FC Stahl Brandenburg hangelt wieder am Abgrund entlang: Goldwerter Punktgewinn gegen Neustadt

Während in den oberen Ligen die Spieler bereits in den Sommerferien sind, rollt in den unteren Klassen noch der Ball. So auch in der Brandenburg-Liga (Verbandsliga). Dramatisch zu geht es in der Abstiegszone. Und wieder einmal mittendrin steckt der FC Stahl Brandenburg, der in den vergangenen Jahren häufig den Kopf im letzten Moment aus der Schlinge gezogen hatte. Entspannt zu ging es in der Vorsaison, die mit einem guten fünften Platz abgeschlossen wurde. Rang 13 war es am Ende der Spielzeit 2014/15, Rang 15 war das Resultat der Saison 2013/14, und mit Rang 13 wurde die Saison 2012/13 abgeschlossen. Mit einem 4:0-Sieg beim SV Babelsberg 03 II wurde damals auf der Sandscholle mit einem letzten Kraftakt doch noch der Klassenerhalt gepackt. Über 100 mitgereiste Stahl-Fans feierten ausgiebig den Sprung ans rettende Ufer. In den Folgejahren wurde mitunter davon profitiert, dass nur eine Mannschaft runtergehen musste (2013 gab es drei Absteiger). In diesem Jahr werden es zwei Vereine sein, die den Weg in die Landesliga antreten müssen. Derzeit in akuter Gefahr: Der SC Eintracht Miersdorf/Zeuthen, der FC Eisenhüttenstadt (das „Stahl“ wurde nach der Fusion leider abgelegt) und der FC Stahl Brandenburg.

Zu Gast in Brandenburg war am vergangenen Samstag das Schlusslicht SV Schwarz-Rot Neustadt. Allein mit einem deutlichen Sieg hätte das Kellerkind die theoretische Chance zum Klassenerhalt wahren können. Aus Sicht des FC Stahl eigentlich ein prima Spiel. Sieg gegen Neustadt und das Fundament für den Verbleib in der Brandenburg-Liga wäre geschaffen. Allerdings konnte nicht im heimischen Stadion am Quenz gespielt werden. Da dort die Leichtathletik den Vorrang bekam, musste die erste Mannschaft des FC Stahl Brandenburg (die Zweite trug am Sonntag ihr Heimspiel im Stadion aus) umziehen. Der Sportplatz am Wiesenweg nahe des Ufers der Brandenburger Niederhavel sollte es sein, wo der wichtige Dreier eingefahren werden würde. 

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Da im Sommer aller Voraussicht nach die markanten Flutlichtmasten des Stadions am Quenz - einst eher bekannt als Stahlstadion - abgerissen werden sollen, bot sich die Gelegenheit, vor dem Heimspiel am Wiesenweg noch einmal am Quenz vorbeizuschauen. Errichtet wurde die Flutlichtanlage kurz vor dem Zusammenbruch der DDR, ganz fertiggestellt wurde sie nie. Hätte man sämtliche Lampen eingebaut, so wäre einst die lichtstärkste Flutlichtanlage der DDR entstanden, die sogar jene des Leipziger Zentralstadions übertroffen hätte. Man hatte großes vor in der Stahl-Stadt. Die Europapokalspiele der BSG Stahl Brandenburg gegen den Coleraine FC (Nordirland) und IFK Göteborg vor jeweils proppenvollen Rängen hatten Lust auf mehr gemacht. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde bekanntlich kurzzeitig in der 2. Bundesliga gespielt, dann kam der traurige Fall in die Niederungen des Fußballs. 

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Fußballausflüge werden gern mit längeren Wanderungen verknüpft. So auch am vergangenen Samstag. Das Stadion am Quenz unten herum zu Fuß im Uhrzeigersinn erreichen? Wird schon irgendwie möglich sein. Gar nicht groß im Detail auf den Stadtplan geschaut und der Neuendorfer Straße und der Caasmannstraße gefolgt. Später dann ging es über Brachflächen. Trampelpfade auf trockenen Wiesen machten Mut. Ach komm, irgendwie wird man das Industriegelände schon umrunden können. Was für eine riesiges Industriefläche! Teilweise befinden sich auch in der Gegenwart Firmen auf dem Gelände, teilweise liegt das Gelände brach und einzelne DDR-Laternen, marode Mauern und aufgehäufte Betonbrocken zeugen von der einstigen Industrie-Vergangenheit am Quenzsee.

Pioniere

Irgendwann wurde dann doch wieder kehrtgemacht und der klassische Fußweg über Klingenbergstraße, Friedrich-Engels-Straße und B1 zum Stadion am Quenz gewählt. Vorbei an einer einstigen Polytechnischen Oberschule, an deren Stirnseite noch immer die Jungpioniere die Passanten grüßen. Während im Stadion am Quenz die besagten Leichtathleten wuselten, lud auf der anderen Seite der Bundesstraße 1 ein Autohaus zum Verweilen ein. Was für ein skurriler Anblick! Eine Zeitreise in die frühen 90er. Animation, Musik vom Keyboard und aus der Konserve, aufgestellte Liegestühle, Freigetränke für potentielle Autokäufer. Das Interesse hielt sich in Grenzen. Auch wir wollten erst gar nicht bei einem Cocktail in ein Verkaufsgespräch verwickelt werden und fuhren mit der Straßenbahn zurück in Richtung Innenstadt. 

