Babelsberg 03 verkauft seine Seele: Testspiel gegen RB Leipzig für Geld und Image

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Ach kiek mal an, der Facebook-Account des SV Babelsberg 03 wurde geknackt, schoss es am Montagabend durch den Kopf. Um das, was dort zu lesen war, konnte es sich schließlich nur um einen schlechten Witz handeln. Beim Klick auf den Link kam dann aber die Erkenntnis: Halt dich fest, das ist kein Witz! Das ist ernst gemeint! Der SV Babelsberg 03 hat RB Leipzig dazu ermuntert, zu einem Benefizspiel anzutreten. Mein lieber Scholli, fährt es nun durchs Hirn! Wie tief kann man sinken, um RasenBallsport Leipzig aus dem Hause Red Bull ins Karl-Liebknecht-Stadion einzuladen?! Das ist ja auf gut Deutsch gesagt ein Schlag in die Fresse all der anderen deutschen Fanszenen, die sich seit Jahren mit aller Macht gegen die in der Messestadt installierte Kapitalgesellschaft auflehnen. Ein brachialer Querschuss in Richtung 50plus1bleibt-Kampagne. 99 Prozent der RasenBallsport Leipzig GmbH gehören der Red Bull GmbH mit Sitz in Fuschl am See. Also quasi Dietrich Mateschitz persönlich. Was bei Hannover 96 droht / droht, ist bei RB Leipzig praktisch gelebte Realität. Wie viele Babelsberger Fangruppierungen haben eigentlich bei der aktuell laufenden 50plus1bleibt-Kampagne unterzeichnet? Der Blick auf die Webseite besagt: Zwei! Und zwar: „junge Ultras Babelsberg“ und „Underdogs Babelsberg“. Bemerkenswert: Auch die „rasenballisten“ von RB Leipzig sind bei der Aktion mit dabei.

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Erst mal drüber schlafen! Gedanken sortieren. „Geld schießt keine Tore“, hieß es vor rund zwei Jahren, als der SV Babelsberg 03 gegen die U23 von RB Leipzig antreten musste. „Nous sommes Babelsberg“. Die damalige Partie wurde dazu genutzt, medial mobil zu machen. Es sollten wieder mehr Zuschauer ins Karl-Liebknecht-Stadion strömen. Ganz klar zeigen, dass man zu einem regional verwurzelten Traditionsverein steht. Im März 2018 wird nun bekanntgegeben, dass freiwillig gegen RB Leipzig ein Freundschaftsspiel ausgetragen wird. Ich kann es echt kaum glauben. Ein groß angelegtes Fanturnier mit politisch links ausgerichteten Gruppierungen wie die „Red Aces“ hätte ich mir vorstellen können, aber ein Spiel gegen die erste Mannschaft?

BVB

Die Finger erheben sich! Aber, aber, aber! Sämtliche Einnahmen kommen dem SV Babelsberg 03 zugute! Und das Spiel findet auch im Rahmen der Kampagne „Nazis raus aus den Stadien!“ statt. Ganz ehrlich, welcher Profiverein würde solch eine Aktion nicht unterstützen? Und was die reinen Einnahmen betrifft, da hätte es eine ganze Palette attraktiverer Gegner gegeben. Als spannendes sportliches Highlight wird der Kick gegen RB Leipzig verkauft. Sehr spannend, wenn ein Regionalligist gegen eine Spitzenmannschaft der 1. Bundesliga antritt. Und fantechnisch? Langweiliger könnte es kaum sein. Selbst wenn theoretisch 500 RB-Fans mitkommen würden. Was hätte man sich zu sagen? Ein gemeinsames „Nazis raus!“? Diesbezüglich würde ich andere Alternativen vorschlagen. Wie wäre es mit einem groß angelegten internationalen Turnier? Man könnte Red Star Paris, den FC United of Manchester, Austria Salzburg sowie den Vienna FC und den Wiener Sportklub (das „Derby of love" lässt grüßen) einladen. Dazu auch noch Livorno und nach Möglichkeit ein, zwei Mannschaften (mit linksalternativem Hintergrund) aus Polen und der Ukraine. Alles für den Frieden. Den Weltfrieden! Für die Völkerverständigung! Für den Fußball! Für uns alle! Die Ränge wären voll, das Merchandising würde flutschen, und auch für Nulldrei würde etwas in der Kasse bleiben.

