Schiedsrichter lassen nicht nur Sektkorken knallen – Neujahrsspiel in Gryfino

M Updated 02 Januar 2017
Schiedsrichter lassen nicht nur Sektkorken knallen – Neujahrsspiel in Gryfino

Auf geht’s ins richtungsweisende Jahr 2017! Das Wettern gegen die alternativen Medien schließt an das Wettern aus dem vorherigen Jahr an, während im Autoradio mal wieder die Ansage kommt, dass gezielt gegen „falsche Nachrichten“ vorgegangen werden wird. Ob man sich da auch auf die Blätter bezieht, die Block-Stürmungen durch Hooligans sehen, wo keine sind oder die meinen, ein neues polnisches Mediengesetz verurteilen zu müssen, ohne den Leuten vorher erklärt zu haben, wie das polnische Mediensystem überhaupt funktioniert? Belustigt durch die neuerlichen Schauergeschichten über Polen in den Tagesblättern führte die erste Fahrt des neuen Jahres eben in dieses Polen. Dort gibt es die Tradition der Neujahrsspiele. Anfang des 20. Jahrhundert wurde damit begonnen, an Neujahr sportliche Vergleiche auszutragen. Die bekannteste Veranstaltung ist das Neujahrtraining von Cracovia Kraków. Meistens sind es interne Vergleiche – also z.B. die erste gegen die zweite Mannschaft. Die Ankündigungen für diese Spiele sind spärlich. Die Suche ergab, dass in Gryfino an Neujahr ebenfalls gespielt wird. Dort treten traditionell die Alten Herren (oldboje) von Energetyk Gryfino gegen eine Schiedsrichterauswahl des Verbands „Zachodniopomorskie“ (ZZPN) an.

Gryfino

Nach vier Mails standen Uhrzeit sowie Ort fest und man lud mich herzlich ein. Nach der Pilgerfahrt der Fans im Jahr 2014 mit ihrer massenhaften Zündung von Bengalos geht es mir wie Obelix. Das Bedürfnis viel Feuerwerk auf einmal zu sehen oder an einem Neujahrstag bis in die Morgenstunden Kram zu zünden, reizen nicht mehr so, weshalb ich zeitig aufstand und somit früh in Gryfino war. Der Platz war noch menschenleer, aber der erste Sportsfreund mit seiner Sporttasche war schon in Sichtweite.

Gryfino

Da blieb noch Zeit für ein Erkunden der Gegend. Zwei trotz des Feiertags geöffnete Lebensmittelgeschäfte zogen die Leute an, und die Straßen waren nur spärlich mit Feuerwerkskörperüberresten bedeckt. Der Oderstrom erschien kaum dunkler als der bewölkte Himmel, und wer Zeit mitbringt, kann die mehr oder weniger sinnvollen Sprüche sowie zahlreiche Grüße an der Brücke über den Oder-Ostarm studieren. Das Spiel begann nicht nur mit einer dreißigminütigen Verspätung, sondern auch mit einer Ansprache mit anschließender Gedenkminute für verstorbene Sportler des Vereins und der Schiedsrichtergilde. Fünf Zuschauer auf der Tribüne, zehn am Spielfeldrand und noch einmal zehn vor der Stadionkneipe ergeben eine Kulisse von immerhin 25 Sportbegeisterten auf dem Kunstrasenplatz des städtischen Stadions.

Gryfino

Den Startschuss für den bereits 15. Vergleich dieser Art bildeten das Abfeuern von Signalmunition durch einen der Schiedsrichter und das vereinte kraftvolle Rufen „Sędziowie to MY” (Schiedsrichter - das sind wir), was irgendwie an Fanblockaktivitäten erinnerte. Im Wald weit hinter dem Käfig für Gästefans qualmte es außerdem, was die Feuerwehr auf den Plan rief, und in der Umgebung detonieren immer wieder die so genannten Polenböller. Ein Kracher war das Spiel in der ersten Hälfte noch nicht. Nach einem 1:0 zur Pause drehten die oldboje von Energetyk in der zweiten Hälfte noch so richtig auf.

Gryfino

Am Ende hieß es 9:0. So wichtig ist das Resultat nicht, auch wenn es einen Wanderpokal gibt und ein Zuschauer während der ersten Hälfte zweimal einen Anruf bezüglich des Zwischenstands bekommt. Die Frage nach der Ergebnis-Bilanz beantwortete man mir mit einer Unwichtigkeit des Kräftemessens. Eine Statistik werde nicht geführt. Es geht nur um den Spaß am gemeinsamen Sporttreiben. Nebenbei kippt man meinem Gesprächpartner ein gold-braunes Getränk in seinen Plastikbecher. Dazu gibt’s noch einen Eiswürfel. Dabei ist es draußen schon so nass und kalt. Cola mag er nicht, da diese zu ungesund sei. Das Scherzen und die ausgelassene Stimmung der Nacht wurde fortgesetzt und dann schließlich in der Stadionkneipe abgerundet.

Prost!

Fotos: Michael

> zur turus-Fotostrecke: Fußball in Polen

Artikel wurde veröffentlicht am
02 Januar 2017

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