Röbel, Böhlen und HFC Chemie: Wenn alte DDR-Fußballwimpel einiges zu berichten haben

Die Post benötigte über den Jahreswechsel etwas mehr Zeit, doch endlich war der Moment gekommen, als das Überraschungspäckchen im Briefkasten lag. Bei einer Tasse Kaffee wurde fix der Umschlag aufgerissen, zum Vorschein kamen zahlreiche Fußballwimpel aus DDR-Zeiten. Ein guter Freund aus Duisburg / Erfurt wollte mir eine kleine Freude machen und stellte eine Auswahl zusammen. Interesse? Na klar doch! Anfang der 90er hingen sie auch bei mir an der Wand, später verschwanden solche Wimpel irgendwo im Schuppen, in der Gegenwart ist das Interesse wieder geweckt. Was Christian mir hineingepackt hatte, wusste ich nicht. Umso größer die Vorfreude beim Ausbreiten der Wimpel. Gleich ins Auge fiel das kleine Exemplar der BSG Chemie Leipzig. Das geschwungene „C“ erinnert so hübsch an den Kolben. Wie oft hatten wir als Schüler an der POS im Geographieunterricht die Symbole der Industriezweige auf Karten eingezeichnet?! Die Spindel, das Maschinenrad, das aufgeschlagene Buch, der Blitz im Kreis und im Rechteck, das angedeutete Lenkrad und der besagte Kolben. Frage in der Leistungskontrolle: „Wo befinden sich die größten Kombinate der Petrochemie? Zeichne das entsprechende Symbol in der Landkarte ein!“ Buna. Leuna. Schkopau. Schwedt.

Chemie

Der vor mir liegende Leutzscher Wimpel schnuppert nach der alten Zeit. Ein alter Lederball wird vom geschwungenen „C“ umschlungen. Witzigerweise ähnelt der Ball dem im Vereinsemblem des 1. FC Lokomotive. „BSG“ steht oben in der Ecke orange geschrieben. Etwas merkwürdig sieht es aus, da das „G“ eine Reihe tiefer extra steht. Bleiben wir beim Grün. Ein Wimpel der BSG Chemie Böhlen ist auch dabei. Das „C“ führt in diesem Fall kreisrund um den restlichen Namen. Nähte kamen hier nicht zum Einsatz. Der einfache bedruckte Stoff wurde in eine ebenso fünfeckige Folie verpackt. Oben wird alles mit einer runden Metallklemme abgeschlossen. Die klassischen Außennähte / Kordeln haben indes die meisten anderen Wimpel. So auch der Große von der Fußball-Bezirksliga Neubrandenburg aus der Saison 1977/78. Was für echte Fußball-Historiker. Man muss bei den rechts aufgeführten Vereinslogos schon genau hinschauen, um die Namen zu erkennen. Als Bezirksmeister ging damals die BSG VB Demmin ins Rennen, als Zweiter wurde die BSG Post Neubrandenburg aufgeführt. Aufsteiger waren die BSG Einheit Teterow und die BSG BR Neubrandenburg. Des weiteren mit dabei waren die BSG Nord Torgelow, Dynamo Röbel, die BSG Malchin, Einheit Strasburg und die TSG Neustrelitz.

Bezirksliga

Ein Blickfang ist auch des Exemplar der BSG Wismut Gera. Seitlich eine schwarz-rot-goldene Kordel, auf der Rückseite Hammer, Zirkel und Ährenkranz der Deutschen Demokratischen Republik. Knapp drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall wirkt das DDR-Emblem nicht nur wie aus einer anderen Zeit, sondern wie aus einem völlig anderen Leben. War ich es wirklich, der immerhin zum letzten Jahrgang gehörte, der im Sommer 1990 das POS-Abschlusszeugnis der 10. Klasse überreicht bekam?! Wahnsinn, ich war immerhin 17, als im Oktober 1990 die DDR von der Landkarte verschwand. Mit dieser Thematik werde ich mich in einem aktuell in Arbeit befindlichen Buch ausführlich auseinandersetzen. Jetzt aber drehe ich lieber schnell den Wimpel, damit mich das orangefarbene Emblem der BSG Wismut Gera anlächelt. Genial, dass man sich in Gera besann und den alten Namen samt Emblem wieder aufleben ließ. Ein echter Hingucker. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Der alte Wimpel ist klasse. Links neben dem Wappen zwei Streifen. Schwarz und Orange. Unten ein „Sektion Fussball“. Ein schönes Wort, dieses „Sektion“.