FC United

Aber bitte! Gegen RB Leipzig?! Unvergessen das Heimspiel des FC St. Pauli in der 2. Bundesliga gegen die Leipziger. Es wurde gezeigt, was es bedeutet, echte gewachsene Fankultur auszuleben. Wie viele Fanszenen haben sich dagegen - mitunter erfolgreich - aufgelehnt, wenn ihr Verein in Winter- und Sommerpause einen Testkick gegen RB Leipzig geplant hatte!? Red Bull hat wahrlich genügend Geld. Sollen sie doch gegen Sevilla, Benfica, Stoke City und Dukla Praha testen, wie im vergangenen Sommer geschehen. Regional erklärten sich nur der SV Dessau 05 und der ZFC Meuselwitz bereit, gegen die Leipziger Abteilung des Red Bull Konzerns anzutreten. Es ist nicht zu begreifen. Von Freiburg bis Bremen wird sich in den Kurven eine Platte gemacht, wie Protest gegen Red Bull bestmöglich aufzuziehen sei (unvergessen auch die Salzburger Geschichte im Jahr 2005) - und in Babelsberg holt man sich diesen Verein einfach mal so in die Filmstadt.

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Dort in der Nordkurve hängt Karl-Liebknecht über einem Schild, dort unten auf dem Rasen läuft das Großkapital auf. Da kannste echt nur den Kopf schütteln. Eine klassische win-win-Situation, erklärte jemand im Babelsberger Forum. Der eine poliert sein Image auf, der andere bekommt was in die Kasse. Gut möglich, dass RB Leipzig gleich noch paar mehr Scheine in den Sammeltopf der Kampagne „Nazis raus aus den Stadien!“ wirft. Alles gut also? Wer das so sieht, hat sich vom Fußball, den wir einst alle liebten, wirklich endgültig verabschiedet. Erschreckend sind die Reaktionen vieler Nulldrei-Fans. Während einige auf die Barrikaden gehen oder einfach nur angewidert das Haupt schütteln, reihen sich nicht viele Nulldreier in das „Ach komm, RB ist doch gar nicht so schlimm!“ ein.

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Richtig der Hut hoch geht einem bei folgendem Eintrag im Forum: „… Klar ist, ohne das liebe Geld geht es nun mal nicht mehr. Aber RB setzt konsequent auf die Jugend, engagiert sich in der Region und wird mittlerweile auch angenommen. Außer von verblendeten Linken.“ Mein lieber Herr Gesangsverein! Das man dies in zahlreichen Foren zu lesen bekam, dürfte klar sein. Die breite Masse möchte „einfach nur Fußball schauen“. Wenn es sein muss, eben auch gegen RB Leipzig. Die haben schließlich auch eine prima Mannschaft. Und mit Geld schaufeln täte ja schließlich jeder Profiverein. In Babelsberg hätte ich solche Kommentare im Forum und auf Facebook nicht erwartet. Gefühlt gibt es mehr Zustimmung als Ablehnung. RB Leipzig akzeptieren so wie es ist, weil die Masse es annimmt und in die Arena rennt? Weil in den Jugendakademien hoch professionell junge Spieler herangezogen, dann selbst eingesetzt oder für gutes Geld verkauft werden? Herangezogenes Spielermaterial, um es drastisch auszudrücken. Ich dachte immer, die Anhängerschaft solch eines Vereins wie Babelsberg 03 würde das Ganze wirklich skeptisch betrachten.