BSG

Karpaten-Wurst und ein kühles Bier am Ufer der Niederhavel, anschließend auf den letzten Drücker rüber zum Sportplatz am Wiesenweg. An der Ecke hatte sich bereits eine kleine Gruppe mit Flaschenbier eingefunden, die kostenneutral durch den Zaun schauen wollte. So dumm war das gar nicht, denn auch die meisten Zuschauer, die drei Euro bezahlt hatten, schauten unten durch einen Zaun, vor dem sogar ein paar mobile Trainingstore abgestellt waren. Unten einen Platz zu finden, von dem aus man das gesamte Spielfeld überblicken konnte, war gar nicht so einfach. Besser hatten es die rund 60 Stahl-Fans, die auf einer Terrasse der anliegenden Sporthalle einen perfekten Blick von oben hatten. Das BSG-Banner wurde oben gut sichtbar befestigt, und immer wieder ertönte der eine oder andere Schlachtruf. Und ja, der „Sirenenmann“ war auch am Start und betätigte sein mitgebrachtes Utensil bei herannahenden Torchancen und Standardsituationen.

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Ran an den Stand, ein frisch Gezapftes geholt und anschließend geschaut, was sich auf dem Rasen tut. 120 zahlende Zuschauer hatten sich eingefunden, hinzu kamen die erwähnten Zaungäste. Die Mannschaft des FC Stahl bestimmte ganz klar die Partie, vermochte es jedoch nicht, den Ball im Gehäuse unterzubringen. Mit einem 0:0 ging es zur Pausenerfrischung, und auch nach dem Wiederanpfiff tat sich Stahl Brandenburg schwer mit dem Gegner. Hinter dem Neustädter Tor wuselten etliche Kinder, bewarfen sich fröhlich mit rötlichem Staub und riefen immer wieder voller Inbrunst „Stahlfeuer!“ Hätte man ja seinen eigenen Nachwuchs auch mitbringen können, dachte ich mir. Wenige Minuten später unterband ein Ordner das muntere Treiben im Innenraum. Schmollgesichter bei den Kids. Vielleicht doch besser gewesen, den gern herumtobenden Nachwuchs nicht mitgenommen zu haben.

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Und auf dem grünen Rasen? Dort geschah Bitteres aus Sicht der Heimfans. Der Fünfer darf ins Phrasenschwein geworfen werden! Aber ist doch so! Machst du vorn 83 Minuten lang nicht die Buden, wirst du am Ende bestraft! Und das vom Tabellenletzten. Paul Döbbelin schob sieben Minuten vor Schluss unten rechts ein. 1:0 für Neustadt. Was für eine Katastrophe! Der FC Stahl warf nun alles nach vorn. Die Zeit verstrich, doch dann gelang noch immerhin der Treffer zum 1:1. Irgendwie gelang es Rafael Conrado Prudente in der 90. Minute den Ball im gegnerischen Gehäuse unterzubringen. Jubel bei den Stahl-Fans, hängende Gesichter bei der Gästemannschaft. Mehr sollte nicht mehr passieren. Neustadt war nun wirklich abgestiegen. 

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Und der FC Stahl Brandenburg? Der gerettete Punkt kann noch goldwert sein! Der SC Eintracht Miersdorf/Zeuthen konnte mit 2:1 in Oranienburg gewinnen und zog somit in der Tabelle vorbei. Der FC Eisenhüttenstadt verlor indes beim FV Preussen Eberswalde und rutschte auf den vorletzten Platz. Eisenhüttenstadt und Brandenburg haben jeweils 28 Punkte, Miersdorf/Zeuthen hat 29 Punkte auf dem Konto - und das schlechteste Torverhältnis von allen dreien. Und einmal raten bitte, wer am letzten Spieltag gegeneinander antritt! Der FC Eisenhüttenstadt empfängt den FC Stahl Brandenburg! Dank des besseren Torverhältnisses genügt dem FC Stahl ein Remis, Eisenhüttenstadt muss in jedem Fall gewinnen. Verliert Miersdorf/Zeuthen daheim gegen Falkensee-Finkenkrug, wäre Eisenhüttenstadt im Fall eines Unentschiedens auch gerettet. Es wird spannend, und sicherlich werden sich einige Brandenburger auf den Weg nach „Hütte“ machen, um dort ihre Mannschaft zu unterstützen.

Fotos: Marco Bertram

> zur turus-Fotostrecke: FC Stahl Brandenburg

Inhalt über Klub(s):
Artikel wurde veröffentlicht am
12 Juni 2017
Spielergebnis:
1:1
Zuschauerzahl:
120

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4 Kommentare
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G
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Gut geschrieben
G
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G
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Packt es!
H
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