Auf dem Schienenweg nach Gdynia: „Unfreiwillig“ auswärts mit Pogoń Szczecin

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R Updated 28 August 2017
Auf dem Schienenweg nach Gdynia: „Unfreiwillig“ auswärts mit Pogoń Szczecin

Getrieben von der unersättlichen Neugier hinein in den nächsten Zug. Das Reiseziel: Polen. Und plötzlich sitzt man in der gleichen Bahn wie die dunkelblau-bordeauxrote Reisegesellschaft, die bei Arka Gdynia den Gästeblock füllen wird. Es gibt bekanntlich zahlreiche Wege, um den Fußball mit all seinen Facetten zu erleben. Der eine lebt seine Emotionen aktiv in den Fankurven aus. Andere machen es sich eher gemütlich auf den Sitzplätzen des heimischen Stadions und knabbern in aller Ruhe an der Wurst. Wiederum andere lockt der stete Blick über den Tellerrand. Kreuz und quer durch Deutschland, durch Europa, manchmal durch die ganze Welt. Der eine macht in seinem Statistikheftchen sein Kreuzchen, der andere will einfach nur die Fußballwelt kennenlernen. Manch einer genießt ganz still für sich, andere teilen ihre Erlebnisse im Netz. Wir möchten ab und an Gastautoren die Möglichkeit geben, ihre Berichte in unserem Magazin zu präsentieren. Zu lesen gibt es heute etwas von „HRO Hopping“ zum Spiel Arka Gdynia MKS Pogoń Szczecin - das Wort wird nun übergeben:

Polen

So genau kann ich eigentlich gar nicht erklären, was mich zu dem Trip an diesem Wochenendes getrieben hat. Das letzte Wochenende in Kraków ging einfach viel zu schnell vorbei, die Auswärtsfahrt nach Würzburg sollte auch nicht angetreten werden und Sonntag wollte ich stattdessen den „Amas“ des F.C. Hansa Rostock einen Besuch abstatten. Das sollte der einzige Programmpunkt dieses Wochenendes sein? So nahm die Idee, dieses Wochenende einem Besuch bei Arka zu widmen Gestalt an, und es fand sich tatsächlich spontan auch noch ein Verrückter, der mich begleiten wollte.

Am Samstag morgen ging es für uns bereits gegen 4 Uhr in Rostock los, um den ersten Streckenabschnitt bis Szczecin mit dem Auto zu meistern, bevor es von dort mit dem TLK weitergehen sollte. Geplant war, auf einem der 24h-bewachten Parkplätze zu parken, der leider ein ganzes Stück vom Bahnhof weg liegt - natürlich hat die telefonische Reservierung nicht so wirklich funktioniert, und so dauerte es länger als gedacht, bis wir endlich Richtung Bahnhof aufbrechen können. Zu Fuß und mit etwas Straßenbahn-Hopping erreichen wir irgendwie noch 2 Minuten vor Abfahrt unseres Zuges den Bahnhof, nur um festzustellen, dass die Fans von Pogoń offensichtlich das gleiche Verkehrsmittel wie wir gewählt haben. Die Polizei hat die gesamten vorderen Waggons abgesperrt, und so dürfen wir noch einmal die Beine in die Hand nehmen, um im Zugteil für Normalreisende einzusteigen.

Polen

Ansonsten verläuft die Zugfahrt ohne besondere Vorkommnisse und so erreichen wir Mittags Gdynia. Während wir ohne Probleme die Polizeisperre passieren, sammeln sich die Pogoń-Fans erstmal ziemlich gesittet auf dem Bahnsteig. Erst als alle anderen Reisenden weg sind, geht es für den etwa 200-Personen-Mob, begleitet von Polizisten mit Schild, Gummipistole und Reizgas, durch den Bahnhof. Während auf dem Bahnsteig noch alles ruhig gewesen war, singt sich der Mob jetzt auf dem etwa 40-minütigen Fußmarsch zum Stadion schon einmal warm. Etwas verwundert hat die Aktion schon, da offensichtlich auf der gegenüberliegenden Bahnhofsseite Shuttle-Busse bereitstanden.

Unweit des Bahnhofs finden wir einen kleinen Arka-Fanshop, wo wir für 30 Złoty Tickets für die Haupttribüne bekommen. Für uns gilt es nun Sachen einzuschließen, noch etwas zu essen zu finden und schließĺich ebenfalls zum Stadion aufzubrechen. Nachdem wir uns mit einer Portion polnischer Ente mit Apfel und ein paar Pierogi vollgefuttert haben, nehmen wir am Ende doch ein Taxi zum Stadion. Dieses sieht von außen gar nicht so neu aus, wie der komplette Umbau 2011 erwarten lässt. Vermutlich liegt das an den freistehenden Flutlichtmasten, die für neumodische Fußballtempel nicht unbedingt üblich sind. Auf jeden Fall ist es nach meinem Geschmack hübscher als der „Bernstein“ von Lechia Gdansk. Der Blick ins Innere offenbart dann doch ein kleines Manko, denn diese bunten Sitzschalen verursachen einfach Augenkrebs - da erkennt man selbst im Stadion kaum, wie voll die Hütte eigentlich ist.

