Es ging damals vor 31 Jahren alles seinen sozialistischen Gang. Der Reisescheck wurde ausgestellt für den Zeitraum 23. Juli bis 05. August 1986 und abgestempelt von der BGL des VEB Fotochemische Werke Berlin. Der genehmigte Erholungsort: Wustrow auf dem Fischland! Zu DDR-Zeiten eine Unterkunft an der Ostseeküste zu bekommen: Ein echter Jackpot! Taschen gepackt und alles vorn im Kofferraum des weißen Skoda 105 L verstaut. Mit Heckantrieb und 110 km/h im Schnitt die Betonpiste entlang gen Rostock, und von dort aus die Fernverkehrsstraße 105 und anschließend die Landstraße über Dierhagen zum Ostseebad mit dem aus dem Slawischen abgeleiteten Namen Wustrow („umflossener Ort“ / „Ort auf der Insel“). Fischland, Darß und Zingst. Ein wundervoller Urlaub. Kindheitserinnerungen, die einem niemand mehr nehmen kann. Kein Wunder also, dass der Name „Wustrow“ schöne Assoziationen hervorruft. Es blieb allerdings bei der einzigen Reise nach Wustrow. Im späteren Verlauf rief die Ostseeküste immer wieder, beruflich geht es nun bekanntlich alle Nase lang immer wieder nach Rostock, doch dem Fischland wurde kein Besuch mehr abgestattet. Es wird wohl höchste Zeit. Und was spricht dagegen, das Private mit dem Beruflichen zu verknüpfen? Sprich: Sich vor Ort mal ein Fußballspiel anzuschauen?!
Durchmarsch am Ostseestrand: Der TSV Wustrow macht alle nass und steigt wieder auf!
Zuletzt ging dort beim Fußball auch alles seinen sozialistischen Weg. Sagt man halt so. Gemeint ist einfach nur, dass alles nach Plan verlief. Der dort ansässige TSV Wustrow hatte schlichtweg keine Lust mehr, einfach nur in der Kreisliga (Kreis Nordvorpommern-Rügen) zu kicken. Es darf schon etwas höher sein. Gesagt, getan. In der Saison 2015/16 gab es 20 Siege in 24 Spielen zu feiern. Nur dreimal ging die erste Mannschaft des TSV Wustrow als Verlierer vom Rasen. Und ja, es war notwendig, dermaßen am Finger zu ziehen, denn der Vorsprung war am Ende gar nicht mal soooo groß. Fünf Punkte weniger hatte der Verfolger Velgaster SV (nur zwei Saisonniederlagen) auf dem Konto. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass Wustrow eine der drei Saisonniederlagen am letzten Spieltag kassierte. Als der Aufstieg längst in trockenen Tüchern war, ließ man es ruhiger angehen und verlor gegen den SV 1927 Bartelshagen mit 2:4. Ausgelassen gefeiert wurde damals am 18. Juni 2016. Hinter dem Spruchband „Kreisligameister 2016“ stellten sich die Spieler mit einigen Fans und ließen es ein wenig brutzeln und qualmen.
Das Interessante: Das Ostseebad Wustrow liegt im Landesteil Mecklenburg. Die Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern macht am dortigen Bodden einen Schwenk und führt anschließend östlich von Wustrow quer durch das Fischland. Demzufolge schwenken beim TSV Wustrow die Fans am Rande des Sportplatzes die blau-gelb-rote Flagge mit dem Stierkopf. Damals gegen Bartelshagen (Marlow-Bartelshagen liegt im Landkreis Vorpommern-Rügen, gehört aber historisch zu Mecklenburg) hing am Geländer ein Spruchband mit der Aufschrift „Scheiß Vorpommern!“. Und auf dem Banner der Fans ist nicht ohne Grund Blau auf Schwarz „Stierfront Mecklenburg“ zu lesen. Nun sollte alles nicht völlig bierernst genommen werden, doch die Rivalität zwischen Mecklenburg und Vorpommern ist - nicht zuletzt aufgrund der umstrittenen politischen / administrativen Grenzverschiebungen - durchaus vorhanden. Und was kann es demzufolge schöneres für den TSV Wustrow geben, als gegen die östlichen Nachbarn aus Vorpommern zu gewinnen und am Ende sogar die Nase ganz vorn zu haben?!
