtet ergab das Teilnehmerfeld noch einen ganz anderen Anblick als später in den 1960er und 1970er Jahren. BSG Fortschritt Meerane, BSG Rotation Dresden, BSG Aktivist Brieske-Ost, SG Volkspolizei Dresden, BSG Stahl Thale und die BSG Motor Gera ließen damals im Fußballoberhaus den Ball rollen. Meister wurde die BSG Chemie Leipzig vor der BSG Turbine Erfurt.

Und der VfB Pankow? Für ihn war die DDR-Oberliga sportlich betrachtet einfach eine Nummer zu groß. Allerdings muss hierbei betont werden, dass sechs Stammkräfte nach West-Berlin wechselten und dort ihr Glück suchten (dazu an späterer Stelle mehr). Man schrieb den 03. September 1950, als gleich am ersten Spieltag der VfB Pankow auswärts bei der BSG Turbine Halle eine deftige Klatsche kassierte. Mit 1:8 musste sich Pankow geschlagen geben,  den Ehrentreffer erzielte Gerhard Weiß in der 50. Spielminute. Umso überraschender, dass im folgenden Heimspiel vor 2.000 Zuschauern ein Punkt gegen Lokomotive Stendal geholt werden konnte. Nach frühem Rückstand brachten Dieter Seefeldt und Max König den VfB Pankow mit 2:1 in Führung. Kurz nach der Pause musste der Ausgleich hingenommen werden. Auswärts folgte jedoch gleich die nächste Niederlage, mit 1:3 musste sich Pankow in Erfurt geschlagen geben.

Nach drei Spieltagen waren die drei Ost-Berliner Vereine in der Tabelle ganz unten zu finden, oben marschierten Aktivist Brieske-Ost, Chemie Leipzig und Eisenhüttenwerk Thale im Gleichschritt. Dahinter waren Motor Zwickau und Rotation Babelsberg zu finden. Brieske-Ost und Thale mussten im Laufe der Saison noch Federn lassen, Chemie Leipzig wurde wie bereits erwähnt DDR-Meister 1951. Während die BSG Motor Oberschöneweide (aus „Union“ wurde zunächst „Motor“) auf Rang 15 die Klasse halten konnte, musste Lichtenberg 47 als Vorletzter absteigen. Nur zwei Siege in 34 Partien konnte der VfB Pankow einfahren, der am Ende der Saison in BSG Einheit Pankow umbenannt wurde. 

Im Sommer 1951 geschah erstaunliches. Am 13. August 1951 wurde ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem mitgeteilt wurde, dass die BSG Einheit Nordost Berlin in die DDR-Oberliga aufgenommen wird. So hieß es unter anderem: „Das Präsidium der Sektion Fußball ließ sich davon leiten, dass Berlin als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der DDR in der Oberliga vertreten sein muss.“ So ging zur Saison 1951/52 etwas überraschend die Mannschaft der BSG Einheit Pankow wieder in der DDR-Oberliga ins Rennen. Also dann, auf in die nächste Runde!

Dieses Mal ging das erste Saisonspiel jedoch noch derber in die Hose. Mit sage und schreibe 0:9 wurde auf dem heimischen Sportplatz vor rund 2.000 Zuschauern gegen die BSG Motor Dessau verloren. Auswärts wurde indes fast das Ruder herumgerissen. Am 02. September 1951 gab es bei der BSG Fortschritt Meerane ein 1:1. Das kommende Heimspiel gegen Turbine Erfurt wollten sogar 5.000 Fußballfreunde sehen, und bereits nach drei Minuten durfte gejubelt werden. Werner Hofmann brachte Einheit Pankow in Führung. Am Ende hieß es dann jedoch 1:3. Dreimal konnte Wolfgang Nitsche für die Blumenstädter einnetzen. Am 5. Spieltag gab es vor 6.000 Zuschauern ein 1:1 gegen den amtierenden Meister Chemie Leipzig, den ersten Saisonsieg gab es allerdings erst am 21. November 1951 zu sehen. Vor rund 1.000 Zuschauern platzte der Knoten gegen die BSG Motor Wismar, 4:1 lautete der Endstand. Und der nächste Sieg folgte nur zwei Spieltage später. Am 06. Januar 1951 konnte beim Stadtrivalen BSG Motor Oberschöneweide im Stadion An der Alten Försterei vor 6.000 Zuschauern mit 2:1 gewonnen werden.

Am Ende waren es fünf Saisonsiege, die Einheit Pankow einfahren konnte. Zu wenig, um die Klasse zu halten. Als Tabellenletzter ging es nun wirklich eine Etage wieder. Unter anderen gemeinsam mit der BSG Einheit Ost Leipzig, der BSG Motor Mitte Magdeburg, der SG Dynamo Berlin und der SG Dynamo Rostock spielte Einheit Pankow in der Saison 1952/53 in der Staffel 2 der DDR-Liga und konnte in dieser als 10. von 13 Mannschaften die Klasse halten. Abwärts ging es jedoch am Ende der Zweitligasaison 1953/54. Während Pankow gemeinsam mit Motor Hennigsdorf den Weg in die Bezirksliga antreten musste, stieg ZSK Vorwärts Berlin mit 43:9 Punkten in die Oberliga auf. 