Arka

Auf dem Platz versucht Arka das Spiel zu kontrollieren und lässt hinten kaum etwas zu. Das macht etwas Hoffnung, es könnte heute für den ebenfalls mit Lech Poznan befreundeten Club etwas zu holen sein. Schließlich ist Arka diese Saison noch ungeschlagen, während Pogoń einen holprigen Saisonstart hingelegt hat. Kurz vor der Pause sind es trotzdem die Gäste, die jubeln dürfen, als nach einem Foul der Elfmeterpfiff ertönt und ihnen die Führung beschert.

In den Kurven gibt es heute keine besonderen Vorkommnisse, aber Dank guter Stadionakustik lässt sich der Support auf beiden Seiten hören. Im Gästeblock scheint heute wirklich jeder mitzusingen und da im Zug bereits ein paar Bierchen geflossen sind, ist auch nach kurzer Zeit der gesamte Block oberkörperfrei unterwegs. Bei Arka wirkt die Kurve lückenhaft, aber das kann auch an bereits erwähnten blau-gelben Sitzschalen liegen. Gelegentlich lassen sich auch hier die umliegenden Tribünen zumindest zum Mitklatschen hinreißen.

Arka

Mein Highlight der Halbzeitpause ist dann Perkele mit „Yellow and Blue, was sich zwar eigentlich auf deren Heimat Schweden bezieht, aber auch wunderbar zu Arka passt. Im zweiten Durchgang arbeitet Arka weiter daran, sich selbst abzuschießen. Bereits nach fünf Minuten zappelt der Ball erneut im Arka-Tor - diesmal durch ein Eigentor. Wenig später entscheidet ein weiterer Elfmeter die Partie endgültig. Nicht nur im Heimbereich verlassen heute enttäuschte Fans früher das Stadion, auch der Gästeblock leert sich in der 75. Minute plötzlich fast vollständig. So wirklich erschließt es sich uns nicht, da uns keine frühere sinnvolle Zugverbindung zurück nach Szczecin bekannt ist und der Spielverlauf nun wirklich keinen Anlass zur vorzeitigen Rückreise bietet.

Pogon


Nach dem Spiel geht es mit der S-Bahn zurück zum Bahnhof, wo etwa zwei Stunden später unser Zug zurück fahren soll. Weder am Bahnhof, noch im Zug ist irgendetwas von Pogoń zu sehen. Zunächst geht es mit dem Regionalzug bis Lębork, von wo der TLK bis Szczecin weiterfährt. Diesmal ist er völlig leer und wir können uns im Abteil lang machen. Erst nach zwei Stunden weckt mich der Lärm draußen auf dem Gang, und wenig später stürmt die feuchtfröhliche Reisegruppe ins Abteil und schert sich einen Dreck darum, ob hier jemand schlafen will. Aufgeregt wird irgendetwas von kibice und policia gefaselt. Scheinbar waren die Pogoń-Fans auf anderem Wege bis Kołobrzeg gekommen und sollten die letzten zwei Stunden wieder in unserem Zug mitfahren.



Bei Ankunft in Szczecin sind wir dann doch noch als Deutsche aufgefallen und die folgenden Szenen lassen einen einfach nur noch am gesunden Menschenverstand zweifeln. Einer der Pogoń-Fans erklärt uns stolz, Rudolf Heß sei der beste Mann der Waffen-SS und grüßt dazu einmal ab. Wir bleiben etwas sprachlos zurück und mehr als lächeln und winken fällt uns dazu auch nicht ein. Wir sind schließlich nur froh, als wir ins Taxi steigen und das Auto wieder einsammeln können, um die letzten Kilometer nach Hause hinter uns zu bringen.

Fotos und Bericht stammen von „HRO Hopping / Fußballreisen von Rostock in die Ferne“

> zur turus-Fotostrecke: MKS Pogoń Szczecin

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
21 August 2017
Spielergebnis:
0:3
Zuschauerzahl:
9.074

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G
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J
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Micha du Stinktier. :-D
Z
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Bevor sie zum Stadion per Bus fuhren, gingen sie noch an den Strand. Tradition in Kolobrzeg, Swinoujscie, Gdynia usw.
M
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G
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