Die Farbe Orange wurde auch bei einem Wimpel des 1. FC Magdeburg verwendet. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht weil Blau und Orange grafisch so gut zusammenpassen. Wie nennt man das? Komplementärfarben? Grafisch im großen Stil kam das Orange auch beim Spieler in der Mitte zum Einsatz. Und zwar für Oberschenkel, Hände und Gesicht. Die Spielerkleidung: Komplett in Weiß. Wie Real Madrid. Das weiße Ballett. Warum auch nicht? Das „Europapcupsieger 1974“ ist schließlich sofort erkennbar. Hinzu kommen die Meistertitel 1972, 1974 und 1975 sowie die FDGB-Pokalsiege 1964, 1965, 1969, 1973, 1978 und 1979.

Sachsenring

Allein de FDGB-Pokalsiegen 1963, 1967 und 1975 wurde im Fall der BSG Sachsenring Zwickau ein eigener Wimpel gewidmet. Demzufolge ist anzunehmen, dass das gute Stück aus dem Jahr 1975 stammt. Vorne drauf der Pokal, das Vereinsemblem und der Name, hinten sind die Gesichter von 16 Spielern samt ihrer Unterschriften zu sehen. Im Fall des Torhüters Jürgen Croy wurde der gesamte Oberkörper samt Ball in den Händen gezeichnet. Was fehlt, ist die Unterschrift von Croy. Ich schaue zwar noch mal, ob sie irgendwo geschickt eingearbeitet wurde, aber nein, sie wurde einfach weggelassen. Vielleicht auch deshalb, weil eh jeder ihn erkannte. Im Fall von Pfeifer, Schubert & Co. musste mit der Unterschrift nachgeholfen werden, zumal die abgedruckten eher klein und und nicht mit sooo vielen Details versehen sind.

Was haben wir noch im Angebot? Einen Wimpel der BSG Stahl Brandenburg! Bestehend aus bedrucktem Filz, eingenäht in durchsichtigem Plastik, außen dran lange blaue Fransen. Weshalb als Schnur / Kordel zum Aufhängen eine rote gewählt wurde? Da muss es ganz einfach Lieferschwierigkeiten gegeben haben. Anders kann man das nicht erklären. Unter dem Strich ein ziemlich hässliches Teil, aber gut, auch das gehört zur Geschichte der Wimpel. Nächstes Kuriosum: Unter dem Haufen lugte etwas Weinrot-Weißes hervor. Ah klar, ein BFC-Wimpel ist auch wieder dabei. Doch denkste! Es handelt sich um einen Wimpel des Halleschen Fußballclub Chemie. Aus irgendeinem Grund bekam die Farbe eine weinrote Note. Was wohl die Besitzer eines solchen Wimpels damals gedacht haben mögen? Oder dunkelte das Rot über die Jahrzehnte einfach nur ab? Auf jeden Fall hat dieser Wimpel keinesfalls die gewohnte Qualität der DDR-Oberliga-Wimpel. Die Rückseite des HFC-Wimpels ist glatt und unbedruckt, die seitlichen Nähte sind grober.