Bevor wir jedoch gedanklich den Sprung in die jüngere Vergangenheit vollziehen, muss ein Spiel der Pankower noch unbedingt erwähnt werden! Am 14. September 1952 stand die BSG Einheit Pankow im Finale des FDGB-Pokals! Dieses wurde im Stadion an der Normannenstraße (später Zoschke-Stadion) ausgetragen. Gegner vor 18.000 (!) Zuschauern war die SG Volkspolizei Dresden. Dass Pankow im Finale stand, war jedoch ein Ding, denn die Halbfinalpartie bei Lok Stendal wurde mit 0:1 verloren. Allerdings wurde Stendal disqualifiziert, weil der Trainer Jochen Giersch (zuvor bei Einheit Schwerin) angeblich keine Freigabe erhalten hatte. Nun denn, die Pankower freuten sich aufs Endspiel, und in der Startelf stand ein wohl bekannter Spieler. Karl-Heinz Spickenagel („Spicke“ oder „Kalle“ genannt) hütete das Gehäuse. Das 0:3 gegen Dresden konnte er jedoch nicht verhindern. Später spielte er von 1955 bis 1964 bei Vorwärts Berlin und war auch etliche Male als DDR-Nationaltorwart im Einsatz.

Konfus wurde es ab 1954. Zuerst erfolgte die Angliederung an die BSG Lok Lichtenberg, vier Jahre später fusionierte Lok Pankow mit der BSG Lok Bau Union Buchholz zur neuen BSG Einheit Pankow. In der Folge wurde meist in der Bezirksliga gespielt, in den Spielzeiten 1971/72, 1973/74 und 1975/76 wurde nochmals Zweitligaluft geschnuppert. 1971/72 wollten im Schnitt immerhin 1.682 Zuschauer die Heimspiele sehen, gewonnen werden konnten allerdings nur zwei Partien. In den anderen beiden Spielzeiten kamen deutlich weniger Zuschauer auf den Paul-Zobel-Sportplatz. 

So, alles klärchen? Noch nicht ganz! Es kommt noch besser! Am 19. Juli 1951 wurde in West-Berlin der VfB Pankow (West-Berlin) neu gegründet. Später hieß er VfB zu Pankow, und gespielt wurde zunächst auf dem städtischen Sportplatz in Tegel. Und ja, mit genau diesem Verein fusionierte nach dem Fall der Mauer Einheit Pankow. Am 14. Mai 1991 entstand der VfB Einheit zu Pankow, und nun wissen wir alle, was es mit dem „zu“ auf sich hat. 

Und sportlich? Um die Jahrtausendwende herum spielte VfB Einheit zu Pankow in der Berliner Landesliga. Am Ende der Spielzeit 2002/03 erfolgte als Tabellenletzter der Abstieg in die Bezirksliga. Immerhin wurde sich mit einem 3:2-Sieg gegen den SV Blau-Weiss Berlin verabschiedet. Und Einheit Pankow kam noch einmal wieder. Gemeinsam mit S.D. Croatia Berlin wurde Dank des 1:0-Auswärtssieg bei SF Kladow am letzten Spieltag in die Landesliga aufgestiegen. 2007 ging es jedoch wieder runter. 19 Punkte aus 30 Partien - das war schlichtweg zu wenig. 

Noch einmal gelang Einheit Pankow die Rückkehr in die Landesliga. Haucheng ging es am Ende der Bezirksliga-Saison 2010/11 zu. Der 4:0-Sieg gegen den 1. FC Lübars brachte den Aufstieg in trockene Tücher. Ebenso knapp ging es in der Folgesaison in Sachen Abstiegskampf zu. Der 4:0-Sieg am letzten Spieltag nutzte nichts, da zeitgleich der BFC Alemannia 90 Wacker mit 3:2 gewinnen und somit mit einem Punkt Vorsprung die Klasse halten konnte. 

Runter in die Kreisliga A ging es am Ende der Saison 2014/15. Als Tabellenvierter der Staffel 2 wurde 2016 hinter dem BFC Südring, dem MSV Normannia und dem Friedrichshagener SV der direkte Wiederaufstieg verpasst. Ebenso Vierter wurde Einheit Pankow in der Saison 2016/17. Am letzten Spieltag wurde aufgrund der 1:3-Pleite in Kladow noch Rang drei hergegeben. Eine ganz bittere Geschichte! Stattdessen rückten die Jungs von BSC Kickers hoch. Die zurückliegende Kreisliga A-Saison wurde mit Platz 7 abgeschlossen. Im Berliner Pilsner Pokal wurde in der Qualifikationsrunde mit 5:0 beim FC Grunewald gewonnen, in der ersten Hauptrunde war daheim gegen die SG Stern Kaulsdorf (1:3) Schluss. 

Und ja, eine Sache noch. Neuen Besuchern wird auf dem Paul-Zobel-Sportplatz ziemlich schnell das Schild mit der Aufschrift „Edgar-Külow-Kurve“ ins Auge fallen. Dieses wurde anlässlich des 120. Geburtstages von Einheit Pankow im Sommer 2013 aufgestellt und feierlich eingeweiht. Der Schauspieler, Kabarettist, Autor und Synchronsprecher Edgar Külow (1925 bis 2012) war einst ein treuer Fan von Einheit Pankow und schrieb in jüngerer Vergangenheit regelmäßig auf der Website des Vereins eine Kolumne mit dem Titel „Der Eckenbrüller“. Von der Stelle aus, an der nun das Schild steht, hatte Edgar Külow zuletzt die Heimspiele seines Vereins verfolgt.  

Fotos: Marco Bertram, frontalvision.com

Artikel wurde veröffentlicht am
29 Juni 2018

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G
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Walter-Ulbricht-Stadion
Wie hat es denn das Foto vom Stadion der Weltjugend in den Artikel geschafft? Hab in dem Artikel keine Referenz dazu gefunden.
S
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G
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G
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R
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