Der Aufstieg 2016 war nicht genug. Weiter ging es im Programm. Gespielt wurde 2016/17 in der Kreisoberliga (Kreis Nordvorpommern-Rügen). Gegner waren unter anderen Rot-Weiss Trinwillershagen II, die SG Traktor Divitz, der ESV Lok Stralsund und der Stralsunder FC. Gemeinsam mit dem SV Prohner Wiek wurde der Aufstieg in die Landesklasse gepackt, beim letzten Heimspiel gegen den VfL Bergen 94 II schauten knapp 100 Fußballfreunde auf dem Sportplatz am Direktor-Schütz-Weg vorbei. Zuvor beim Heimspiel gegen den Verfolger Stralsunder FC waren es 75. Zwischen 50 und 80 Zuschauer schauten in der vergangenen Saison eigentlich immer vorbei.
Begonnen hatte die Spielzeit 2016/17 aus Sicht des TSV Wustrow alles anderes als erfreulich. Nach der knappen 2:3-Niederlage bei der zweiten Mannschaft des PSV Ribnitz-Damgarten (das 2:3 wurde in der 87. Minute kassiert) folgte daheim ein böses 0:3 gegen die SG Wöpkendorf. Der Schalter umgelegt wurde am 03. Oktober 2016. Mit 3:2 konnte beim SV 93 Niepars gewonnen werden. Die Treffer erzielten Alex Dieter Karock, Frank Hartmann und Danny Reimer. Mit einem folgenden 2:1 gegen den SV Gingst - wieder schossen Karock und Reimer jeweils ein Tor - konnte die Bilanz schon mal ausgeglichen werden. Im Anschluss folgte ein 2:1 bei der SG Traktor Divitz, und der TSV Wustrow war nun auf der Spur. Dieses Mal waren es Nick Deichmöller und Oliver Bönig, die die Treffer erzielt hatten. Als dann auch noch mit 3:0 gegen den SV Rambin gewonnen werden konnte, war klar: Der TSV Wustrow wollte wieder um den Aufstieg mitspielen.
Und in der Tat, der Aufstieg wurde klargemacht. Mit einem abschließenden 2:0-Erfolg bei Rot-Weiss Trinwillershagen II wurde auch der Meistertitel gefeiert. Wie im Jahr zuvor gab es von der Mannschaft hübsche Fotos zu sehen. Nun hieß es „Kreisoberligameister 2017! Nur der TSV“. Daneben wurde noch ein Spruchband mit der Aufschrift „Pech gehabt PSV!“ Gemeint sein könnte der große Nachbar PSV Ribnitz-Damgarten, der aus der Landesliga abstieg und nun in der Landesklasse antreten muss. Mit Spannung wurde demzufolge die Staffeleinteilung erwartet. Und mit folgenden Worten kommentierte der TSV Wustrow das Ergebnis: „Hätten wir so nicht erwartet! Wir freuen uns aber jetzt schon auf die neue Saison und die Herausforderung…“
Mit dabei in Staffel I der Landesklasse sind unter anderen der besagte PSV Ribnitz-Damgarten, der SV Rot-Weiss Trinwillershagen (ebenfalls aus der Landesliga abgestiegen), der FSV Bentwisch (noch bekannt aus der NOFV-Oberliga-Saison 2008/09) und der Sievershäger SV (einst 2003/04 in der Oberliga, und zudem 2012 und 2014 im Landespokalfinale). Und auch in die Hansestadt Rostock geht die Reise, so wird der SV Hafen Rostock 61 einer der kommenden Gegner sein. Das Abenteuer kann beginnen, so hoch hatte der TSV Wustrow noch nie gespielt. Der Spielplan steht, und los geht´s am 06. August 2017 mit einem Heimspiel gegen Hafen Rostock. Die erste Auswärtssause führt zum Mit-Aufsteiger SV Prohner Wiek. Und ach ja, das erste Duell mit dem Nachbarn aus Ribnitz-Damgarten steigt auswärts am 18. November 2017 auf dem Sportplatz Tannenwald.
Also dann, Segel richten und Kurs aufnehmen! Im Vereinsemblem (das Wappen der Ortschaft mit einem „TSV“ ergänzt) ist eine silberne Brigg zu sehen, die unter der strahlenden Sonne unter vollen Segeln steht. Vielleicht kreuzen sich ja eines Tages mal im Landespokal die Wege von Brigg und Kogge. Bis dahin schauen wir, was im Ligaalltag hübsches passiert. Wird höchste Zeit mal wieder die Taschen in den Skoda zu werfen … ;-)
Fotos: Kay Mittelbach, TSV Wustrow e.V - Fanmediathek, Marco Bertram
> zur turus-Fotostrecke: unterklassiger Fußball in der Region Nordost
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Benutzer-Kommentare
Danke für den hammer Text !
Blau, weiße Grüße !
Stierfront Mecklenburg.