Klein, aber fein kommt ein kleiner Wimpel der SG Dynamo Dresden daher. Hinten drauf der in Weinrot abgedruckte Zwinger, vorn das Dynamo-D und das in Schwarz-Gelb gehaltene „Dresden“. Die Kordel wurde ebenfalls in den Farben Schwarz und Gelb gehalten. Beim Betrachten des Wimpels fragte ich mich, wie genau eigentlich das aktuelle Vereinsemblem aussieht. Irgendein Detail ist anders. Und ja richtig, auf dem Wimpel wurde oben noch das „Dynamo“ in Weinrot hinzugefügt. Beim Blick ins Netz gab es sogleich einen Aha-Effekt, denn erst ab 1968 wurde unten das „Dresden“ hinzugefügt. Von 1953 bis 1968 gab es nur das weiße geschwungene „D“ auf dem weinroten Untergrund. Demzufolge dürfte einleuchten, dass vor 1968 auch die Spielkleidung in Weinrot gehalten wurde.

Mit im Umschlag lag auch ein Wimpel ohne Fußball-Bezug. Die „Geschichte der Berliner Wappen“. Auf der Vorderseite wird das Ost-Berliner Wappen (jenes mit der roten Krone) von historischen Wappen von 1275 bis 1920 eingerahmt. Der Bär tauchte wohl um 1338 zum ersten Mal im Stadtwappen auf. Den roten Adler (damaliges Siegel der Schwesterstadt Cölln) trug er damals kurioserweise am Halsband. Auf wikipedia steht allerdings geschrieben, dass es das Brandenburgische Adlerschild ist, dass der Bär hinter sich herzog. Sei es, wie es sei, wir werfen rasch einen Blick auf die Rückseite des Wimpels. Zu sehen sind neun wichtige Gebäude aus „Berlin Hauptstadt der DDR“. Wer als geborener Ost-Berliner würde auf Anhieb auf jene kommen? Klar, der Palast der Republik, das Brandenburger Tor, die Humboldt Universität, die Deutsche Staatsoper und das Palais Unter den Linden dürften gesetzt sein. Und dann? Fernsehturm? Berliner Dom? Nein! Abgedruckt wurden noch die Deutsche Staatsbibliothek, das Museum für Deutsche Geschichte, die Sowjetische Botschaft und die Kommode.

Hertha BSC

Zurück zum Fußball. Nicht alle Wimpel kommen aus dem Osten. Für mich als Berliner, hatte mein Erfurter / Duisburger Freund noch zwei alte Hertha-Wimpel reingepackt. Für die beiden Kinder. Einer der beiden Wimpel ist komplett in Plastik eingeschweißt und hat das markante runde Vereinswappen drauf, das bis 1984 genutzt wurde. Jenes, bei dem die Buchstaben von „Hertha BSC“ so verzerrt sind, dass sie optimal die gedachte Oberfläche eines Balls ausfüllen. Als Kind fand ich dieses Emblem arg verstörend. Es schien, als würde die Hertha gleich platzen wollen. Und da macht es „Bumm“… Eine Version mit Fahne wurde für den Wimpel genutzt, der an das DFB-Pokalspiel 1977 erinnern soll, das einst in Hannover ausgetragen wurde. Damals spielte Hertha BSC gegen den 1. FC Köln. Das große weiße „H“ wurde in der oberen blauen Fläche der Fahne abgedruckt. Auf der unteren weißen Fläche ist wie heute „Hertha BSC“ zu lesen. Damals hatte man auf jeden Fall eine große Vorliebe für Punkte. So ist oben auf dem Wimpel Schwarz auf Weiß zu lesen: „D.F.B. Pokal-Endspiel Hertha B.S.C. - 1.F.C Köln“. Ganze neun Abkürzungspunkte in zwei Zeilen unterzubringen - das hat schon was.

Sonst noch was? Nein, für heute wäre ich erst einmal durch. Aber wie ich den in der Blumenstadt geborenen Duisburger kenne, gibt es nach diesem ausführlichen Bericht gewiss bald Nachschub…

Vielen Dank an Christian L.! :-)

Artikel wurde veröffentlicht am
22 Januar 2018

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