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Vor einigen Jahren ergab sich in Babelsberg für Außenstehendes folgendes Bild: Die Anhängerschaft in der Nordkurve und zweitweise auch im Block O war unangepasst, sehr kritisch (auch gegenüber dem eigenen Verein), rebellierend, aufrührerisch und unbequem. Die dortige Anhängerschaft war sicherlich nicht jedermanns Geschmack, doch das Unangepasste erzeugte auch beim Gegner mitunter Respekt. Jetzt liest man im Forum mitunter folgendes: „Diesen Soli-Kick kann man nur begrüßen…“ und „Es geht hier um unseren SVB und nicht um irgendwie um ne Brause, die Du nicht magst! Soll heißen lieber ein bisschen die Klappe halten!“

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Es ist erschütternd - und das ist noch gelinde ausgedrückt. Es geht beim Benefizspiel vor allem um die Konsolidierung und die von der Landeshauptstadt Potsdam zugestimmten und befürworteten Umschuldung? Dann holt ran, wer ranzuholen ist! Die BSG Chemie Leipzig zeigte / zeigt, was möglich ist, wenn Gelder - in diesem Fall für das notwendige Flutlicht - dringend benötigt werden. Spiele gegen den TSV 1860 München und den FC Schalke 04 II. Es muss auch nicht, wie man im Fall der Leutzscher gesehen hatte, immer die erste Mannschaft zu Gast sein. Unter Umständen kann es auch die U23 sein. Warum also nicht die zweite Mannschaft des SV Werder Bremen einladen? Im Schlepptau die Ultras des SV Werder! Das könnte ein friedliches, farbenfrohes Fest werden. Und sportlich wäre das Spiel auf dem Rasen ein Duell auf Augenhöhe. Also demzufolge ein echter Test in der Vorbereitungsphase. Zudem könnte gemeinsam die von Nulldrei initiierte Kampagne vorangebracht werden. Denkbar wäre dies auch gegen eine zweite Mannschaft von Fortuna Düsseldorf, wenn die Profimannschaft nicht bezahlbar wäre.

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Weshalb wird RB Leipzig die Plattform geboten, das Image aufzupolieren? Möchte man sich dort gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit klar positionieren, kann dies gern im eigenen Stadion getan werden. Statt der roten Bullen könnte bei einem Bundesligaspiel der Schriftzug auf dem Trikot zu sehen sein. Nicht möglich aufgrund der DFL-Auflagen? Dann eben eine große Choreo. What ever.

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Aber nein. Die „Roten Bullen“ zu Gast im KarLi. Andere Vereine lassen bei Pflichtspielen bewusst das Logo auf Anzeigetafel und in Programmheften weg - der SV Babelsberg 03 wirbt indes mit fröhlichen Fanfotos und dem Bullen-Logo. Wo ist sie geblieben, die Aufruhr der 90er Jahre? „Der General putzt fürs Kapital!“, hieß es mal einst an maroden Friedrichshainer Hauswänden. Nun werden die Klinken geputzt fürs österreichische Großkapital. Bitte hinein spaziert! Das Deckmäntelchen der Kampagne ist in diesem Fall einfach zu arg dünn, um den Babelsberger Image-Schaden auszugleichen. Und RB Leipzig? Kann einfach nur gewinnen. Wie immer eigentlich, wenn Red Bull als solches oder die angegliederten Kapitalgesellschaften heiß im Gespräch sind.

Fotos: Marco Bertram, nur-der-scf.de, Felix, Patrick Skrzipek

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Artikel wurde veröffentlicht am
20 März 2018

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Och menno, jetzt habe ich mich so uff die Kommzerzbrause gefreut und dann sagt NullDrei das nun ab: https://babelsberg03.de/blog/2018/03/23/kein-benefizspiel-gegen-rb-leipzig/
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Schön den Babelsbergissten an die Eier gepackt. Fein dass es hier mal auf den Punkt gebracht wird. Die Arroganz dort kotzt mich schon seit geraumer Zeit an.
G
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"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral."

Irgendwann ist "Thor Steinar" gar neuer Brustsponsor...
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